Und während der Nachwuchs mutig am Horizont verschwindet, versuchen die Eltern sich auf der Sonnenterrasse zu entspannen.

Nach einer halben Stunde der erste Vokabeltest: "Die Pinne?", fragt Maik. Die Kinder zeigen auf das Ruder. "Der Baum?" Alle legen eine Hand an den Mast. "Das Heck?" Die Gruppe rennt ans hintere Ende und bei "Bug" nach vorne. "Zeigt mir mal das Schwert." Alle deuten auf die Haifischflosse, die im Rumpf steckt. "Und die Spriet?" Die Jungen und Mädchen recken sich, um die Stange zu berühren, die Mast und Segel verbindet.

Der Lehrer ist zufrieden, die Eltern sind überrascht: 30 Minuten nach Beginn des Opti-Kurses haben die kleinen Landratten, die bisher höchstens als Piraten verkleidet Faschingsfeiern enterten, schon den Wortschatz von Seglern drauf. Und es bleibt bei diesem Tempo. In der Praxis auf dem Wasser genauso wie bei den Theoriestunden an Land. Nach zwanzig Stunden Unterricht - vier pro Tag - werden sie die Prüfung für ihren ersten Segelschein ablegen und fortan Optimisten ausleihen und segeln dürfen.

Am brandenburgischen Scharmützelsee treffen sich zehn Kinder im Alter von acht bis zehn Jahren an der "Yacht Akademie Axel Schmidt". Der Namensgeber, Sportwissenschaftler und Regattasegler, ging vor zehn Jahren am Ufer dieses idyllischen Sees südlich von Berlin vor Anker. Vier Lehrer gehören zu seiner Crew, sein Erster Offizier ist Maik Meyer, ein 34 Jahre alter Seebär mit Berliner Schnauze.

Kaum hat Maik erklärt, was den Mast von der Spriet und die Schot vom Verklicker unterscheidet, lässt er die Boote zu Wasser. Während die besorgten Mütter sich und andere besorgte Mütter fragen, ob die lieben Kleinen auch warm genug angezogen sind, segeln diese auch schon aus dem schützenden Hafen raus und verschwinden am Horizont. Immer zwei in einem Opti und bemüht, dem Motorboot zu folgen, mit dem Maik den Kurs vorgibt.

Den Eltern bleibt nichts anderes übrig, als ihre Sorgen im schön gelegenen Hotelpool zu ertränken oder mit einem Cappuccino auf der seewärts gelegenen Sonnenterrasse herunterzuspülen. So manchem wird es noch einmal richtig mulmig, als die Kinder mittags begeistert berichten, dass sie schon fast den See überquert haben. Am ersten Tag!

"Learning by doing ist unser Konzept", sagt Maik. "Mit Kindern kann man gleich aufs Wasser, sie lernen spielerisch, ohne sich Gedanken zu machen." Weil es den Erziehungsberechtigten naturgemäß anders geht, sind sie während des Unterrichts nicht gerne gesehen auf dem Steg. "Es ist ganz wichtig, die Kinder sofort auf den Segellehrer zu fixieren", erklärt Maik. Dann würden sie ihm folgen wie die Graugänse einst Konrad Lorenz. Maik bittet nicht blumig, sondern macht klare Ansagen. "Disziplin ist beim Segeln oberstes Gebot. Die Kinder nehmen mir das nicht übel. Sie begreifen, dass es um ihre Sicherheit geht."

Gleich der erste Nachmittag gehört dem Kentertraining. Immer wieder kippt Maik einen Opti um, nacheinander klettern die drei Mädchen und sieben Jungen aufs Schwert, drehen das Boot um und schöpfen es leer.

"Mami, was machst du, wenn du kenterst? Bleibst du beim Boot oder schwimmst du weg?", fragt mich mein Sohn abends. "Nichts wie weg", antworte ich, die ich nur einmal im Leben mitgesegelt bin und bei einem Wendemanöver anfängermäßig den Baum an den Kopf bekam. "Falsch! Erste Lektion beim Kentern: Immer beim Boot bleiben." Mein Sohn ist wie die Bootsklasse, die er neuerdings segelt: ein Optimist. Folglich hält er es für unwahrscheinlich, dass er das Gelernte jemals in der Praxis brauchen wird.

