Furchterregende Dämonen ziehen durch die Straßen - und teilen manch kräftigen Hieb aus.

Es muss nicht unbedingt Rio oder Trinidad sein. Wenn von feurigem Karneval in Südamerika und in der Karibik die Rede ist, kann die Dominikanische Republik durchaus mithalten. Wer dort allerdings Glitzerparaden mit rassigen Samba-Tänzerinnen erwartet, den holt auf der Karibik-Insel Hispaniola garantiert der Teufel. Teufel nämlich sind die starken Typen des Karnevals. Ihre Hochburg ist La Vega, die drittgrößte Stadt der "DomRep". Es sind furchterregende gehörnte Kerle mit grimmigen Fratzen, Wulstlippen und Hauern im Gebiss, um die sie der König der Löwen beneiden würde. Zur Teufelsmaske gehört ein knallbunter Fledermaus-Umhang. Das sieht aus, als habe sich "Superman" als Faschingsprinz verkleidet. "Diabolos cojuelos", die hinkenden Teufel, werden die schrillen Gestalten des Karnevals von La Vega genannt. Der ranghöchste Dämon soll sie aus Wut über ihre schlechten Manieren einst grob auf die Erde geworfen haben. Seitdem hinken sie. Oder deuten es wenigstens durch leichte Hüpfer an. Denn körperlich ist es eine enorme Leistung, unter karibischer Sonne mit einem zehn Kilo schweren Kostüm stundenlang auf den Beinen zu sein. So eine Teufelsmontur mit Pappmaschee-Maske kostet bis zu 1000 Euro. Für die meisten Teilnehmer wären das diverse Monatsgehälter. Deshalb werden die etwa 80 Gruppen überwiegend von Sponsoren unterstützt, was bereits die nationale Karnevalskommission zu einer Warnung vor zu starker Kommerzialisierung veranlasste. Nicht nur deutsche Karnevalisten regeln den Spaß gründlich. So schlugen in La Vega die Maskierten früher zum Beispiel mit aufgeblasenen Schweinsblasen auf die Zuschauer ein. Wer nicht gesündigt habe, so die Erklärung dieses derben Brauches, der verspüre auch keinen Schmerz. Wegen der Hygiene wurden die Schweinsblasen dann durch Gummiballons ersetzt - und die werden vorher auf den Luftdruck kontrolliert. Nur mit Prüfstempel darf mit den "Vajigas" geprügelt werden. Das ist verständlich, denn wenn die Gruppen ganz nah vor der Tribüne für den Bürgermeister und die Ehrengäste über die Rampe laufen, ist natürlich so manch kräf-tiger, hinter der Maske völlig anonymer Hieb fällig. Dazu dröhnt umwerfend grell aus monströsen Lautsprechertürmen die Nationalmusik Merengue und die jüngere, so wunderbar schwermütig-schöne Bachata, der karibische Blues. Luis Segura, der "Vater der Bachata", hat die einstige Arme-Leute-Musik salonfähig gemacht, Lieder voller Liebesleid und Herzschmerz - aber immer ausgesprochen rhythmisch zum Mittanzen.

Die Stadt La Vega liegt im bergigen Hinterland der Dominikanischen Republik, etwa 120 Straßenkilometer von der Hauptstadt Santo Domingo entfernt. Sie ist eine der ältesten Städte der Neuen Welt. Touristen-Ausflugsziel sind vor allem die Ruinen von La Vega Vieja. Die dortige Festung wurde von Kolumbus 1494 auf seiner ersten Inlandsexpedition gegründet. 100 Jahre Tradition soll der Karneval in La Vega haben. Anderen Quellen zufolge gab es schon im 16. Jahrhundert auf der Insel erste Vorläufer des närrischen Treibens. Der Ursprung lag, religiös geprägt, in der vorösterlichen Zeit. So wird noch heute in Cabral vor Karfreitag der karnevalistische Kampf zwischen Gut und Böse ausgetragen. In die Karibik verschleppte Sklaven sorgten dafür, dass sich afrikanische Elemente mit spanischen Traditionen vermischten, was vor allem an den Tier- und Teufelsmasken zu erkennen ist.

Heute wird in den einzelnen Regionen der Dominikanischen Republik Karneval auf die unterschiedlichste Art gefeiert. In Monte Cristi gehen Toros und Civiles, Stiere und Bürger, mit Peitschen aufeinander los. In San Francisco de Macoris laufen Menschen als Ferkel mit Entenschnäbeln, andere mit dornenumrankten Hörnern herum. Es gibt die "Papeluses", Trachten aus Bananenblättern, und in Santiago gehen zwei Gruppen symbolisch mit luftgefüllten Rinderblasen aufeinander los, sie stellen den Kampf zweier Ortsteile, die früher um die Rechte am Wasser des Flusses Yaque stritten, dar. Einen nationalen Querschnitt kann man in der Hauptstadt Santo Domingo erleben - beim großen Umzug von etwa 150 Gruppen mit Masken aus allen Karnevalshochburgen des Landes.

Für Touristen ist schwer überschaubar, wann in welchem Städtchen etwas los ist. Höhepunkt der dominikanischen Karnevalsfreuden, so steht es in Reiseführern, sei der 27. Februar, der Unabhängigkeitstag der Dominikanischen Republik. Bessere Orientierung bietet Petra Cruz, Direktorin des Fremdenverkehrsamtes der Dominikanischen Republik: "Unser Karneval findet in La Vega jeden Sonntag im Februar statt, und in Santo Domingo ist der große Karnevalsumzug am ersten Sonntag im März." Einzelnarren dürfen sich übrigens auch in die Parade mischen. Da steht zum Beispiel in La Vega plötzlich einer mittendrin, der aussieht wie der leibhaftige Fidel Castro. Was hat der Mann denn bloß unter den Teufeln verloren?