Der Hamburger Tropenmediziner warnt vor Leichtsinn bei Fernreisen.

Last minute nach Westafrika, in der Regenzeit nach Nordthailand, ohne Mückenschutz durch Brasilien: Mancher Tourist setzt sich unterwegs Risiken aus, die er zu Hause niemals eingehen würde. Im Gespräch mit dem Abendblatt warnt Tropenmediziner Prof. Gerd Burchard vor zu sorglosem Verhalten im Urlaub.


Hamburger Abendblatt:

Welches sind die gefährlichsten Tropenkrankheiten?

Gerd Burchard:

Mit weitem Abstand die Malaria. Zu den Krankheiten, die zwar wesentlich seltener, aber auch lebensgefährlich sind, gehört der Leber-Abszess, dessen Ursache Amöben in schlecht zubereiteter Nahrung sind. Das kann in Luxushotels wie in Garküchen am Straßenrand sein. Auch die Wurmkrankheit Bilharziose, die vor allem in Süßgewässern in Afrika lauert, ist hochgradig gefährlich. Ein Beispiel ist der Malawi-See. Dort nimmt die Krankheit bei Urlaubern deutlich zu, seit das Surfen auch da Trendsport geworden ist.



Abendblatt:

Warum ist Malaria eine so tückische Tropenkrankheit?

Burchard:

Weil die Symptome am Anfang eher unklar sind und auch auf weniger gefährliche Krankheiten hindeuten können: Übelkeit, Frösteln, Kopf- und Gliederschmerzen sowie Fieber. Nach Fieberabfall fühlt sich der Patient zunächst besser, der nächste Fieberschub aber kommt ganz sicher, wenn nicht vorgebeugt wurde.



Abendblatt:

Aber wie? Es gibt doch viel Unsicherheit über die richtige Prophylaxe.

Burchard:

Eigentlich nicht. Es gibt klare Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Tropenmedizin, abgestimmt mit anderen europäischen Ländern und basierend auf einem internationalen Überwachungsnetz. Die Erkenntnisse daraus passen wir immer wieder den wechselnden Gegebenheiten vor Ort an - Malaria-Parasiten werden nun mal nach einiger Zeit gegen bestimmte Medikamente resistent.



Abendblatt:

Sind denn genügend Ärzte über diese Fakten informiert?

Burchard:

Es gibt rund 1000 Tropenmediziner in Deutschland. Aber es gibt Zertifikate für reisemedizinische Beratung, die an Ärzte nahezu aller Disziplinen vergeben werden nach einem 32-Stunden-Kursus. Danach sollte man als Erstes fragen. Verantwortungsbewusste Ärzte werden ohnehin, wenn sie sich nicht genügend kompetent fühlen, an zertifizierte Kollegen, an reisemedizinische Zentren und an die Tropenkrankenhäuser verweisen.



Abendblatt:

Warum kommen dennoch jedes Jahr mindestens 1000 Reisende mit Malaria aus den Tropen nach Deutschland zurück?

Burchard:

Daran ist eben meistens falsche oder nachlässige Vorbeugung schuld: Wer in Hochrisiko-Gebiete reist, ohne ausreichende Informationen eingeholt zu haben, oder die entsprechenden Prophylaxe-Tabletten nicht regelmäßig und nicht lange genug eingenommen hat, riskiert sein Leben. Ganz deutlich: Malaria tropica ist eine Krankheit, die ohne rechtzeitige Behandlung rasch zum Tode führen kann.



Abendblatt:

Was halten Sie von der sogenannten "Standby-Lösung", also Tabletten wie Malarone oder Lariam erst einzusetzen, wenn die Symptome klar zu deuten sind?

Burchard:

Das empfehle ich Urlaubern nur für Regionen mit einem geringen Risiko.



Abendblatt:

Haben sich Tropenkrankheiten in letzter Zeit zunehmend verbreitet?

Burchard:

Ja, vor allem durch die Globalisierung. Und die zunehmende Erderwärmung lässt möglicherweise das Heer der unterschiedlichen Mücken wachsen, die Krankheiten übertragen können.



Abendblatt:

Wie gefährlich ist Dengue-Fieber, von dem man neuerdings häufiger hört und das, wie die Malaria, im gesamten Tropengürtel droht?

Burchard:

Es ist tückisch, weil man sich dagegen nicht wirklich schützen kann und weil die Überträger-Mücke auch tagsüber aktiv ist. Aber der Verlauf ist in den meisten Fällen nach anfänglich hohem Fieber, Schüttelfrösten und allgemeiner Schwäche eher gutartig. Die Krankheit klingt in der Regel nach zwei bis drei Wochen ab.



Abendblatt:

Wogegen sollte jeder Reisende geimpft sein?

Burchard:

Generell und überall gegen Tetanus und Diphtherie, auf Fernreisen unbedingt gegen Hepatitis A und B.



Abendblatt:

Sie haben lange in den Tropen gelebt? Hat es Sie selbst mal "erwischt"?

Burchard:

Ja, ich habe mir einmal im Senegal einen Amöben-Leber-Abszess eingefangen, das war sehr unangenehm.