Gambia: Buntes Sonnenziel am Atlantik. Im kleinsten Staat Afrikas trifft man trotz großer Armut auf gastfreundliche Einwohner.

Was darf es denn sein am Koto Beach von Gambia? Frisch gepreßter Saft aus Ananas, Mango und Orange oder lieber ein Vitaminsalat mit schmackhafter Banane drin? Der Strand ist ein wahres Früchteparadies. "Welcome", ruft der "Tropical Juice Man" aus seiner winzigen, himmelblau gestrichenen Bude, und auch Fatima, Maria, Amie und Binta werben hinter ihrem schief gezimmerten Stand mit einem freundlichen Willkommensgruß. Für die Händler sind die Touristen ein großes Glück. "Wie", fragt Joe, der bunte Ketten am Strand anbietet, "soll ich sonst meine Familie ernähren?"

Die Probleme des westafrikanischen Entwicklungslandes kann man kurz zusammenfassen: zu viele Kinder, zu wenig bezahlte Arbeit. Gambia, halb so groß wie Hessen, erstreckt sich in zwei schmalen Streifen entlang des Gambia-Flusses und wird von Senegal umschlossen. Das Land ist bitterarm. Es gibt keine Bodenschätze, lediglich Erdnüsse werden in bescheidenen Mengen exportiert.

In der Hauptstadt des Landes spiegelt sich diese Realität wieder. Auf ein Sammelsurium von niedrigen Häusern und Hütten blickt man in Banjul, wenn man auf der Aussichtsplattform des "Arch 22" steht - jenem protzig-merkwürdigen Triumphbogen auf Marmorsäulen, den sich der amtierende Präsident Yammeh vor gut zehn Jahren bauen ließ. Bis 1816 hieß Banjul - von den Briten angelegt - noch Bathurst. Im Nationalmuseum zeugen verstaubte Urkunden vom Bathurst Dinner Club, vom Renescent Club und vom Rainbow Club von dieser Zeit. Ein paar heruntergekommene Kolonialbauten mit Veranda gibt es noch in der Stadt, aber nur die ehemalige Gouverneursresidenz, heutiger Regierungssitz, ist schmuck herausgeputzt.

1965 wurde Gambia unabhängig. Zwischen 1982 und 1989 hatten sich die Länder Senegal und Gambia zu einer Konföderation unter dem Namen "Senegambia" zusammengeschlossen. "Denn in beiden Ländern leben ja die gleichen Stämme - wie die Mandinka, Wolof und Fula", klärt ein Einheimischer auf. Aber das Bündnis habe nicht funktioniert. "Unser Land ist ja viel kleiner als Senegal und kam deshalb zu kurz", sagt er weiter.

Gambias ganze Hoffnung gilt also dem Tourismus. Und die Voraussetzungen sind eigentlich günstig. Zwischen November und April, wenn es in Europa kalt und ungemütlich ist, bietet Gambia Sonne satt. Und liegt dazu noch nah. Nur sechs Flugstunden sind es von Frankfurt, und man braucht nicht einmal die Uhr umzustellen. Kein Wunder, daß in den vergangenen Jahren neue, schöne Hotels und Strandanlagen entstanden sind.

Außerhalb der sandigen Meile mit angesagten Bars und Pubs tritt man dann in die wirkliche afrikanische Welt ein: Man wird von den Einheimischen freundlich willkommen geheißen, soll Namen und Herkunft nennen, Hände schütteln. "Sie suchen ein Internetcafe? Ich bringe Sie hin", ruft einer, während ein anderer schon mal ein Taxi herbeiwinkt, obwohl man keines haben möchte. Wer als Frau allein am Strand spazierengeht, wird bald von schwarzen Männern begleitet und mit Komplimenten überhäuft. Daß diese "Bumster", wie man die selbst ernannten Callboys hier nennt, durchaus ihre Freundinnen finden, sieht man in Kololi. Da tanzen sie in Clubs eng umschlungen mit weitaus älteren Touristinnen, die sich in Gambia wohl weniger den Sex als die zärtliche Zuwendung erkaufen.

