Temple Stay: Die Begegnung mit buddhistischer Tradition ist die neueste Attraktion in Südkorea.

Und nochmals auf die Knie fallen, schwer und schmerzhaft. Wieder wirbelt Staub auf, erneut klatschen die Handflächen auf den Sand und federn das Gewicht des Körpers nur leicht ab. Schweiß perlt über die Stirn und näßt die graue Kutte.

Der Blick fällt auf den Boden, während am Wegesrand ein kahlgeschorener älterer Mönch fortwährend lächelt oder unverständliche Worthappen nuschelt. Von wegen Schweigen und Besinnung - in einem koreanischen Kloster können Alltag und Gebet, Regeln und Ritus in harte körperliche Arbeit ausarten.

Um der Welt zumindest einen Teil dieser Sitten und Gebräuche zu zeigen (und natürlich auch, um zusätzliche Touristen ins Land zu locken), öffnete Südkorea einige seiner insgesamt mehr als 7000 Tempel und Klöster des Landes, für die Koreaner ebenso wie für Urlauber aus der Ferne.

Unter dem Motto "Find Yourself in Korea" lassen sich 44 buddhistische Tempel hinter ihre lange verschlossenen Tore schauen. Nicht jeder bietet dabei die gleiche Erfahrung: Erinnern einige wie der alte Beomeosa-Tempel im hohen Norden mit farbig verzierten Gebäuden aus Holz und seinen geschmückten Gebetsräumen an das typische Bild, so bieten andere wie Silleuksa aus dem 13. Jahrhundert den puren Alltag. Leben in einigen mehr als 100 Mönche, so verlieren sich in anderen nur eine Handvoll.

Ziel eines "Temple Stays" ist - zumindest offiziell - die Begegnung mit der mehr als 1600 Jahre alten Geschichte. 2002 hatte Südkoreas Regierung bei der Fußball-Weltmeisterschaft auf Hilfe der Mönche zurückgegriffen, um zusätzliche Betten für die Fans bereitstellen zu können. Schnell fand die Idee Freunde, das Programm wurde beibehalten.

"Der Erfolg kommt schleppend, aber er kommt", ist Hyun-Jeong Jeong von der Temple Stay Division überzeugt. Allein 2004 hätten 32 000 Koreaner und 3000 Touristen das Angebot wahrgenommen. Die Preise für die Tempelerfahrung reichen von umgerechnet 43 bis 69 Euro pro Nacht.

Dem Besucher wird für die Tage hinter den Klostermauern ein Schlafplatz angeboten, mal in einer winzigen leeren Zelle ohne Bett, Schrank oder Tisch, nur mit einer dünnen Matte auf dem Boden, mal in einem großen Schlafsaal mit Schiebetüren. Ein typischer 24-Stunden-Tempeltrip beginnt am Sonnabendnachmittag und umfaßt Glockenritual und Dharma-Trommeln, rhythmisches Besenfegen, liturgischen Gesang, Meditieren im Morgengrauen, Teezeremonie und immer wieder den Kniefall beim Beten. Auf einem Merkblatt sind die wichtigsten Regeln abgedruckt: "Tragen Sie keine bunte Kleidung", heißt es. Und: "Handeln Sie nicht individuell." Zeit für innere Ruhe ist kaum eingeplant.

Gleich nach der Einführung wartet die erste Herausforderung: "Wir basteln jetzt Lampions", sagt Mönch Chang See Yong in Silleuksa grinsend in die Runde der verdutzten Gäste. Aus Papier sollen die Laternen sein, in Form einer Lotusblüte mit einer Kerze. Das Licht symbolisiere die Weisheit im Buddhismus, verrät der Mönch, während sich das Basteln mit Klebstoff weniger als "Leerung des Geistes von weltlichen Gedanken" denn als kniffelige Fingerübung entpuppt.

Um 4 Uhr am Morgen darauf schallt die gewaltige Glocke zwei Dutzend Mal über das dunkle Tempelgelände und lädt verschlafene Touristen zur ersten täglichen Zeremonie. In Sandalen und blaßgrauen Einheitsklamotten watschelt das verschlafene Grüppchen mit den Lampions über den dunklen Hof, schön hintereinander und in der Reihe. Ein Mönch an der Spitze summt meditierend Liturgien und fordert zum Mitsingen auf. "Die perfekte Harmonie zwischen der Natur und Buddhas Lehre" versprechen die Veranstalter ihren Gästen.

Spätestens im Gebetshaus, umringt von hunderten Statuen des Buddhas, duftenden Räucherstäbchen und gelben Kerzen, gehen Urlauber und Mönche bei der Morgenzeremonie wieder in die Knie. Insgesamt 108mal, "für die Leiden des Lebens und zum Respekt vor Buddha", erklärt ein Mönch. Je nach Jahrestag oder Anlaß erhöhe sich diese Zahl für Geistliche auf bis zu einige tausend Verbeugungen.

Natürlich darf im Programm auch die Sozialarbeit nicht fehlen: Mit einem Holzbesen fegen Mönch und Urlauber für eine Stunde die staubigen Plätze und Wege des Tempelhofs, gleichmäßig und rhythmisch, "um zu zeigen, daß wir nichts Besonderes sind", heißt es.

Neben den Gebetsritualen und der Teezeremonie nehmen sich die Mönche vor allem Zeit für die Einführung in das "balwoogongyang", das tägliche gemeinsame Mahl. "Das disziplinierte Essen erlaubt es mir, Buddha zu finden und erinnert mich immer wieder daran, daß ich nichts Besonderes bin", erklärt Mönch Po Mun. "Es ist ein Weg zu zeigen, daß wir uns respektieren sollen und alle gleich sind." Vier kleine Schalen aus Holz sind dabei für jeden mit Reis, Suppe, Gemüse und Wasser gefüllt. Schweigen sei Pflicht, um sich spirituell auf das Essen zu konzentrieren.

Während der kurze Blick in den Klosteralltag nur zum Kennenlernen buddhistischer Werte dienen soll, nutzen andere die Tempeltage bewußt zum Gespräch: "Die Mönche standen mir mit gutem Rat zur Seite", erinnert sich Henrik, der zum zweiten Mal nach Südkorea reisen will. (gms)