Die Touristen kommen nicht nur wegen der liebevoll restaurierten Gebäude in die ungarische Stadt. Sie genießen auch Thermalquellen und das exzellente Essen.

Sopron ist Ungarns treueste Stadt." Stolz schwingt in Rita Toths Stimme mit, als sie uns vor den "Treuebrunnen" mitten in der Altstadt führt. Drei Figuren lehnen an einer Säule, drei in Stein gemeißelte Symbole des Widerstandes. Im 13. Jahrhundert verteidigte König Ottokar die Freiheit Soprons, und 1921 ging die ehemalige Hauptstadt Deutsch-Westungarns nach einer Volksabstimmung an Ungarn. Österreich hatte das Nachsehen. "Aber das schönste Datum ist natürlich der 19. August 1989, als der Grenzzaun fiel und Tausende von DDR-Bürgern in die Freiheit strömten", sagt Rita. Nichts in dieser friedlichen Landschaft erinnert heute noch an Stacheldraht und Minenfelder. Unvergessen hingegen sind die ergreifenden Szenen, die sich hier abspielten.

Ein schmaler Pfad führt auf einen großen, dicht mit Bäumen bepflanzten Platz, der an eine Autobahnraststätte erinnert. Ein Pavillon mit grünem Dach und spitzen Türmen, die wie Pfeile in den Himmel ragen, dient als Unterstand. Eine Tafel weist darauf hin, dass sich hier - am Tor bei St. Margarethen - seit der Antike Völkerscharen und Stämme aus ganz Europa tummelten und ungehindert von einem Ort zum anderen zogen. "400 Jahre marschierten die Römer über ihre Bernsteinstraße. Dann kamen Hunnen, Germanen, Kreuzritter und Türken", erläutert Dr. Laszló Szilagyi, "bis der Eiserne Vorhang die Menschen 40 Jahre voneinander trennte." Der agile Mann war 1989 zusammen mit seinem Freund Laszló Nagy hautnah an den Aktionen vor Ort beteiligt. "Und den Grenzzaun haben wir dabei auch gleich requiriert als bleibendes Souvenir an die dramatischen Ereignisse von damals", sagt er.

Das wertvolle Relikt aus realsozialistischen Zeiten wird heute im Keller des Hotels "Pannonia" in der Varkerület 75 aufbewahrt. Dr. Szilagyis zahnärztliche Praxis befindet sich in den oberen Räumen des historischen Hotels, das ihm und seiner Familie gehört. "Wenig später fiel ja auch die Mauer in Berlin, die euch Westdeutsche vor den Segnungen des Sozialismus schützen sollte!" Und die Ungarn waren so etwas wie die Geburtshelfer bei dem Demokratisierungsprozess in der ehemaligen DDR, freut sich der Mann im weißen Kittel, der einer der Initiatoren des legendären "Paneuropäischen Picknicks" war.

Dieses Happening, das unmittelbar nach der Grenzöffnung gefeiert wurde, wird anlässlich des 20. Jahrestages am 19. August als Treffen der Völker Europas am ehemaligen Grenzübergang mit einer Fülle von Veranstaltungen begangen. Im nahen Felsentheater soll in Anwesenheit internationaler Prominenz aus Politik, Wirtschaft und Kultur Europas Hymne erklingen - Ludwig van Beethovens 9. Symphonie.

Ohne "Ode an die Freude" auf den Lippen trippeln die drei feschen Wienerinnen auf ihren High Heels vorsichtig über das Kopfsteinpflaster des Fö ter (Hauptplatz). Irgendwie, finden sie, ist hier alles a bisserl wie in Österreich. Die Dreifaltigkeitssäule in der Mitte des Platzes gleicht fast aufs Haar der Pestsäule daheim. Und das in strahlendem Habsburger Ocker gehaltene Gambrinushaus im Windschatten des imposanten Rathauses erinnert an ein Wiener Stadtpalais. Die Magyaren hingegen sehen ihre Stadt als urungarisch und weisen gern darauf hin, dass König Lajos II., Herrscher und Schöngeist in Personalunion, im 16. Jahrhundert den Abriss des Gambrinushauses verhinderte, weil ihm die elegante Fassade des Gebäudes so gut gefiel. "Sie sehen, ein Ungar war der erste Denkmalsschützer Europas, wenn nicht gar der ganzen Welt", sagt Rita, während sie mit uns die Stadt durchstreift.

