In Südtirol zeigen Malereien aus dem Mittelalter seltsame Fabelwesen. Sie sind ein Mix aus Pferd und Elefant

Brixen. Wer sich in Brixen dem pensionierten Lehrer, Stadtrat und unermüdlichen Fremdenführer Heinz Thaler anvertraut, muss nicht fürchten, in diesem Städtchen zwischen Brenner und Bozen mit trockener Historie zugeschüttet zu werden. Thaler dosiert die Preziosen aus seiner Schatztruhe, lässt hier ein Diadem blinken, dort eine Hand voll Juwelen, und garniert jede Szene mit verblüffenden Details. So erfahren die Zuhörer beispielsweise, was es mit den Statuen der drei heiligen Bischöfe über dem Haupteingang zum Brixner Dom auf sich hat. Einer presst die Hand auf die Brust und stöhnt, heute sei es unerträglich schwül. Sein Gegenüber hebt klagend die Hand, was man denn in Gottes Namen gegen diese Hitze tun könne. Erst der Dritte fasst einen Entschluss, deutet geradeaus auf die dort mündende Domgasse, in der sich eine beliebte Weinstube befindet, und verkündet "Wir gehen jetzt zum Finsterwirt und trinken ein Viertel!" Wir jedoch müssen vorher noch neben dem Dom den faszinierendsten Kreuzgang Südtirols bestaunen - seiner berühmten Fresken und ihrer ungeahnt belehrenden Darstellungen wegen, und weil dort die Brixner Elefantengeschichte beginnt. Damals im 15. Jahrhundert, als diese Wände und gotischen Gewölbe ausgeschmückt wurden, bestand die Bevölkerung - von einer winzigen Oberschicht abgesehen - leider komplett aus Analphabeten. Sie wussten nichts von der Welt, abgesehen von dem, was ihnen jemand gepredigt oder erzählt hatte. Doch wenigstens Bilder konnten sie sich erklären lassen, so etwa in vielen Kirchen die Freskogemälde, die in fortlaufenden Szenen auch ganze Lebensläufe vorstellten. So gedieh der Kreuzgang zu einer Galerie der Wunder: Lebhafte Illustrationen von Engeln und Teufeln, David und Goliath, Tugend und Laster, von Jesus, Maria und Heiligen ohne Zahl dekorieren die Mauern. Dazu irgendwo hoch an der Decke auch ein nie gesehenes Fabeltier, ein schlankes Pferd mit zur Trompete gerolltem Elefantenrüssel, auf dem Rücken ein hölzerner Gefechtsturm mit eisernen Rittern. Und unter dem Bauch hingestreckt ein Verteidiger mit gezackter Lanze, womit er diesen "Pferdefant" gleich tötet und daraufhin selber stirbt, denn das Untier wird zusammenbrechen und ihn erdrücken. Nur intime Kenner biblischer Ereignisse wissen, um welche Episode es sich dabei handelt: die des judäischen Priesters Eleazar, der lange vor Christus in einer Schlacht bei Jerusalem gegen die Syrer einen gewaltigen Kriegselefanten erlegte und dergestalt selbst ums Leben kam. Es war nur so, dass der Freskenmaler Leonhard von Brixen seinerzeit (um 1470) zwar diese Überlieferung kannte, doch keinen Schimmer davon hatte, wie syrische oder makkabäische Krieger gerüstet waren. Und nur vom Hörensagen glaubte er zu wissen, wie Elefanten aussahen. Wenige Sommer später wurde in der benachbarten St.-Leonhards-Kirche von Klerant das Thema sogar erneut variiert; Besucher des Gotteshauses sehen sich deshalb dort einem sehr ähnlichen, nun allerdings mit Helm und Harnisch bewehrten Eleazar gegenüber, wohingegen der "Pferdefant" einen mittelalterlichen Schuppenpanzer trägt. Im nächsten Jahrhundert aber, im Dezember 1551, trabte dann ein leibhaftiges Rüsseltier durchs Eisacktal, so ungläubig angestarrt, als wären grüne Männchen vom Mars gelandet. Seine Eskorte nannte ihn "Soliman" - nach dem allseits gefürchteten türkischen Sultan, dessen Heere gerade Mitteleuropa bedrohten. Der Elefant "Soliman" war aber entschieden friedlicher; er wurde über den Brenner bis nach Wien getrieben, wo er ein Jahr später in der Menagerie des Schlosses Kaiserebersdorf verendete. Während der zwei Wochen, die er im Eisacktal pausieren durfte, wurde der Elefant in der Herberge "Am hohen Felde" einquartiert. Das brachte den Wirt Andrä Posch auf eine grandiose Idee: Alsbald nannte er seine Taverne "Haus am Hellephant", ließ die Außenwand mit einem Fresko des Hellephanten verzieren und legte damit den Grundstein zum Hotel "Elephant", das jetzt zu den nobelsten in ganz Südtirol zählt. Anreise : Die drei wichtigen Städtchen im Eisacktal liegen alle an der Bahnstrecke München-Rom. Jeder Eurocity hält in Sterzing/Vipiteno, Brixen/Bressanone und Klausen/Chiusa. Auf der Autobahn ab München bis Brixen 250 Kilometer. Dabei dreimal Maut: eine zehn Tage gültige österreichische Autobahn-Vignette an der Grenze bei Kufstein 7,60 Euro, Brennerpass-Strecke 7,95 Euro, restliche Distanz bis Brixen 2,10 Euro. Auskünfte und Prospekte: Tourismusverband Eisacktal, Brennerstraße 127, I-39040 Vahrn, Telefon: 0039/0472/80 22 32, Fax /80 13 15