Heiter bis wolkig

Wissen Sie, wie die Hauptstadt der Wackeldackel heißt? Sie brauchen niemanden anzurufen, kein Publikum zu befragen und auch keinen Fifty-Fifty-Joker einzusetzen. Ich verrate es Ihnen. Die Hauptstadt der Wackeldackel ist: Travemünde. Wer im Auto auf seiner Hutablage diesen wippenden Waldi stehen hat, der fährt auch nach Travemünde. Denn hier hängen sie noch, die Ado-Gardinen mit der Goldkante, die uns einst Marianne Koch im Werbefernsehen zeigte. Und hier blühen auch die Alpenveilchen mit der geriffelten Krepp-Manschette auf den Fensterbänken.

Während im benachbarten Timmendorfer Strand schon der erste DVD-Player spielte, nahm man in Travemünde gerade erst die Schellack-Platte vom Grammophon. Ja, ja, die guten alten Zeiten. Und wer war nicht alles in Travemünde: Thomas Mann, Franz Kafka, Edvard Munch, der Maler. Um Fehlinterpretationen vorzubeugen: Das Gemälde "Der Schrei" von Edvard Munch ist nicht durch den Travemünde-Besuch beeinflußt, ebensowenig wurde Kafkas Depression durch den Aufenthalt im Seebad verstärkt. Nein - die Prominenz liebte Travemünde!

Im Casino verkehrten Onassis, Prinzessin Soraya und Sophia Loren. Setzten ihren Fuß auf den roten Teppich und drinnen tausend Dollar auf Rot. Aber das ist Jahrzehnte her. Heute haben Fips Asmussen und Tony Marshall den Rang eines Staatsgastes. Und in den Restaurants an der Kaimauer kann man weiter sein Wiener Schnitzel essen, als hätte es Sushi niemals gegeben.

Doch nun dämmert es endlich auch in Travemünde - das Dornröschen unter den Seebädern wird plötzlich aus dem Schlaf gerissen. Ein neues Hotel hat eröffnet - eines, das dem Zeitgeist zwei, drei Jahre voraus ist. Das "A-Rosa Resort" ist einer der größten Wellness-Tempel der Republik. Das für viele Millionen Euro umgebaute Kurhaushotel ist nun der neue "Hot Spot" der Lübecker Bucht.

Im "A-Rosa" gilt das Motto "Anti Aging", was im Trave-Translater soviel heißt wie: "Man müßte noch mal zwanzig sein und so verliebt wie damals . . . " Nun sprudelt im alten Seebad also ein 4500 Quadratmeter großer Jungbrunnen. Frisch daraus entstiegen ist einmal mehr Iris Berben, die Werbe-Patin von "A-Rosa". Wie eine Patentante will sie niemals aussehen, deshalb gönnt sie sich das volle Programm: Thalasso, Ayurveda und Shiatsu (auch hier wieder der Trave-Translater: "Heute werd' ich nicht alt!"). Leider kommen außer der schicken Schauspielerin nur knappe 400 weitere Gäste in den gesunden Genuß. Eigentlich müßte ganz Travemünde mal in Algen verpackt werden.

Aber wer weiß, was dieses Hotel auslöst. Galt die letzten dreißig Jahre immer "Von Futur keine Spur", gibt es jetzt Hoffnung für Travemünde. Ich bin sicher: Bald boomt die Bucht. Und wer zu spät kommt, den bestraft bekanntlich das Leben.

Deshalb steht für mich schon heute fest: Mein nächster Urlaubsort heißt Travemünde. Ich sollte vorher nur nicht vergessen, meinen eigenen Wackeldackel von der Hutablage zu nehmen . . .