Die alte Stadt in der Rhön hat sich ihren Zauber vom frühen Mittelalter bis in die Gegenwart bewahrt. Viel Sehenswertes ist zu Fuß zu erreichen.

Fulda ist immer wieder für eine Schlagzeile gut. Bischof Johannes Dyba sorgte bis zu seinem Tode im Jahre 2000 mit seinen erzkonservativen Ansichten regelmäßig für Aufregung im deutschen Blätterwald. Die jüngste Meldung, einer Schlecker-Drogerie sei als Mieter der katholischen Kirche der Verkauf von Kondomen streng verboten, rief aber eher Heiterkeit hervor. Prüderie passt so gar nicht zum sinnlich barocken Flair dieser schönen Stadt und ihrer aufgeschlossenen Bürger.

"Dichterfürst Goethe hat uns mehrmals beehrt, obwohl ihm der überbordende Fuldaer Barock zuwider war. Seinen Frust hat er stets bis spät in die Nacht bei edlen Tropfen und gutem Essen in einer unserer zahlreichen Weinstuben kompensiert", erzählt Gästeführerin Christine Herchen. Heinrich von Kleist, ein nicht minder großer Geist, nannte den reizvoll im Tal der Fulda zwischen den Vorläufern der Rhön und des Vogelsberges gelegenen Bischofssitz hingegen "eine der angenehmsten Städte, die ich je gesehen habe."

Die Christianisierung Fuldas durch den angelsächsischen Missionar Bonifatius gipfelte 744 im Bau eines Benediktinerklosters, das wenige Jahre später zur Reichsabtei erhoben wurde. "Jedes Jahr im September versammeln sich die deutschen Bischöfe am Grab des Heiligen Bonifatius, der 754 bei Dokkum von den bösen Friesen ermordet wurde." Christine Herchen zwinkert dem Ehepaar aus Husum zu, als die Besucher vor dem in Bronze gegossenen Denkmal des Kirchenmannes stehen. "Von 822-842 waltete der ebenso verehrte wie gefürchtete Abt Hrabanus Maurus im Kloster Fulda seines Amtes. Unter dessen harter Hand hatten die Menschen nicht viel zu lachen." Im 18. Jahrhundert ging es lockerer zu. Eine rege Bautätigkeit bescherte der Stadt einen soliden Wohlstand. Das Stadtschloss wurde auf Geheiß der prunkliebenden Fürstäbte nach den Plänen des berühmten Johann Dientzenhofer errichtet. Heute Sitz der Stadtverwaltung, können die prächtigen Spiegelsäle sowie Fürsten- und Kaisersaal besichtigt werden. Auch das Standesamt waltet in einem der Repräsentationsräume. Am Wochenende kommen Paare von nah und fern, um hier den Bund fürs Leben zu schließen.

Fulda vermittelt dem Besucher den Charme und die Heiterkeit einer vergangenen, doch immer noch präsenten Epoche. Harmonie und Geschlossenheit der Barockarchitektur beeindrucken. Die herrliche Anlage des Schlossgartens, in dem der verspielte Barockstil mit klassischen Gartenthemen verschmilzt, wird auf einer Seite vom Stadtschloss und auf der anderen von der zauberhaften Orangerie eingerahmt. Eine breite, rechts und links von Blumenrabatten gesäumte Allee führt zur Freitreppe mit ihrem einzigartigen Dekor - der sieben Meter hohen Flora-Vase, einem Wahrzeichen der Stadt. Das Deckenfresko im Apollosaal, auf der mythologische Figuren prangen, ist ein Augenschmaus. Die Orangerie gehört heute zum "Maritim"-Hotel. Der moderne Zweckbau wird von Bäumen und Hecken kaschiert. "Unsere Stadtväter hätten nie einen sichtbaren Schandfleck neben diesem barocken Juwel geduldet", sagt ein Gärtner, der gerade den Rasen stutzt. Direkt neben der Orangerie erhebt sich das elegante Paulustor, das "Entree" zum Barockviertel. "Das Volk verstand nur Ente. Und dabei ist es bis heute geblieben", sagt Christine Herchen lachend.

