Der Wintersportort in Tirol ist autofrei, familienfreundlich, schneesicher - und deshalb auch ein beliebtes Reiseziel der Hamburger.

Der Saal ist zum Bersten voll. Auf der Bühne wiegen mannsgroße Murmeltiere ihre pelzigen Körper im Takt der Musik, vor der Bühne warten Kinder aufgeregt auf ihren Auftritt. "Gruppe Ines" wird aufgerufen. Sechs Kinder im Alter von vier Jahren folgen, ein wenig schüchtern, ihrer Skilehrerin. Eines nach dem anderen wird unter Nennung seiner Abfahrtszeit auf die Bühne gebeten. Blitzlichtgewitter. Applaus. Die Eltern zücken ihre Kameras. Der Erstplatzierte genießt den Jubel sichtlich, doch am Ende verlassen alle die Bühne als Sieger - mit einer Medaille um den Hals und einem Geschenk in der Hand.

"Gruppe Ines" tritt ab, "Gruppe Markus" ist dran, doch vorher grölt der ganze Saal den Refrain: "Super Murmli, hey, hey, hey. Super Murmli, hey, hey, hey." Dazu wedeln selbst ausgewiesene Animationsverächter wie der Manager aus Nienstedten, der Steuerberater aus Eppendorf oder die Journalistin aus Osdorf rhythmisch mit den Armen und deuten zart den einen oder anderen Hüftschwung an.

Jeden Freitag am frühen Abend spielen sich im Kulturhaus solche Szenen ab. Sie sind Teil des Events, mit dem die Skischule das Ende einer Unterrichtswoche feiert. Jeden Vormittag treten die Kinder bei Wettrennen gegeneinander an, was die Großen auch schon bejubeln und dokumentieren. Und abends ist Siegerehrung, wo Eltern einander im Wettbewerb um den besten Support überbieten - Murmli-Gemurmel inklusive. In diesem Ort ist vieles möglich, was anderswo undenkbar scheint. Hier werden sogar Menschen, die sonst jeder Form von Stimmungsmache, Gruppendynamik und Massenhysterie widerstehen, zum Schunkeln verführt. Und Großstädter, die nicht mal beim Brötchenholen auf ihr Auto verzichten, lassen es hier einfach stehen und nehmen die U-Bahn.

Im Winter ist Serfaus so gut wie autofrei. Nur zur An- und Abreise sind Pkw erlaubt, ansonsten ist das auf 1427 Metern über dem Inntal gelegene Dorf eine einzige Fußgängerzone. Die unterirdische Luftkissenbahn, vermutlich die einzige Dorf-U-Bahn der Welt, verbindet kostenlos den Parkplatz mit der Talstation und hält auch in der Dorfmitte. Nur ein Grund, warum der Skiort mehrfach für seine Familienfreundlichkeit ausgezeichnet wurde.

Serfaus' Maskottchen ist ein Murmeltier namens Murmli. Eigentlich ein Name, der Feinden der infantilen Verniedlichung nicht so leicht über die Lippen geht. Aber in Serfaus ist auch das möglich. Begeistert grüßen wir Murmli, der uns bei der Anreise am Ortseingang erwartet, später auf dem Berg lassen wir uns sogar mit ihm fotografieren. Am Murmli kommt niemand vorbei. Es gibt einen Erlebnis-Park, einen Kindergarten, eine Seilbahn, ein Restaurant und eine Skischule. Mitten im Dorf liegt der "Murmli-Park", eine 10 000 Quadratmeter große Spiellandschaft mit Karussell, Hüpfburg und Iglu. An der Talstation werden Babys und Kinder, die nicht Ski laufen mögen, in einem erstklassig ausgestatteten Kindergarten, der "Murmlikrippe", betreut. Und auf dem "Komperdell", der Bergstation auf 1980 Metern Höhe, liegt die Kinderschneealm. Dutzende von Skilehrern bringen selbst Windelträgern in alters- und leistungsgerechten Gruppen das Skilaufen bei - vier Stunden pro Tag. Mittags fährt eine bunt bemalte Schneeraupe die Schüler ins Kinderrestaurant, oder sie treffen sich mit den Eltern in einer der Hütten nebenan. Die Skischule ist so organisiert, dass Eltern, die selbst Unterricht nehmen, Zeit haben, ihre Kinder abzugeben und sie auch rechtzeitig wieder in Empfang nehmen können.

