In Syrien glänzt Aleppo mit dem größten Basar der Welt und einer einzigartigen, zunehmend restaurierten Altstadt.

Aleppo. Wer in Aleppo beizeiten aus den Federn will, der braucht keinen Wecker. Schon in aller Frühe weckt ihn der "Chor" der Muezzins. Von den Minaretten, vor allem der Altstadt, wird laut zum Morgengebet gerufen. Es heißt, dass Aleppos Muezzins ihre Gläubigen besonders melodiös aus dem Schlaf reißen. Wer je morgens in Syriens zweitgrößter Stadt aufwachte, kann das bestätigen. Aleppos Altstadt ist etwas Einzigartiges im Nahen Osten: Weltkulturerbe der Unesco und so geschlossen erhalten wie kaum eine andere. Aber das 300 Kilometer lange Gassengewirr wurde lange vernachlässigt. Wasserleitungen verrotteten, Fundamente wurden unterspült, Häuser bekamen Risse. Wer es sich leisten konnte, zog weg. Von 1970 bis 1994 verließ ein Drittel der Einwohner die Altstadt. 110 000 Menschen leben jetzt noch dort. Die negative Entwicklung wurde in den letzten Jahren gestoppt durch das wohl ehrgeizigste Stadtsanierungsprojekt in der arabischen Welt. Aleppos Altstadt soll mit Hilfe der deutschen Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) wieder zu einem orientalischen Kleinod werden. Das Geld dafür kommt auch von arabischen Fonds und Helfern wie dem deutschen Verein der Freunde Aleppos. Reiseveranstalter Studiosus sorgt z. B. dafür, dass bald im renovierten Shibani-Konvent - in vorislamischer Zeit Kirche, später Koranschule, dann Franziskanerkloster und Tabaklager - die in deutschen Städten gezeigte Ausstellung "5000 Jahre Stadtentwicklung Aleppo-Damaskus" dauerhaft untergebracht wird. "Hier sieht man endlich mal was!", freut sich GTZ-Vertreter Meinolf Spiekermann. Nicht einzelne Vorzeigefassaden werden herausgeputzt, sondern ganze Straßenzüge und Plätze, selbst engste Gassen gründlich restauriert. Die Altstadt soll dadurch als Wohngebiet erhalten bleiben. "Die Leute müssen in ihren Häusern bleiben, das ist das Wichtigste", meint Bürgermeister Bassam Beiruti, ein Architekt. An die 4000 Privathäuser sind zu sanieren, 240 historische Monumente wie zum Beispiel eine Maroniten-Kirche stehen auf der Liste der Planer. Erstmals gab es sogar eine Bürgerbeteiligung. Das war zunächst problematisch, denn die Leute waren es nicht gewohnt, nach ihrer Meinung gefragt zu werden. Aber jetzt weicht die Zurückhaltung, denn alle sehen, dass ihre Altstadt wieder lebenswert wird. Das ist ganz wichtig auch für das "Herz" Aleppos, den größten Basar der Welt, der bei weiterem Ausbluten der Altstadt seinen traditionellen Charakter verlieren würde. Ein Irrgarten von zwölf Kilometern Jahrhunderte alter, mit Steingewölben überdachter Suks, das findet man so unverfälscht nirgendwo mehr. Gut erhalten sind auch noch einige der einst 22 Khane. Das sind die alten Karawansereien mit Ställen, Warenlagern, Kontoren und Schlafräumen. Venezianer, später auch Engländer, Franzosen und Niederländer hatten sich schon früh Niederlassungen in Aleppo gesichert und besaßen eigene Khane. Musterbeispiel ist der gut erhaltene Khan al-Wazir, ältester der Khan al-Gumruk von 1574. Diese Bauwerke erinnern an Aleppos Glanzzeit als Anlaufpunkt der Kamelkarawanen zwischen Mittelmeer und Mesopotamien, als Drehscheibe des Handels zwischen Europa und Asien. Vor allem unter den Osmanen, die seit 1516 über Syrien herrschten, war Aleppo wichtigster Handelsplatz der Levante. Es ist wunderbar, sich in diesem Gewirr zu verlieren, in dem sich immer wieder Eseltreiber den Weg freischreien. Berufsgruppen wie Goldschmiede, Schuhmacher, Stoff- und Wollhändler, Kupferschmiede haben teilweise noch ihren eigenen Bereich. Und alle Wohlgerüche Arabiens erwarten den Basarbummler bei den Parfüm- und Gewürzhändlern oder den Seifenverkäufern. Aleppos Olivenseife ist eine Berühmtheit. Ganz in der Nähe wird sie noch in einem einstigen Khan hergestellt. Viele Sehenswürdigkeiten wie die Omayadenmoschee mit dem Minarett aus der Mameluckenzeit liegen unmittelbar neben dem Basar. Orientierungsachse ist immer wieder der Suk az-Zarb, auch Suk al-Madina genannt, der schnurgerade vom Stadttor Bab Antakiye auf die Zitadelle zuläuft. Die Zitadelle auf dem die Altstadt überragenden Burghügel, erbaut vom Saladin-Sohn Ghazi und nur von den Mongolen erobert, ist die imposanteste Festungsanlage der arabischen Welt. Es lohnt sich hinaufzusteigen, nicht nur wegen des restaurierten mameluckischen Thronsaales, der Ruinen von Palast und Abraham-Moschee: Der Panoramablick über "die Graue", wie die Stadt wegen der Häuser aus blassem Kalkstein genannt wird, ist grandios. Aleppo ist eine der ältesten Städte der Welt, war schon 1800 v. Chr., also rund 1000 Jahre vor der Gründung Roms, Residenzstadt des Königreiches Jamschad. Weit geht der Blick über die Altstadt, das Christenviertel Dschdeide mit den stolzen Bürgerhausern. Und man sieht, wie diese Stadt in den letzten Jahrzehnten ins Kraut geschossen ist - von 250 000 Einwohnern im Jahre 1970 auf 2,5 Millionen. Ein Fixpunkt ist das gute alte Hotel Baron in der Nähe des Nationalmuseums, Anfang des 20. Jahrhunderts außerhalb der Stadt gebaut, jetzt mittendrin liegend. Viele Berühmtheiten stiegen dort ab: Atatürk, Roosevelt, Lawrence von Arabien. Agatha Christie schrieb im "Baron" an ihren Büchern. Heute ist der Glanz arg verblasst, aber immer noch trinken Nostalgiker gern ein Gläschen in der Bar. Schöner freilich erholt man sich vom Basarbummel im Cafe zwischen Zitadelle und Kunsthandwerker-Khan asch-Schouna. Dort schaut man fasziniert auf die Passanten - verschleierte Frauen neben jungen Mädchen im Mini. Das ist ganz normal in Aleppo. Und wenn man sich im Angesicht der Zitadelle - vielleicht bei einer Wasserpfeife - nicht genug erholt, bleibt ganz in der Nähe noch der Hammam al-Labadiye, ein restauriertes Badehaus, in dem man sich kräftig durchwalken lassen kann. Wellness auf Orientalisch. An die 4000 Privathäuser sind in Aleppo noch zu sanieren, dazu mindestens 240 historische Monumente. Das alte Hotel "Baron" mitten in der Stadt hat Berühmtheiten wie Roosevelt, Atatürk und Agatha Christie gesehen.