Wem 100 Mitreisende auf See genug sind und wer nicht knausern muss, darf hier die feine Alternative zu den Mega-Schiffen genießen.

Ich schlief in einem balinesischen Bett unter freiem Himmel. Ich aß eine Dose Kaviar ganz allein. Ich trug einen Schlafanzug, auf dem mein Vorname eingestickt war. Nun bin ich für die Kreuzfahrt verdorben. Schuld daran ist die "Seadream II".

Gerne murre ich, wenn dem Weißwein ein paar Kältegrade fehlen. Oder eine Erbse nicht al dente ist. Aber dieses Mal fällt mir das verdammt schwer. Doch der Reihe nach.

Ich sitze im Main Salon auf Deck 3, bereit fürs Briefing. Schon die Begrüßung ist anders. "Hello Seadreamers!" empfängt uns Richard, der Club- und Activities-Director. Wir sind gemeint, die Neuankömmlinge. Keine Pauschal-Passagiere, "Seadreamers" eben. Eine Woche wollen wir vor der Küste Italiens kreuzen. Und hier in Civitavecchia, 70 Kilometer westlich von Rom, soll die Reise beginnen. "It's yachting, not cruising", titelt die Bordbroschüre. Soll heißen: Die "Seadream II" ist eine Luxusyacht, kein Kreuzfahrtschiff.

Zwischen Back- und Steuerbord passen gerade mal 100 Hochseereisende, von denen ich vermutlich einer der wenigen Nicht-Millionäre bin. Erlesene Gäste auf einem erlesenen Schiff. Zum Beispiel die Lady aus Australien, die 13 ihrer besten Freunde den Trip spendiert hat. Oder der zweitreichste Mexikaner mit seinem achtköpfigen Familien-Clan. Die 7000 Euro pro Person sind auch für ihn kein Klimmzug. Andere Passagiere, pardon "Seadreamers", kommen aus Norwegen, Kanada, Belgien und den USA. Ich bin der einzige Deutsche, was durchaus Vorteile hat: Herr und Frau Neureich sind nicht da, es klimpert keiner mit Klunkern. Der Dresscode an Bord ist "Yacht Casual", also: Krawatten müssen leider draußen bleiben. Hier gilt: Luxus, aber locker und leger.

Unter blaubeerblauem Himmel und dem Ploppen der Champagner-Korken verlässt die "Seadream II" gegen Abend den Hafen von Civitavecchia. Wir nehmen Kurs auf Korsika. Bis dort sind es 133 nautische Meilen, verrät über Lautsprecher Kapitän Terrje Willassen, ein Norweger. Zeit für erste Entdeckungen. Ganz oben auf Deck 6 thront die "Top of the Yacht Bar". Hier nehmen die "Seadreamers" ihren Sundowner. Nein, nicht nur einen. Denn exklusiv heißt auf diesem Schiff inklusiv. Und so kostet jeder die fürstliche Flatrate bis zum letzten Tropfen Tequila aus. Barkeeper Andy mixt sich mit "White Russian", "Sex on the Beach" und "Bloody Mary" so manchen Muskelkater. Mir mischt er eine kreative Kombination aus frisch gepresster Ananas und Veuve Clicquot. Die dritte Schale zaubert ein Lächeln in mein Gesicht.

Also vorsichtig die Treppe hinunter zum halboffenen "Topside Restaurant". Die surrenden Ventilatoren an der Decke verraten: Die "Seadream II" ist ein Schönwetter-Schiff, sie fährt nur dort, wo es warm ist: im Winter in der Karibik und im Sommer im Mittelmeer. Und dieses zeigt sich sehr gnädig. Gut so, denn die 104 Meter Länge wippen auf den Wellen schneller als die 340 Meter der "Queen Mary 2". Dafür wird die niemals eine der spektakulärsten Einfahrten erleben: Bonifacio auf Korsika.

Die Sonne blinzelt gerade über dem Horizont, als wir am nächsten Morgen die felsige Südküste der Insel erreichen. Wo bitteschön ist hier ein Hafen? Und dann entdecken wir sie, die Lücke zwischen den Klippen, die Einfahrt in einen fast unwirklichen Fjord. Vorbei an Höhlen, Grotten und kleinen Buchten manövriert Kapitän Terrje das Schiff rückwärts. So mancher griechische Fährenkapitän hätte hier sein Arbeitsgerät auf einen Felsen gesetzt. Nicht der Norweger. Wie Schwalbennester kleben die Häuser von Bonifacio hoch oben an der Felswand. Zwei Stunden später schlendern 100 "Seadreamer" dort durch die Gässchen, abgeholt von einer Bimmelbahn. Sie ist eine der wenigen Peinlichkeiten in dieser Woche.