Das sieht am nächsten Tag schon ganz anders aus. Wind der Stärke fünf bis sechs fegt über den See, und während mein Achtjähriger mit Luv und Lee kämpft, schnappe ich mir nach dem Saunagang sein Lehrbuch, um mich auf der bequemen Ruheliege wenigstens theoretisch mit seiner rauen Wirklichkeit zu befassen. Halbwindkurs und Raumwindkurs stehen auf dem Stundenplan. Für Ahnungslose wie mich: Segeln quer zum Wind und schräg vorn zum Wind.

Am dritten Tag ist Flaute, die Kinder pauken Theorie, fahren Tretboot und üben Knoten. Den Palstek müssen sie am Prüfungstag drauf haben. Auch der vierte Tag beginnt mit Warten auf Wind. Maik fährt mit seiner Gruppe zu dem Ponton mitten auf dem See, von dem aus man so schön ins Wasser hüpfen kann. Zum Glück frischt es mittags auf, denn bis zum Tag darauf müssen die Kinder wissen, wie man mit einem Boot vorwärts kommt, wenn einem der Wind direkt ins Gesicht bläst. Kreuzen heißt das auf Seglerdeutsch. Zur Belohnung wird abends auf dem Steg gegrillt.

Prüfungstag: Aus gegebenem Anlass sind auch wieder Eltern erlaubt - und deutlich aufgeregter als ihre Kinder. Die verschwinden zur theoretischen Prüfung im improvisierten Klassenzimmer im Zelt auf dem Steg. Hier hat Maik in den letzten Tagen unter anderem erläutert, woraus ein Rigg besteht, was eine Halse ist - und was im Unterschied dazu eine Wende.

Danach geht es aufs Wasser. Nur wer den Opti bei drei Windstärken durch Kreuzen sicher in den Hafen bringt, bekommt den Schein. Diesmal gibt es nur Sieger. Zur Feier des Tages dürfen alle, auch die stolzen Eltern, mit Maik eine Spritztour im Speedboot machen. Dann ist Wochenende am Scharmützelsee.

Das A-Rosa-Resort, vor dessen Tür See und Segelschule liegen, ist ein hübsches Plätzchen für Eltern-Kind-Kurzurlaube. In den Sommerferien bietet das Fünf-Sterne-Hotel fünftägige Sportcamps an - angeboten werden Segeln, Tennis, Reiten oder Golf. Ideal für Kinder, die dem Kinderklub entwachsen, für den Jugendklub aber noch nicht pubertär genug sind. Und für die Eltern erst! Man wünscht dem Nachwuchs "Mast und Schotbruch" und verbringt die freien Stunden beim Walken im Wald, auf einem der vier Golfplätze oder im exquisiten Spa.

Wenn da nicht der Fünfjährige wäre, dem man, da er noch zu jung fürs Segelcamp ist, spannende Tage in der Kinderbetreuung in Aussicht gestellt hatte. Leider entdeckt er gleich am ersten Morgen einen Gleichaltrigen unter den Segelschülern. Ich hatte wahrheitsgemäß berichtet, dass die Kurse erst ab acht sind, aber nicht mit der ehrgeizigen Mutter aus Berlin gerechnet, die für ihren Sohn eine Ausnahme erwirkte, weil er schon das Schwimmabzeichen in Bronze besaß.

Das Schwimmabzeichen ist die einzige Voraussetzung für die Teilnahme. Der Zweitgeborene, zu Recht stolz darauf, mit gerade mal fünf Jahren schon das Seepferdchen absolviert zu haben, erholt sich im Laufe des Vormittags von der Kränkung, und verbringt dann doch noch lustige Vormittage im "Rosinis Club". Allerdings erst, nachdem ich versprochen habe, ihm einen Segelkursus zu spendieren, sobald er den Freischwimmer hat.