Wie ein Nomade durchwandert der Hamburger Achill Moser die Wüsten dieser Welt - 25 hat er schon zu Fuß oder mit dem Kamel bereist, auf uralten Entdecker-routen und legendären Karawanenwegen. Am nächsten Dienstag berichtet er live in der Laeiszhalle.

Auf einmal ist der Horizont wie ausradiert, verschluckt von einer gelben Wand aus Sand. Die Luft ist so mit Staub angefüllt, dass ich kaum atmen kann. Mit unglaublicher Geschwindigkeit rollt eine riesige Sandwalze heran. Es ist, als würden Amsil, mein marokkanischer Begleiter, und ich in einem aufgewühlten Ozean versinken. Dicht gedrängt hocken wir die ganze Nacht hinter unseren niedergeknieten Kamelen, schützen Mund und Nase mit feuchten Tüchern. Erst als der Sturm gegen Morgen weiterzieht, graben wir uns wie in Trance aus dem Flugsand. Unter einem tiefblauen Himmel herrscht absolute Stille. Überwältigende Sandwogen, soweit das Auge reicht.

Die Sahara. Ein grandioser Naturgroßraum, den die arabischen Karawanenführer "Bahr bela ma" nennen, "Meer ohne Wasser".

Gerade aus der größten Wüste der Erde zurückgekehrt, wirken die Bilder im Kopf, die ich mitgebracht habe, noch immer übermächtig. Zu aufwühlend und fantastisch war mein 1500-Kilometer-Marsch von Agadir (Marokko) nach Algier (Algerien). 50 Tage zu Fuß und mit Kamelen durch die Sahara, auf den Spuren des deutschen Afrikaforschers Gerhard Rohlfs. 50 Tage Einsamkeit, in denen die Weite uns so stark schrumpfen ließ, dass Amsil und ich uns wie Ameisen fühlten, die über ein ewiges Nichts krochen. 50 Tage der Allgewalt der Wüste unterworfen, mit all ihren Gefahren.

Trotz dieser Gefahr lässt mich die Wüste nicht los. Nach mehr als 30 ausgedehnten Trips habe ich noch immer nicht genug von der grandiosen Ödnis. 25 Wüsten der Welt habe ich mittlerweile bereist, versunkene Städte, rätselhafte Klöster und sagenumwobene Bilderhöhlen besucht. Immer war ich mit Kamelen oder zu Fuß unterwegs - in einem Tempo, in dem die Seele Schritt hält.

Ein Drittel des Planeten ist Einöde

Je tiefer ich in die endlosen Weiten aus Sand und Stein vordrang, desto geheimnisvoller wurde die Wüste, in der neben eisiger Kälte unerbittliche Sonne herrscht. Ein Drittel unseres Planeten ist von der Einöde geprägt, die oft als Inbegriff für Lebensfeindlichkeit und Leere gilt.

Ein trügerisches Bild wie eine Fata Morgana. Denn selbst im Inneren wüster Weiten leben unterschiedlichste Völker, die dem extremen Klima trotzen. Zudem findet man beißende und stechende Insekten, Spinnen und Reptilien, die sich krabbelnd Menschen nähern; Dutzende Arten von Vipern, von denen sich eine in meinem Rucksack verbarg, als ich in Kenias Kaisut-Wüste unterwegs war; und auch schwarze Mörderwanzen, die sich von Säugerblut ernähren. Nicht zu vergessen die Skorpione, die nachts gern in die Stiefel kriechen.

Ebenso abweisend ist die Wüstenflora aus knorrigen und borstigen Pflanzen. Es gibt unzählige Arten von Dornen - kleine spitze Stacheln, die sich in der Kleidung festsetzen, und riesige Monster, die sich wie Nägel in die Stiefel bohren.