Auf dem Fluß, der dem Land seinen Namen gab, ist alles noch so wie zu jener Zeit, als der mutige Entdeckungsreisende Mungo Park hier entlangschipperte. Und die Pirogen, die ein deutsches Pärchen hier für Flußfahrten flottmachte, sehen aus wie zur Zeit der Sklavenschiffe. Uralt sind die Mangroven, die sich rechts und links der Ufer ausdehnen: ein Refugium für seltene Vögel.

Rund 30 Kilometer von Banjul entfernt, am nördlichen Flußufer, liegt die staubige Siedlung Juffure, die seit dem 1976 erschienenen Roman "Roots" von Alex Haley weltweit bekannt wurde. Die Geschichte des Mandingo-Jungen Kunta Kinte wird darin erzählt, der als 17jähriger von Sklavenhändlern verschleppt, nach Amerika verschifft und dort an einen Südstaatenfarmer verkauft wurde. Ob das kleine Dorf Juffure wirklich Kunta Kintes Heimat war, darf bezweifelt werden. Doch seine "Nachfahren" empfangen Besucher - gegen einen sehr bestimmt eingeforderten Obolus - gern in ihrer Hütte.

Unter die Haut dagegen geht die leidvolle Geschichte der Sklaven auf James Island, einem vorgelagerten, unbewohnten Inselchen im Gambia-Fluß. Die Ruinen des 1829 aufgegebenen Forts gehören heute zum Unesco-Weltkulturerbe. Auch hier wurden Sklaven einst zusammengetrieben und später auf Schiffe verteilt. Wer im Ufersand buddelt, findet noch immer die eine oder andere Glasperle von jenen Ketten, die den Sklaven bei ihrer Ankunft vom Hals gerissen wurden.

Noch konzentrieren sich die meisten Hotelvorhaben auf die Küste, an der die Regierung zahlreiche Gebiete ausgewiesen hat, die auf Investoren warten. Aber ob noch einmal solche kommen wie James und Laurence? 1992 hatten die beiden Engländer, der eine Ingenieur, der andere Architekt, ein mehr als 1000 Hektar großes Areal gekauft, "mitten im Nirgendwo", wie Laurence sagt. Die Einheimischen hätten sie zunächst mit Argwohn betrachtet. Waren etwa die "weißen Teufel", von denen die Alten immer erzählten, nun leibhaftig aufgetaucht?

Geduldig erklärten James und Laurence ihr Vorhaben, tauften es "Makasuto" - Heiliger Wald - und überzeugten. Im Einklang mit der Natur schufen sie ein beispielhaftes, touristisches Kulturprojekt, von dem auch die Einheimischen profitieren. 15 000 Bäume wurden gepflanzt, Bühne und Hütten gebaut. Junge Guides wurden ausgebildet, die den Touristen traditionelle Zeremonien oder die Wirkung von Heilkräutern erklären. Man lernt, daß das Fruchtfleisch des Baobabs - Affenbrotbaum - gegen Fieber wirkt, oder daß die pulverisierten Blätter gegen Rheuma helfen. Und in der Rinde ein Mittel gegen Malaria steckt. Es gibt wohl kaum eine Pflanze, die nicht als Medizin eingesetzt wird.

Makasuto ist zur Attraktion von Gambia geworden. Ein paar luxuriöse, aber ökologisch korrekte Hütten zum Übernachten gibt es schon, weitere sind im Bau. Warum haben sie das Projekt ausgerechnet in Gambia aufgezogen? "Ich habe viel von der Welt gesehen", erzählt Laurence, "aber nirgendwo habe ich freundlichere Menschen getroffen als in diesem Land."

Abends zupft der Griot, ein traditioneller Sänger, in einer Bar die Kora, eine 21saitige Harfe, und singt mit weichen, kehligen Lauten von der Liebe und Fruchtbarkeit von "Mama Afrika". Ein Betrunkener versucht einzelnen Gästen etwas zu erzählen. "Wir palavern nun mal gern", sagt Saihou schmunzelnd. Schließlich nimmt er ihn huckepack und setzt ihn draußen vor der Tür ab.

Man kann einiges lernen in Gambia. Auch, daß Zeit langsamer verrinnt, wenn man sie mit afrikanischer Muße statt mit europäischer Hektik füllt.