Wir wandern über weitläufige, von liebevoll restaurierten Häusern und Palästen gesäumte Plätze, schlendern durch enge Straßen und Gassen und erklimmen schließlich den höchsten Punkt der Stadt, auf dem sich der Szent Mihaly-templon - die St. Michaelskirche - aus dem 15. Jahrhundert erhebt. Wir sind sehr bemüht, die ungarischen Namen korrekt auszusprechen. "Ssent Mihai templon", spricht unsere Stadtführerin uns vor und erklärt, dass Sopron sich Schopron ausspricht. Die Stadt macht es deutschsprachigen Touristen im Übrigen leicht. Sämtliche Straßennamen sind zweisprachig ausgezeichnet, und in vielen Geschäften, Cafes und Restaurants wird deutsch gesprochen. "Grüß Gott", klingt es uns häufig entgegen. "Was wünschen Sie, gnädige Frau?" Die k.u.k.-Monarchie hat bis heute ihre Spuren im ehemaligen Ödenburg hinterlassen. "Ödenburg war der deutsche Name Soprons", sagt Rita. "Und unter den Römern hieß die Stadt Scarabantia."Auf drei Dinge sind die Soproner ganz besonders stolz - auf den Komponisten und Pianisten Franz Liszt, der hier das Licht der Welt erblickte, den "Blaufränkischen", einen kräftigen Rotwein, der in unmittelbarer Nähe gedeiht, und nicht zuletzt auf die vielen Touristen, die jahrein, jahraus die Schönheiten der Stadt bewundern. Rita setzt gleich noch eins drauf: "Sopron nennt man auch die Stadt der Zahnärzte. So viele wie hier gibt es nirgendwo sonst im Land." Alle paar Meter weist ein Schild auf eine Zahnarztpraxis hin. "Kusenklempner gibt es hier wie Sand am Meer." Das Ehepaar aus Hamburg, das wir vor dem Feuerturm treffen, verbindet den Urlaub mit einer kompletten Zahnsanierung und zeigt sich begeistert von der Qualität der Arbeit und den sehr günstigen Tarifen.

Schlossführerin Edina wartet bereits vor dem Palais Esterhazy in Fertöd. Sie bittet darum, doch wegen der Feiern zum 20. Jahrestag der Grenzöffnung den 200. Todestag Joseph Haydns nicht zu vergessen. Er war kein gebürtiger Ungar, sondern stammte aus dem nahen burgenländischen Eisenstadt. Fast 30 Jahre aber stand Haydn als Hofkapellmeister in den Diensten der Adelsfamilie Esterhazy. Der prunkvolle Saal, in welchem er musizierte, wurde zum Jubiläum auf das Schönste renoviert. An dieser Stelle verließen an einem Abend gegen Ende des 18. Jahrhunderts Haydn und seine Musiker den Saal, nachdem jeder die Kerze auf seinem Pult gelöscht hatte. Ein Wink mit dem Zaunpfahl, den auch der gestrenge Dienstherr verstand. Wer die Säle und Zimmerfluchten durchstreift, ist geblendet von der barocken Pracht, die von unzähligen goldgerahmten Spiegeln reflektiert wird.

"Kennen Sie unseren Fertö tó?" Attila Fersch ist Feuer und Flamme für sein Projekt. Manchmal kann man seinen Erzählungen über den Nationalpark Fertö-Hansag kaum folgen. Es handelt sich um den östlichen Teil des Neusiedler Sees, der fest in ungarischer Hand und viel ursprünglicher ist als die Fläche auf der österreichischen Seite. Hier dehnen sich dichte Schilfwälder an den Ufern, ein riesiges Biotop, in dem scheue Vögel ungehindert brüten können und seltene Pflanzenarten in Hülle und Fülle gedeihen. "Bei uns ist alles Natur pur", sagt Attila. "Ein Paradies für Ornithologen. Sehen Sie nur einmal, welche Prachtexemplare sich bei uns wohlfühlen." Auf dem Weg zum Seeufer begegnen wir einer Kolonie Silberreiher, die kreischend davonfliegt , als wir näher kommen.

Ungarn ist ein einzigartiger Heilgarten. Nirgendwo auf der Welt gibt es so viele Thermalquellen wie hier. Bei Bohrungen werden immer neue Quellen entdeckt, aus denen das "weiße Gold" sprudelt. Nur einen Steinwurf von Sopron entfernt lockt ein sehr gemütliches, unkonventionelles Heilbad. Hegykö (deutsche Aussprache: Hetschkö) hat sommers und winters Saison. Selbst bei klirrender Kälte aalen sich die Gäste unter freiem Himmel in bis zu 37 Grad heißem heilkräftigen Thermalwasser. In den warmen Monaten geht hier richtig die Post ab. Dann ist Thermalcamping angesagt. Da reiht sich auf dem großen Campingplatz ein Wohnwagen an den nächsten. Wer lieber ein festes Dach über dem Kopf hat, wird sich in der "Tornacos Panzio" wohlfühlen. Das moderne Hotel mit nur 23 Zimmern, das sich bescheiden Pension nennt, wird auch anspruchsvolleren Gästen gerecht. Die holzgetäfelten Räume sind sehr geschmackvoll eingerichtet, Küche und Keller von guter Qualität. Wer Probleme mit der Figur hat, sollte allerdings nur halbe Portionen bestellen. Allein der wunderbare Palacsinta (Palatschinken) mit Nussfüllung und Schokoladensauce ist abendfüllend. Herr Tornacos, der charmante Juniorchef des Hauses, versteht die Bedenken mancher Gäste nicht so recht: "Sie müssen doch satt werden nach einem anstrengenden Badetag. Dann man jó etvagyat: guten Appetit!"