33 Jahre Kurbetrieb hat der medizinische Leiter der Jod-Sole-Therme in Bad Bevensen miterlebt. Manche Wellness-Trends hält er nur für Effekthascherei.

Als Karl-Heinz Lorenschat 1975 in Bad Bevensen als Physiotherapeut anfing, schimpften die Kurgäste noch, wenn die "normalen" Urlauber ebenso gut betreut wurden wie sie. "Wir haben immer alle unsere Gäste gut behandelt", erinnert sich der 64-Jährige, der heute als medizinischer Leiter der Jod-Sole-Therme dem Ruhestand entgegenblickt. 33 Jahre von Kneipp zur Wellness liegen hinter ihm, und da hat er manche Frau weinen sehen - vor lauter Entspannung. Und manche Anwendung kennengelernt sowie Generationen von Begriffswelten.

Der schlanke, durchtrainierte Mann, der so verschmitzt lächeln kann, weiß, wie damals Kurbäder funktionierten. "Da ging der Kurgast mit Krücken bis zum Bauchnabel ins Wasser, höher reichte es ja nicht", sagt Lorenschat, "und ließ sich von warmem Wasser beplätschern." Bad Bevensen habe schon damals Vorreiterfunktion gehabt: "Bewegung" lautete das passende Mittel. Aktiv sein statt passiv. Die Kräfte des Körpers stärken. Das ist heute Allgemeingut.

Dann geht Lorenschat in den Saunagarten "seiner" Jod-Sole-Therme und zeigt einen "Grabstein", wie er ihn nennt. Der weiße Quader steht zwischen Büschen, Tauchbecken und Sauna. Er trägt eine Aufschrift, die vom römischen Dichter Vergil stammt: "Ein Gott hat uns diese Muße beschert." "Gefällt mir", sagt der 64-Jährige, der sich bald mehr ums Reisen, Lesen, seinen Enkel und den Rasen kümmern wird. Doch der Spruch ist natürlich für die Gäste gedacht, die sich da der Muße hingeben - vielleicht mit ihrer Muse zusammen. Paarurlaub ist gefragt heute, sich fit halten auch.

Sitzt der Thermenchef vielleicht zu viel im Büro? "Ich freue mich immer, wenn ich dem Papierkram entfliehen kann", rechtfertigt er sich und erzählt von seiner Tradition. Jeden Mittwoch geht er nachmittags selbst mal in das neue Spa & Vital Center, das erst vor Kurzem entstand und zu seiner Therme gehört. "Ich schaue dann, ob die Duschen auch laufen oder nur tröpfeln", berichtet er. 1000 Quadratmeter Wellness wollen überprüft sein. "Rasulerde, damit müssen Sie sich mal einreiben, wunderbar", ist seine Empfehlung.

Es erfüllt ihn mit Stolz, wenn er die Behandlungsräume vorstellt. Der Raum für die Seifenschaummassage ist gerade leer. "Mit jeder Seifenblase platzt eine Sorge", sagt die Mitarbeiterin. Lorenschat scheinen keine Sorgen zu quälen, so fröhlich, wie er guckt. Ihn stören nur die neumodischen Begriffe für alles, was früher mal mit Kneipp und dem Kaltwassertreten anfing. "Kennen Sie die viszerale Manipulation?", fragt er lächelnd. "Viszeral beschreibt die Eingeweide, die inneren Organe", antwortet er gleich selbst. "Reflexzonentherapie sagen wir dazu."

Dann stoppt er vor dem Hydroxeur. "Das kennt doch kein Mensch", wundert sich der Wellnessprofi. "Schauen Sie mal, das ist ein Einzelsprudelbad, hat 265 Düsen, die nach verschiedenen Programmen lossprudeln." Das Licht wechselt. Farbe und Duft des Wassers wird nach Wunsch des Gastes aus fast leeren Flaschen ins Wasser gekippt. Die stehen auf einem Tisch nebenan. "Wir füllen nur noch wenig hinein, volle Duftflaschen werden oft einfach mitgenommen", beklagt der Chefphysiotherapeut, "aber mit unseren Düften scheinen wir den Geschmack unserer Gäste zu treffen." Er reibt es auf die Finger und sagt: "Orange-Minze, riechen Sie mal!"

Die Sole-Dauerdusche liefert Platzregen auf die nackte Haut, eine simple, aber gefragte Methode, Haut und Atemorgane von der salzhaltigen Luft zu umspülen. Beim "Wave Dream" bewegt sich eine dünne Wasserschicht auf einem Spiegel, der Licht unter die Raumdecke projiziert. "Wunderschön anzusehen", sagt Lorenschat, "aber das Medizinische muss im Vordergrund stehen bei all unseren Wellnessangeboten, nicht ein Schnickschnack, das finden Sie woanders."

Dann wird er etwas böse, wenn er erzählt, was er in manchen Orten als Wellness so erleben muss. "Ein Eiswürfel in einem Ohr, im anderen ein Mandarinenstückchen und eine Bananenschale auf dem Hintern", zürnt er, "das ist dann ein Sauna-Event." Was ein simples Wannenbad mit Nachtkerzenöl schon alles an Begriffen über sich ergehen lassen muss, das plagt ihn bald nicht mehr. Was er noch einrichten möchte, ist ein Heubad. Kumarin, das ätherische Öl vom Heu, soll die Sinne betören.

Einer, der schon jetzt umnebelt erscheint, fragt den Chef der Therme plötzlich aufgebracht nach mehr Liegestühlen neben der Sauna. Lorenschat bleibt ruhig und erläutert dem Gast, wo überall er ganz ruhig liegen könne. Ruheräume gibt es drei, einen sogar nahe am Außenschwimmbecken mit Soleaersol vom Wasser. "Toll, das beim Liegen einzuatmen", empfiehlt er. Dann legen sich viele in den warmen Sand von Bad Bevensen - im Raum "Sandbad" bei warmen Farben und warmem Licht. Hinterher pusten sich die Gäste mit Druckluft den Sand wieder von der Haut. Nebenan dümpeln einige Urlauber im Solebecken völlig entspannt im 35 Grad warmen Wasser. Lichter unter der Decke, Musik über und unter Wasser lassen einen die Zeit vergessen. "Da bin ich gern und tauche ab", erwähnt der Wellnesskenner, "Unterwassermusik erinnert mich an Walgesänge."

Erinnerungen hat der scheidende Chef an die Bausünden der vergangenen Jahre. "Schwarze Bretter, dunkle Kacheln, das ist endlich alles weg", beschreibt er das moderne Ambiente der Therme. Die tief gezogenen Fenster und Becken ohne sichtbaren Rand mit Wasserüberlauf waren schon vor 30 Jahren da, als in Lorenschats Büro wegen der Soleluft noch die Büroklammern verrosteten. "Wo wir arbeiteten, spielte gleich die Kurkapelle", erinnert er sich.

Die ist heute immer noch da, wenigstens zwei Männer und eine Frau spielen vor ein paar Zuhörern. Doch was in frischer Umgebung an medizinischer Entspannung und Behandlung geboten wird, übergibt Lorenschat gern seinem Nachfolger. "Das Wellnesshaus ist gut bestellt", sagt er und zeigt noch mal auf den "Grabstein".