In unmittelbarer Nähe befindet sich der Dom, dessen Museum einen umfassenden Eindruck der über 1250-jährigen Kloster- und Stadtgeschichte vermittelt. Adelspalais, Stadtpfarrkirche und das Vonderau-Museum im Gebäude des einstigen päpstlichen Seminars der Jesuiten runden das Bild ab. Trotz der Vielzahl historischer Bauwerke ist Fulda aber kein Museum, sondern eine äußerst vitale Stadt von hoher Lebensqualität mit schicken Geschäften und einer Vielzahl erstklassiger Hotels und Restaurants. Moderne Gebäude wurden äußerst geschickt in das historische Stadtbild integriert. Ein bisschen Mittelalter ist auch noch erhalten. Schmucke Fachwerkhäuser ducken sich neben barocken Bürgerpalais, beschauliche Gassen laden zum Bummeln, idyllische und reich mit Blumen geschmückte Innenhöfe zum Verweilen ein. Reste der Stadtmauer aus dem 12. Jahrhundert und Wehrtürme sind stumme Zeugen aus den Zeiten der Überfälle und Belagerungen durch feindliche Heere. Im düsteren Hexenturm aus dem 14. Jahrhundert wurden der Hexerei bezichtigte Frauen eingesperrt und hochnotpeinlichen Verhören unterzogen.

In einem der anheimelnden Cafes gleich nebenan redet sich ein Damenquartett bei Cappuccino und Apfeltorte die Köpfe heiß über einen besonders grausamen Fuldaer Inquisitor, der Hunderte von Frauen auf den Scheiterhaufen schickte. "Schluss damit", beendet schließlich eine die Debatte. "So etwas passt gar nicht zu dieser fröhlichen Stadt. So viel Charme auf einer so kleinen Fläche. Wo sonst findet man das?"

Roland Frormann, Geschäftsführer des Fremdenverbandes Rhön e.V., ist zufrieden: "Fulda erfreut sich wachsender Beliebtheit bei Touristen und Seminarteilnehmern", sagt er. Gerade ist ein neues Tagungshotel hinter dem Bahnhof eröffnet worden. Das "Esperanto", ein futuristisch anmutender, mit sämtlichen technischen Schikanen ausgestatteter Bau und einer gigantischen Bade- und Wellnessanlage, kommt besonders bei Geschäftsleuten gut an.

Bedeutende Sakralbauten verschiedener Epochen, unter anderem der Romanik und Gotik, ziehen die Besucher in ihren Bann. Die Michaelskirche aus karolingischer Zeit mit ihrer wuchtigen Rotunde und der "Armenbibel" - einem kantigen Sockel mit sehr einfachen, aber einprägsamen Darstellungen begeistert auch Kinder.

"Das ist ja ein Comic", krähte unlängst ein Achtjähriger, der sogar Sprechblasen in den Darstellungen entdeckt zu haben glaubte. Fulda hat Führungen entwickelt, die Kinder und Jugendliche auf spielerische Weise an Geschichte und Gegenwart der Stadt heranführen. Ein Highlight ist die "Kinderakademie", in der es sogar ein begehbares Herz zu erkunden gibt.

Sechs Kilometer südlich von Fulda liegt das von 1730 bis 1756 erbaute "Schloss Fasanerie". Die einstige Sommerresidenz der Kirchenfürsten ist ein Besuchermagnet. Dieses Glanzlicht barocker Baukunst birgt neben prächtigen Zimmerfluchten monumentale vergoldete Tafelaufsätze, in allen Regenbogenfarben glitzernde Lüster aus böhmischem Kristall und eine sehenswerte Porzellansammlung. Hier spiegelt sich die heitere und genussvolle Lebenshaltung der Kirchenfürsten wider. Sie hat schon früh auf die Bevölkerung abgefärbt und sich bis heute erhalten.

Der Weinbau spielte jahrhundertelang eine gewichtige Rolle in der Region rund um Fulda. Warum er aufgegeben wurde, weiß niemand genau. Wahrscheinlich richtete die Reblaus große Schäden an, weshalb sich der Anbau nicht mehr lohnte. Um die alte Tradition wieder zu beleben, legte der Weinhistorische Konvent Fulda am Südhang des Klosters Frauenberg einen Weingarten an. Dort finden Weinproben mit "Wäck, Woarscht und Wie" statt. Bei dieser Gelegenheit wird eine Reihe von Anekdoten zum Besten gegeben. Der galoppierende Reiter auf dem Weinglas erregt das Interesse eines Besuchers. Mit "Karl, dem Spätlesereiter", hat es eine besondere Bewandtnis, erklärt der Leiter des gemütlichen Weinseminars. Neben Hammelburg an der Saale gehörte auch Johannisberg im Rheingau einst zu Fulda. Der Fürstabt entsandte regelmäßig einen berittenen Boten, der die Erlaubnis zum Beginn der Weinlese zu überbringen hatte. Einmal verspätete sich der Reiter aus niemals geklärten Gründen um zwei Wochen. So mussten inzwischen überreife, bereits leicht angefaulte Trauben verwendet werden. Das Ergebnis war ein Wein von bislang nicht gekannter Fülle und Güte. Die von vielen Weintrinkern so hoch geschätzte Spätlese basiert also auf einem reinen Zufall. Und hier gilt einmal: "Wer zu spät kommt, den belohnt das Leben!"