Gäste würden eher mit der „Nautilus“ versinken, als ihr untreu zu werden.

Der Kaffee schwappt ganz leicht im Pott, das knusprige Brötchen kracht, der Matjes schmiert fett und würzig den Gaumen. Nichts geht über ein gediegenes Frühstück an der See, und am schönsten ist es an Bord der "Nautilus" im Fischereihafen von Travemünde. Durchs Fenster fällt der Blick aufs Wasser, wo die Möwen sich mit Kormoranen um Fischabfälle balgen. Die rote "Willi Butt" wiegt sich an den Leinen, und hinten, am Skandinavienkai, legen die großen Pötte an.

Am gemütlichsten ist es hier im Winter, vormittags unter der Woche. Nach und nach finden sich die Stammgäste in der niedrigen Gaststube auf dem Oberdeck ein, allesamt Rentner aus Travemünde. Sie bestellen einen Kaffee – oder ein erstes Bier – und so ganz nebenbei erfährt der Besucher von außerhalb, welche Fragen das Städtchen an der Ostsee derzeit bewegen: Warum die "Sandworld" auf dem Priwall im letzten Jahr am Schluss so floppte, und was für einen absurden Papierkrieg die neuesten Kopfblüten der EU-Bürokraten den Fischern aufhalsen. Zwischendurch stapfen Männer in Gummistiefeln und Wathosen herein, auf denen die Schuppen noch glitzern. Fischernetze, Rettungsringe und maritimes Getüddel schmückt das schwankende Lokal.

Drüben, in der HSV-Ecke, geht es um van der Vaart und Stevens. Auch der Chef besitzt eine Jahreskarte und mischt in der Expertenrunde mit. 1992 kaufte Harry Lüdtke die "Nautilus", holte das Ausflugsschiff der Weißen Flotte von Warne- nach Travemünde, ließ es aufmöbeln und stellte Ton- Möwen, Mini-Leuchttürme und kleine Robben in die Fenster. Am hinteren Ende des Fischereihafens fand er einen Liegeplatz für das, was er "die erste schwimmende Fischbratküche im Westen" nannte. Zu essen gab es Heringsbrötchen, Scholle, Fischfrikadellen und andere einfache Fischgerichte. Mittlerweile haben die Töchter den Betrieb übernommen, die Speisekarte aber nicht verändert. Und das ist gut so. Man muss lange suchen, bis man anderswo für acht Euro 50 ein ebenso saftiges Dorschfilet und einen ähnlich großen Berg knuspriger Bratkartoffeln so freundlich auf den Tisch gestellt bekommt wie hier.

Am anderen Ende der Hafenmauer, Richtung Travemünde, werden in weißen Zelten und schicken Stehbars Flusskrebse und Scampis zum Sekt serviert. Zeit für einen Seitensprung? Für wahre Liebhaber stellt sich die Frage nicht. Eher würden sie mit der "Nautilus" versinken als ihr untreu zu werden.