"How was your day, Mister Bahn?" empfängt mich Albert mit dem freundlichsten Lächeln seit der Erfindung der Kreuzfahrt. Der Steward weiß nicht nur meinen Namen. Jedes Crew-Mitglied scheint jeden Gast persönlich zu kennen. Gemeinsam erreichen wir am nächsten Tag die kleine italienische Insel Ponza, deren Existenz selbst mein 1000 Seiten dicker "Lonely Planet"-Reiseführer ignoriert. Mindestens eine Zeile ist Ponza wert: Die Insel ist sehr ursprünglich. Was die Fischer von Ponza niemals erleben werden, geschieht am nächsten Tag auf dem Sonnendeck der "Seadream II". Gary und Andy, die beiden Bartender, gehen von Liege zu Liege. In den Händen eine Sidolin-ähnliche Flüssigkeit und ein Tuch. Und dann putzen sie tatsächlich die Sonnenbrillen der "Seadreamer"! Tendenz Dekadenz.

Heute Morgen hat Captain Terrje hier vor der Küste den Anker geworfen. Dann ließ er die Heckklappe herunter, und die fungiert nun als Marina: Zodiac, Kajak, Segelboot, Bananaboat, Jetski - wir "Seadreamer" haben die freie Wassersport-Wahl.

Wer nicht auf der Banane reiten will, für den steht die Land-Alternative bereit: zehn Mountainbikes. Doch die Räder stehen still - die Amalfi-Küste ist schon für Autofahrer eine Bergprüfung. Also per Tenderboot zum individuellen Landausflug. Das dauert. Zumindest auf den großen Schiffen. Beim Nonstop-Shuttle auf der "Seadream II" gibt es kaum Wartezeiten. Bei der Rückkehr an Bord wieder das tägliche Ritual: Einer aus der Crew wartet mit der Spritzflasche. Wir strecken brav die Hände aus, ein Klecks Desinfektions-Gel, alles verreiben, fertig. Wir lagen vor Madagaskar und hatten die Pest an Bord - das soll hier nicht passieren. Unterdessen wird im Main Salon der nächste Kaviar aufgeschraubt. Ja, Luxus lässt sich löffeln. Dabei erfahre ich: Club- und Activities-Director Richard ist von Beginn an dabei, also seit 2001, dem Gründungsjahr des Seadream Yacht Club. Die amerikanischen Gäste mögen Richard vor allem wegen der ersten Silbe seines Vornamens. Wir werden Freunde, als er mir gesteht, dass er schon 20 Status-Quo-Konzerte besucht hat.

Am nächsten Abend kommt mein neuer Schlafanzug (anfangs erwähnt) erstmals zum Einsatz: Ich habe ein balinesisches Bett gebucht. Neun davon gibt es oben auf dem Sonnendeck. Tagsüber sind es Liegen, ab 22 Uhr werden sie frisch bezogen für das "Dreaming under the stars". Mein Bett Nr. 2 ist das beste. Weit genug weg vom qualmenden Schornstein und nicht zu dicht an der Bar, wo die Mexikaner auch diese Nacht wieder Mau Mau spielen. Um 2 Uhr schlafe ich unter dem Sternenhimmel und vor der funkelnden Silhouette von Positano ein.

Die nächste Nacht das Kontrastprogramm. Wir ankern vor Sorrento mit Blick auf den Vesuv. Den Cocktail in der Hand, starren alle "Seadreamer" in eine Richtung: Auf der großen Leinwand beim Pool flimmern "Die letzten Tage von Pompeji", wie passend. Schließlich sind am Tag die meisten Passagiere zur Ruinenstadt am Fuße des Vulkans gepilgert. Für stolze 109 Dollar. Ich war beim "Chef's Walk", habe den Kapitän und Richard durch Sorrento begleitet und mich durch die Altstadt genascht.

Und nun bleibt nur noch: Capri, unser letztes Ziel. Richard gibt mir den entscheidenden Tipp: Mit dem Sessellift hinauf zum Monte Solaro, dem höchsten Punkt der Insel. Als ich oben ankomme, verschlägt es mir die Sprache. Was für ein Blick! Neapel, der Vesuv, die Amalfiküste. Und irgendwo da unten ankert die "Seadream II", das Schiff, das jeden Wunsch erfüllt. Einer wäre da noch: Ich hätte hier oben gerne mein balinesisches Bett. Und eine Dose Kaviar. Danke.