Kurt Wachtveitl war 41 Jahre lang im “Oriental“ der Herbergsvater fast aller Größen dieser Welt. Nur George W. Bush musste draußen bleiben.

Kein anderes Haus wurde so oft als "bestes Hotel der Welt" ausgezeichnet. Und kein anderer Manager hat so lange ein so berühmtes Haus geführt. Kurt Wachtveitl, der aus dem kleinen Ort Lindenberg im Allgäu stammt, hat Kaiser und Könige begrüßt, fast alle Opernstars und die wichtigsten Show-Größen der letzten Jahrzehnte. Kurt Wachtveitl war immer mehr als nur ein Hoteldirektor. Er war und ist eine Legende. Ende Mai tritt er ab.

Früher Morgen auf der Terrasse des "Oriental"-Hotels. Noch glänzen die Palmwedel vom Tau der Nacht. Tempelblüten und andere exotische Blumen leuchten in der Tropensonne. Zwei Stunden später wird sich wieder, wie an jedem Tag des Jahres, die feuchte Hitze wie eine Folie über die Zehn-Millionen-Metropole legen. Geschäftsleute aus aller Welt, Touristen mit ihrem Tagesprogramm auf dem Tisch, nostalgische Reisende auf der Suche nach dem alten Asien, sie nehmen ihr Frühstück auf dieser Terrasse ein und werden immer wieder abgelenkt vom Leben und Treiben auf dem Chao Phraya, dem Strom, der auch Mutter aller Flüsse genannt wird: Longtailboote knattern in hohem Tempo vorbei, Fähren pendeln von einem zum anderen Ufer, Linienboote mit gelb gewandeten Mönchen und mit Kindern in Schuluniform.

Nicht viel anders wird die Atmosphäre gewesen sein, als Joseph Conrad hier gesessen hat, der erst als Kapitän, später als weltberühmter Schriftsteller ins "Oriental" kam, oder Anfang der 1920er-Jahre, als William Somerset Maugham in seinem Bangkoker Stammquartier einen schweren Malaria-Anfall auskurierte. Sie alle, die Dichter jener Tage, aber auch Zaren, Kaiser und Maharadschas, Hollywoodstars und Industriemagnaten zogen mit Entourage ins "Oriental", so wie seit über 130 Jahren nahezu alle Klugen, Reichen und Schönen dieser Welt, die nach Bangkok kommen. Der Mann, der dieses Haus geprägt und seither Maßstäbe gesetzt hat wie kein anderer vor ihm, der deutsche General Manager Kurt Wachtveitl, steht auch an diesem Morgen in der Lobby. Wie immer auffällig unauffällig, kerzengerade, wachsam, zugleich gelassen und souverän wie ein Hausvater, der zwar mit Genugtuung feststellt, dass alles in bester Ordnung ist, der aber zur Sicherheit immer wieder nach dem Rechten schaut.

Seine 1000 Mitarbeiter dürfen ihn "Mr. Kurt" - oder, auf Thai, "Khun Kurt" - nennen, weil sein bayerischer Nachname für sie kaum auszusprechen ist. Ihm sieht man seine fast 72 Lebensjahre nicht an: straffe Figur, blitzende Augen, selbstbewusst und selbstironisch. Er hat Philosophie in Madrid, Kunstgeschichte in Rom und das Hotelfach in Lausanne studiert. Diese Stadt sollte sein Leben prägen. Denn in Lausanne lernte er seine Frau Sukkuma kennen, die er Penny nennt, eine Thailänderin, die später als Stewardess bei Air France Karriere machte.

In Lausanne traf Wachtveitl 1962 auch jene Persönlichkeit, die er bis heute mit großem Respekt bewundert: Bhumibol Adulyadej, Rama IX., den gottgleichen König von Thailand. Es war übrigens das letzte Mal, dass Bhumibol sein Land für längere Zeit verließ. Wer konnte damals schon ahnen, dass ihm, dem Monarchen und Jazzliebhaber aus dem fernen Siam, der Mann aus dem Allgäu eines Tages das 60. Thronjubiläum (2006) und den 80. Geburtstag (2007) ausrichten würde.

