Rucksackreisende galten früher oft als Aussteiger. Heute zählt eine Weltreise zur Qualifikation.

Der billige, orangefarbene Rucksack mit dem Alugestell ist wieder da. Er galt Anfang der 70er-Jahre als untrügliches Zeichen für den "alternativen Reisenden", den Rucksacktouristen, der mit kleinem Budget und großen Idealen etwa auf dem "Hippie Trail" von Europa über Land nach Indien tingelte. Zeit spielte keine Rolle, man reiste in den Tag hinein. "Driften" nannte 1972 der Anthropologe und Tourismuswissenschafter Eric Cohen dieses Phänomen.

Heute sind Südamerikas Flughäfen und die Überlandbusse Asiens wieder voller Rucksäcke. "Aber der überwiegende Teil der Rucksackreisen ist generalstabsmäßig durchgeplant", wie Jana Binder weiß. Die Münchner Kulturanthropologin hat sich zu Forschungszwecken sechs Monate an die Fersen von Rucksackreisenden geheftet. Die meisten von ihnen haben das "Round-The-World-Ticket" in der Tasche - inklusive fixer Reiseroute, Rückflugdatum und Jobangebot für danach. Vom Wegdriften aus der Gesellschaft könne keine Rede mehr sein: In Zeiten von Internet, Online-Tagebüchern und Handys werden Reiseerlebnisse täglich, ja stündlich mit den Daheimgebliebenen geteilt, online Kontostände und Jobforen gecheckt.

Wer mittags noch nicht weiß, wo er abends genau landen wird, wer mit der indischen Marktfrau in Zeichensprache verhandelt und jeden Tag aufs Neue mit wildfremden Menschen den Schlafraum teilt, für den dürfen Flexibilität, Selbstständigkeit und Einfallsreichtum keine Fremdworte sein. Auf der Weltreise werden interkulturelle Kompetenz, Mobilität, Organisations- und Teamfähigkeit trainiert, kurz: sogenannte Schlüsselqualifikationen, die spätere Arbeitgeber in Zeiten der Globalisierung sehr zu schätzen wissen. Deshalb müssen Rucksackreisen heute nicht mehr so wie früher im Lebenslauf verschwiegen werden. Ganz im Gegenteil, so Binder: "Bei diesen Reisen wird nicht nur Identitätsfindung betrieben, sie dienen als Einstieg in die globalisierte Gesellschaft."

Auch die Reiseindustrie hat sich längst arrangiert. Vor allem Australien und Neuseeland haben sich früh auf die Bedürfnisse von Low-Budget-Reisenden eingestellt: In "Down Under" fielen 2007 laut Tourism Australia elf Prozent der internationalen Besucher oder 566 000 Touristen unter die Kategorie "Backpacker", darunter mehr als 50 000 Deutsche. Im Schnitt verbrachte jeder Rucksackreisende über zwei Monate im Land und gab dabei umgerechnet fast 3200 Euro aus.

Den regen Backpacker-Zustrom verdanken die "Aussies" nicht nur Uluru und Great Barrier Reef, sondern auch einer optimalen Infrastruktur für Rucksackreisende: Neben jeder Menge günstiger Hostels gibt es eigene Working-Holiday-Visa und Agenturen, die Schnorchelausflüge, Segeltörns und Abenteuer-Touren speziell für Backpacker vermitteln. Busunternehmen bieten Tickets auf Hop-On-Hop-Off-Basis inklusive Sightseeing, Reiseleitung, Highlife und Party.

Stellt sich die Frage: Worin besteht da eigentlich noch der Unterschied zum Pauschal- und Massentourismus, wo sich die Rucksacktouristen doch als die individualistische, kultursensible Seite des Reisens verstehen?