Von allen Wüsten faszinierten mich vier besonders: allen voran die Wüste Gobi, die von den Chinesen "Hanhai" genannt wird ("trockenes Meer"). Dort liegen, weit im Westen des chinesischen Reiches, die "1000 Felshöhlen von Dunhuang". Schon zur Blütezeit der Seidenstraße diente diese fünfstöckige Klosteranlage, die von Mönchen in eine 1600 Meter lange Steilwand gemeißelt wurde, als buddhistisches Heiligtum mit mehr als 45000 Quadratmeter Wandmalerei. Mein Weg dorthin führte mich im Gobi-Express von Peking quer durch China. Die Fahrt über 3700 Kilometer dauert drei Tage und drei Nächte, ehe ich auf einem uralten Pilgerpfad 700 Kilometer durch die Wüste Gobi wanderte - mutterseelenallein über weite Kiesebenen und windmodellierte Sandareale. Einheimische Uiguren nennen diese Region die "Windkammer Asiens".

Mystisches und Historisches auch in der KaisutWüste in Kenia, die ich von Nairobi aus mit Samburu-Kriegern durchquerte; hochgewachsene Männer mit leuchtendroten Tüchern, lehmfarbenen Zopffrisuren und langen Speeren, die ihre Vornamen vor Fremden schützen, damit ihre Seele nicht gestohlen wird. Wochenlang zogen wir durch eine rötlich-braune Weite, in der Archäologen Zeugnisse dafür fanden, dass hier die "Wiege der Menschheit" stand. Es ist die Heimat von Rendille, Turkana, Gabbra und Merille - exotische Stämme, die sich ihre traditionelle Lebensform weitgehend bewahrt haben.

Ein völlig anderes Wüstenbild bot sich mir auf Island. Dort erstreckt sich eine baumlose, von Vulkankratern übersäte Mondlandschaft, die den Namen "Odadahraun" trägt - "Wüste der Missetäter".

Früher verkrochen sich in dieser größten Lavawüste der Erde (4550 Quadratkilometer) die Geächteten, die von der isländischen Rechtsprechung als "vogelfrei" erklärt wurden. In Höhlen und Lavagrotten vegetierten sie dahin, bis Hunger und Naturgewalten ihrem Leben ein Ende setzten. Mehr als 200 Kilometer zog ich per Rucksack in dieser gespenstischen Urlandschaft über erstarrte Lavaströme und windgeschliffene Geröllhalden. Die Nasa wählte dieses Gebiet als Übungsgelände für die ersten Apollo-Astronauten aus. Denn keine andere Landschaft der Erde ist der Mondoberfläche so ähnlich.

Reise in die eigene Seele

Und schließlich die Wüste Sinai in Ägypten. Das "heilige Land", am Schnittpunkt zwischen Asien und Afrika. Hier ziehe ich auf Moses' Spuren mit Beduinen durch fantastische Szenerien, die an den Erdtrabanten erinnern. Schon die frühen Chaldäer gaben dieser Wüste den Namen "Sin", was "Mond" bedeutet.

Höhepunkt meines 400 Kilometer langen Sinai-Trips war ein 200 Meter langer Sandsteinsaurier, der in Jahrmillionen durch die Erosion entstanden ist. Er dient den Beduinen als Wegmarke und heilige Kultstätte.

Und dann die Besteigung des 2285 Meter hohen "Mosesberges". Drei Stunden bis zum Gipfel, um den Sonnenaufgang dort zu erleben, wo Moses von Gott die Gesetzestafeln mit den Zehn Geboten empfangen haben soll. Hier oben fragte ich mich: Worin liegt eigentlich die Verlockung der Wüste? Ist es die meditative Weite, die archaische Schönheit, das nächtlich-funkelnde Sternenzelt? Oder ist es das Abenteuer, die Spannung des Ungewissen, gar die hoffnungsvolle Nähe Gottes? Mehr noch: Jede Reise in die Wüste führt auch in die eigene Seelenlandschaft. Denn die Wüste zeigt in uns selbst, was sie ist: Traum und Albtraum zugleich.

\* Live-Show in Hamburg

Am Dienstag, 19. Dezember, um 20 Uhr zeigt Achill Moser in der Laeszhalle seine neue Dia-Show "Durch die Wüsten der Welt". Der Schauspieler Joshy Peters liest dazu Texte bekannter Wüstenreisender. Karten (10 Euro) im Vorverkauf und unter 0381/2038714.