Vom Gelege zum Gehege: Wer sich für die heimische Vogelwelt interessiert, sollte hier einmal vorbeischauen.

In der Vitrine räubert eine Elster das Nest einer Amsel aus. Das Gelege daneben wird Opfer einer Krähe. "Rabenkrähe beim Eierplündern", lautet die Erklärung dazu auf einem vergilbten Zettel. Im nächsten Schaukasten ist das Licht heller, die Eier sind unversehrt. Hier haben Singvögel ihr Zuhause.

Die Staatliche Vogelschutzwarte Seebach liegt direkt am thüringischen Nationalpark Hainich. Sie ist die älteste Vogelschutzwarte der Republik und Keimzelle der neun anderen Warten hierzulande. Jetzt feiert sie ihren 100. Geburtstag.

"Unsere historische Ausstellung zeigt, wie man die Vögel früher unterschieden hat", erklärt der Forstwissenschaftler Stefan Jaehne, der die Warte leitet. Als nützliche Helfer galten Vögel, die Insekten fressen und so Bäume und Getreide schützen. Schädlinge hingegen waren zum Beispiel Spatzen, denn sie stibitzen den Bauern die Saat. Diese Unterteilung geht auf Hans Freiherr von Berlepsch zurück, Gründer der Warte und Wegbereiter des Vogelschutzes in Deutschland.

"1905 und 1921 wurden die Laubholzbestände in einem großen Waldgebiet nahe der Warte zwischen Eisenach und Mühlhausen fast komplett kahlgefressen", erzählt Jaehne, "nur die Waldabschnitte, in denen man zuvor 2000 Nistkästen aufgehängt hatte, blieben verschont." Berlepsch wurde wegen dieser Nistkästen schon zu Lebzeiten berühmt. Nach dem Vorbild einer echten Spechthöhle ließ er sich seine Erfindung, die "Berlepsche Nisthöhle", patentieren. Besonders unter Bauern und Förstern entwickelte sich die Höhle zum Verkaufsschlager, Anfang des 20. Jahrhunderts gingen jährlich 50 000 Stück über den Ladentisch. Auch für die Freibrüter ließ sich Berlepsch etwas einfallen: Büsche, deren Äste zusammengebunden werden. Dort, wo sie sich kreuzen, nisten Vögel gerne.

Sowohl in der alten Wasserburg, in der die Vogelwarte untergebracht ist, als auch im angeschlossenen Park begegnet man den Spuren des Ornithologen auf Schritt und Tritt. Berlepsch hielt sich bei der Gestaltung der Gartenanlage streng an die Bedürfnisse der Vögel. Bis heute sind dort eine Vielzahl Beeren tragende Sträucher, Nistbüsche und Nisthöhlen zu sehen. Im Innern der Burg sind selbst Deckenleuchter und Türklopfer mit Sittichen verziert, ein Sittich ist der Wappenvogel der Familie Berlepsch.

Das Thema Vögel beherrscht auch die alten Eichenregale der Bibliothek im zweiten Stock. Viele Regalmeter Zeitschriften und Monografien spiegeln den Forschungsstand des 19. und 20. Jahrhunderts. Darunter finden sich Schriften, die das Herz des Vogelliebhabers höher schlagen lassen, etwa Naumanns 1844 erschienene "Naturgeschichte der Vögel Deutschlands".

Über die Arbeitsschwerpunkte gibt die Bibliothek ebenfalls Auskunft: Ab 1929 wurde untersucht, welche Vogelscheuchen Stare am zuverlässigsten von Obstgehölzen fernhalten. Auch Vogelfallen und Gifte wurden in Studien akribisch geprüft. Nach der Wende wurde aus der zu DDR-Zeit in "Institut für Pflanzenschutzforschung" umbenannten Einrichtung wieder die "Staatliche Vogelschutzwarte".

Aufgabe der Mitarbeiter heute ist es, Bauern, Forstleute und alle anderen Interessierten über Vögel zu informieren, so etwa darüber, ob Windkrafträder schaden. Jaehnes Meinung ist eindeutig: "Rund 100 Rotmilane hat es in den vergangenen drei Jahren bundesweit nachweislich erwischt." Greifvögel, die verendet sind, weil sie wegen der Windräder ihre Biotope nicht mehr zum Fressen oder Brüten aufsuchten, führt diese Statistik nicht auf.

Besucher werden durch die Burg und das umliegende Gelände geführt. Zu sehen bekommen sie dabei auch die Volieren im Burgpark. Darin warten Dutzende Eulen, Milane und Bussarde auf ihre Genesung, um dann wieder in die Freiheit entlassen zu werden. Die Pflege seltener, kranker Vögel ist die zweite wichtige Aufgabe der Warte. Auf diese Weise haben zwei Schwarzstörche am Karpfenteich des Parks eine neue Heimat gefunden.