Als er Ende 1967 als 30-Jähriger die Kommandobrücke im "Oriental" übernahm, wirkte das legendäre Hotel auf ihn ziemlich angerostet. Niemand hatte zum Beispiel je daran gedacht, die Suiten der Dichtergäste von einst namentlich zu benennen und somit Spurensuchern einen Grund mehr zu bieten, dieses und kein anderes Haus in Bangkok zu buchen: "Ich habe bald erkannt, dass wir nicht nur Perfektion, sondern auch Illusionen und Träume verkaufen müssen." Mister Kurt brachte das "Oriental" schnell auf Kurs. Erstmals 1981 kürten es die Leser des amerikanischen Magazins "Institutional Investor" zum "besten Hotel der Welt", danach gleich zehn Jahre in Folge. Zahlreiche Stammgäste tragen seither die wichtigste Säule des Hotels. Auf einige konnte er sich so gut ver- lassen, dass er sie schon mal um einen Freundschaftsdienst bitten mochte. Zum Beispiel den Sultan von Brunei. Der kommt seit Langem mehrmals im Jahr mit großem Gefolge nach Bangkok, bezieht die vier oberen Stockwerke mit Blick auf den Fluss.

Als vor zwei Jahren der damalige US-Präsident George W. Bush, zu dessen Bewunderern Kurt Wachtveitl nicht gehört, einen Bangkok-Besuch plante und alles darauf hindeutete, dass er im "Oriental" würde absteigen wollen, rief Mr. Kurt "seinen" Sultan an. Der kam, und zwar mit so vielen Verwandten und Dienern, dass das Management des Hauses der US-Botschaft guten Gewissens und natürlich mit großem Bedauern sagen konnte, das "Oriental" sei leider ausgebucht. Es wird nicht leicht sein, in die Schuhe eines solchen Direktors zu treten. Mit Jan Goessing aber übernimmt ein hochkarätiger General Manager das Zepter. Unter seiner Leitung wurde das "Mandarin Oriental" in Washington binnen kurzer Zeit zum besten Hotel der Welt ernannt. Es ist spät geworden. Ein paar Gäste sitzen noch auf der Terrasse, lassen den Tag bei einem Mai Tai ausklingen. Im "Lord Jim's", benannt nach einem Roman von Joseph Conrad, genießen die Gourmets raffiniert zubereitete Meeresfrüchte, in der "Bamboo Bar" unterhält eine Pianistin die Nachtschwärmer. Kurt Wacht- veitl nippt an einem Lemongrass-Tee und plaudert, was er selten tut, über seine Familie: Sohn Kim, 38, arbeitetet für Red Bull, er hat es dem Vater gleich getan und eine Thailänderin geheiratet. Tochter Carla, 36, fühlt sich in der Modebranche in New York wohl. Und Inka, die älteste Tochter, lebt mit ihrem französischen Mann auf einem Hotelschloss und hat Mister Kurt bereits zweimal zum Großvater gemacht.

Mister Kurt schaut auf den Fluss: "Ein chinesischer Handleser hat mir mal vorausgesagt, dass mein Element das Wasser sei. Wenn ich mich nur oft genug an einem fließenden Gewässer aufhielte, würde der Erfolg nicht ausbleiben." Natürlich glaube er "eigentlich nicht an solchen Hokuspokus", schränkt der auf Effizienz bedachte Erfolgshotelier rasch ein, aber andererseits: "wer weiß ..."

Kurt Wachtveitl wird nach Europa zurückkehren und sich demnächst mit seiner Penny an der normannischen Küste einrichten, in der Nähe der Tochter und der Enkelkinder. Ganz nah am Wasser.