Acht Orte traten im 13. Jahrhundert dem großen europäischen Handelsbündnis bei. Mit Stadtfesten, Festumzügen, Markttreiben und Kulturprogramm wird nun gefeiert.

Lustig wippt die Feder im Wind. Sie steckt an einem dunkelgrünen Oldfashion-Hut mit rundum laufender Krempe, der Gesicht und Hals perfekt schützt. Auch das Kostüm mit Rüschenkragen über beige-blauem Puffärmelgewand entspricht so ganz und gar nicht gängigen Modemustern. Nur der schwarze Lederbeutel für die klingenden Münzen sieht aus heutiger Sicht relativ normal aus.

"Ich habe 700 Jahre auf dem Buckel", kokettiert der Mann im Kostüm an der Pier zu Havelberg, "und dafür habe ich mich eigentlich ganz prima gehalten." Dann zelebriert er in einem ebenso alten wie annähernd unverständlichen Deutsch einen formvollendeten Begrüßungsmonolog, mit dem er einstimmt auf eine Reise in seine Welt: die Zeit der Hanse in der Altmark, dem heutigen Norden von Sachsen-Anhalt.

"Es ist ein weit verbreiteter Irrtum, dass es Hansestädte nur an den Küsten der Meere gegeben habe", beginnt der Hansekaufmann seinen Exkurs. Keine andere europäische Region zum Beispiel weise eine größere Konzentration an Hansestädten auf als die Altmark. In der Tat: Stendal, Salzwedel, Tangermünde, Gardelegen, Osterburg, Seehausen und Werben liegen auf engem Raum beieinander - sieben stolze Städte, die es zwischen 13. und 16. Jahrhundert zu Wohlstand und Ansehen brachten. Gemeinsam mit der Prignitzstadt Havelberg schlossen sie sich 1998 zum Altmärkischen Hansebund zusammen - mit dem Ziel, das historische Erbe der Hansezeit bekannt und erlebbar zu machen.

Mitte des 12. Jahrhunderts beginnt die Geschichte der Hanse. Auf dem Lübecker Stadtsiegel stehen sich auf einer Kogge zwei Männer gegenüber, die sich einen Eid schwören. Der eine bringt sein Schiff mit, der andere die Ware - der westfälische Kaufmann und der Lübecker Schiffer tun sich zusammen und gründen die Hanse. Eine Schwurgemeinschaft von Fernhandelskaufleuten, um die langen und gefahrvollen Handelsreisen nach England, Skandinavien, ins Baltikum und nach Russland bestehen zu können.

"Eng wohnen, weit denken", war der Wahlspruch der Hansekaufleute, die in einer Form früher Internationalisierung die Chancen nutzten, die der europäische Markt bot. Der friedliche Handel in einem Europa offener Grenzen - wenn man so will, ein Vorläufer der EU - brachte den Städten Reichtum und Wohlstand, Ansehen und Macht. Er stimulierte den Aufbau bürgerlicher Gemeinwesen und einer weitreichenden Sozialfürsorge. Und er prägte entscheidend die Topografie der Städte. Großzügige Marktplätze, prächtige Rathäuser, reiche Kirchen, imposante Bürgerhäuser - das alles geht auf die Hanse zurück, die ihren Höhepunkt um 1400 erlebte, als 200 Städte unter der Führung Lübecks zum Bund gehörten.

Im Kreuzungsbereich wichtiger Handelsstraßen und an der Elbe gelegen, bot die Altmark beste Vorraussetzungen für den Handel. In Stendal wurden Tuchmacher und Gewandschneider mit ihren Produkten zum Motor des Aufschwungs. Dazu kamen Privilegien wie Zollfreiheit und Münzrecht. Salzwedel, dort wo "Salz über eine Furt" befördert wird, hatte über das Flüsschen Jeetze Anschluss an die berühmte Salzstraße Lüneburg-Magdeburg. Gardelegen wurde reich vor allem durch Bier und altmärkischen Hopfen - zwei der gefragtesten Handelsgüter der Hanse. In Tangermünde füllten Tuch-, Getreide- und Holzhandel die Börsen der Patrizier, deren Wirtschaftsbeziehungen bis nach Flandern und England reichten. Der Wohlstand von Havelberg wiederum - idyllisch gelegen am Zusammenfluss von Elbe und Havel - beruhte auf dem Handel mit Getreide für Hamburg und dem Reichtum der Flüsse "Die Fischerinnung besaß so weitreichende Privilegien, dass sie Fische und Flusskrebse auf den Märkten zwischen Hamburg und Berlin allein anbieten durfte", meldet sich unser Hansekaufmann wieder einmal zu Wort.

Trotz verheerender Brände und mancher Kriegsschäden - die Spuren dieser goldenen Zeiten sind allgegenwärtig und streckenweise durchaus imposant. So darf im schmucken Stendal gestaunt werden über das Rathaus mit der ältesten profanen Schnitzwand nördlich der Alpen. Die Gerichtslaube mit Deutschlands drittgrößtem Roland. Die zwillingstürmige Marienkirche mit astronomischer Uhr, doppelflügeligem Hochaltar und zwei Großglocken des Holländers Gerhard van Wou, eines der Größten seiner Zunft. Das Uenglinger Tor von 1450 gilt nach dem Holstentor in Lübeck als schönstes Backsteintor im norddeutschen Raum, und es fällt gar nicht schwer sich vorzustellen, wie Kolonnen rumpelnder Fuhrwerke mit ihren Waren sich hier einst die Zufahrt zur prächtigen Stadt erkaufen mussten, durch Maut oder Zoll oder beides.

Auch in der Baumkuchenstadt Salzwedel zeugen Bauten vom einstigen bürgerlichen Selbstbewusstsein: die Kirchen St. Marien und St. Katharinen, das ehemalige Rathaus, die alte Münze. Hoch aufragende Backsteinspeicher säumen die Fleeten ähnlichen Wasserläufe, die Salzwedel den Beinamen "Klein Venedig" einbrachten. Und als wäre das alles noch nicht genug, besticht die Altstadt durch ihr weitgehend geschlossenes Fachwerkensemble. Ein attraktives Pfund, mit dem auch Tangermünde wuchern kann. Bis heute hat die Stadt ihr mittelalterlich anmutendes Bild bewahrt, der Kontrast aus großartiger Backstein- und schmucker Fachwerkarchitektur verleiht der Hanse- und Kaiserstadt einzigartigen Charme.

Nach zwei Stunden unterhaltsamem, unter Beteiligung weiterer historischer Figuren teils sogar szenisch gestaltetem Havelberg-Rundgang liefert uns Hansekaufmann Detlef Tusk schließlich Manfred Hippeli aus. Der Chef und Koch des Lokals "Zur güldenen Pfanne" hat eine kulinarische Köstlichkeit erfunden, die es in der vorkartoffeligen Hansezeit durchaus gegeben haben könnte. In einen Fladen füllt Hippeli gedünsteten Havelzander und knackiges Gemüse, bindet ihn zu und garniert das Ganze mit frischen Flusskrebsen - fertig ist der Hansesack. "In jeder unserer acht Hansestädte kommt etwas anderes rein", erklärt der pfiffige Gastronom, "in Stendal Wild, in Seehausen Kaninchen, in Gardelegen Truthahn, eine vegetarische Variante gibt es in Werben." Das Hansesäckchen wiederum wird mit süßen Leckereien gefüllt und zum Dessert gereicht - in einem Keramikschälchen, das wiederum akkurat aussieht wie ein aufgeschnittener Sack.