Dass die Kinderschneealm auf der Bergstation liegt, wo sich auch die Erwachsenen mit ihren Skilehrern treffen, gehört zu den großen Vorzügen. Niemand muss den Nachwuchs mit schlechtem Gewissen an einem Babyhügel im Dorf zurücklassen. Die ganze Familie fährt gemeinsam auf den "Komperdell". Von hier aus geht es nachmittags wieder talwärts - mit der Gondel oder auf Skiern. Die Talabfahrt ist eine blaue Piste und insofern familientauglich.

Meist steht vorher noch ein Besuch des "Murmli-Trails" an. Die interaktive Abenteuerfahrt durch den Wald begeistert kleine und große Kinder: In einem Baum hockt eine Eule und gibt Rätsel auf, in einer Höhle hausen Murmeltiere, ein Brunnen erzählt Geschichten, ein Wurzelmann lässt sich mit Schneebällen bewerfen und ein riesiger Bär lädt zum Klettern ein. Ganz nebenbei üben die Kinder Schneepflug, Schwung und Bremsen und lernen, die Skier an- und abzuschnallen.

Unsere Jungs kannten den "Murmli-Trail" schon am dritten Tag. Da waren sie noch blutige Anfänger, und wir glaubten sie auf der Kinderschneealm mit ihren spielerischen Abfahrten und den kindgerechten Förderbändern. Doch in der Skischule Ser-faus lernen die Kinder viel und schnell. Kaum können sie einigermaßen auf Skiern stehen, machen die Lehrer Ausflüge in die Umgebung. Schon im zweiten Jahr muss man damit rechnen, auf einer roten Piste vom gönnerhaft lächelnden Nachwuchs überholt zu werden.

Vom dritten Ausbildungsjahr an, so berichtet ein Physiker aus Eimsbüttel, ist man selbst auf schwarzen Pisten wie der Pezid- und der Oberen Scheidabfahrt nicht mehr vor ihnen sicher. Dass in Serfaus sozialisierte Nachwuchsläufer schon früh die Hindernisse, Pipes und Sprungschanzen des "Flight & Cross"- Parcours ohne Stürze überstehen, versteht sich.

Das Skigebiet ist nicht nur ideal für kleine und große Anfänger, sondern auch für erfahrene Skiläufer attraktiv und vielseitig, wie die Juristin aus Eppendorf bestätigt, die schon als Kind auf Skiern stand und seit Jahren mit der Familie hierherkommt. Der Großraum "Serfaus-Fiss-Ladis", ein Zusammenschluss der Nachbargemeinden, liegt auf einem sonnigen Hochplateau, umrahmt von der Samnaungruppe und den Ötztaler Alpen: 185 Kilometer Pisten, 135 davon über 2000 Höhenmetern, alle bestens präpariert, viele beschneit, werden von 53 modernen Seilbahnen und Liften erschlossen. Hinzu kommen Buckelpisten, Renn- und Carvingsstrecken, Snowboard-Parks, Rodelbahnen sowie 146 Kilometer gespurte Loipen.

Die Tage der letzten beiden Schlepplifte auf dem "Masner" sind gezählt, auch sie werden bald durch bequeme Lifte ersetzt. Serfaus investiert kontinuierlich in die Familienfreundlichkeit des Dorfes und die Attraktivität des Skigebiets. Wegen spektakulärer Veranstaltungen wie der "Adventure Night", wegen der Après-Ski- und Wellness-Angebote ist der Ort auch bei Singles, Paaren und Snowboardern beliebt.

Hamburger, die hier Urlaub machen, sind zwar rund 1000 Kilometer gereist, haben aber das Gefühl, nicht weit gekommen zu sein. Überall trifft man Bekannte: im Supermarkt, am Lift, auf der Hütte. Aus gut unterrichteten Kreisen wissen wir bereits, wer im März neu zur Fangemeinde dazustoßen wird: ein Arztehepaar aus Eimsbüttel mit seinen beiden Töchtern und eine Objektleiterin aus Groß Flottbek nebst Mann und zwei Kindern. Wir freuen uns schon auf die Siegerehrung im Kulturhaus. Egal, wie hartnäckig sie noch leugnen mögen, auch sie werden mit einstimmen in unseren Refrain: "Su-per Murmli, hey, hey, hey."