Hannover feiert ein Jahr der Landschaftsräume und Parks, nicht nur in der Metropole, sondern auch im Umland. Auf dem Programm stehen Erlebnispfade, Kunst und Kulturprojekte.

Sicher würde niemand ernsthaft behaupten, die rund 500 000 Einwohner von Hannover - Hauptstadt von Niedersachsen - seien alle etwas langweilig. Keiner gäbe zu, Hannover sei grau. Doch weil den meisten Deutschen als Erstes zu der Stadt einfällt, da spreche man das reinste Hochdeutsch, wurden die Hannoveraner hellhörig. Sie suchten nach etwas anderem Positiven, nach etwas Frischem, und stießen auf ihren Stadtwald, die Eilenriede. Er ist der größte in Europa, doppelt so groß wie der Central Parc in New York. Das Thema Grün war gefunden und wird nun ausgewalzt, ein Jahr lang läuft das als "Gartenregion". Parks öffnen sich, 700 Veranstaltungen zünden als Feuerwerk der Ideen - alles im grünen Bereich.

"Wir wollen ein nachhaltiges Zeichen setzen, bundesweit", betont Prof. Axel Priebs. Er ist Umweltdezernent der Region Hannover. Alles im grünen Bereich heißt also: Hannover zeigt sein seit Jahren angepflanztes Grün. Da sind die Herrenhäuser Gärten als der herausragende Barockgarten Europas. Wem das wieder zu bieder erscheint, kann sich gleich rechts am Eingang die drei Räume der einstigen Grotte anschauen. Die Künstlerin Niki de Saint Phalle hatte sie mit Glasmosaiken als letztes Lebenswerk kurz vor ihrem Tod abgeschlossen.

Die Region mit ihren 21 Städten und Gemeinden sowie Sponsoren haben 8,5 Millionen Euro investiert, damit Gärten klarer, Kunstprojekte witzig und neue Erlebnisorte ansprechend wurden. Die Brelinger Berge nördlich von Hannover etwa sind bei einer der letzten Eiszeiten als Moränenlandschaft hängengeblieben. Jetzt durchzieht das Gebiet ein fünf Kilometer langer geologischer Erlebnispfad mit vielen Stationen. Der Spaziergänger schaut an einer der Stationen durch durchbohrte Findlinge. Sie stehen auf Stativen am Waldrand und weisen in die Richtung, aus der sie kommen - Småland in Südschweden, da, wo Pippi Langstrumpf wohnt. Im Park der Sinne in Laatzen merkt der Gast bei allen möglichen verblüffenden Experimenten im Freien, dass seine Sinne abgestumpft sind. Sehen und Hören werden stets überfordert im Alltag, das Riechen, Schmecken und Tasten jedoch verkümmert. "Da bieten wir Nachhilfe", sagt die Sprecherin des Parks, "riechen Sie mal". Und nimmt am Kräutertisch Platz.

Gutsbesitzer wie der Freiherr von Richthofen öffnen ihren privaten Park. Bei dem Nachkommen des legendären Fliegerbarons aus dem Ersten Weltkrieg und des großen Chinaforschers des 19. Jahrhunderts, Ferdinand von Richthofen, wachsen 90 verschiedene Eichenarten aus aller Welt auf seinem Untergut Lenthe. "Selbst aus den Golanhöhen habe ich welche", zeigt sich der Freiherr stolz. Ein paar Kilometer weiter in Wennigsen am Deister entsteht gerade das Grüne W. Es ist eine Art zu Blumen gewordene Bürgerbewegung, die sich durch den Ort zieht. Tausende von Hortensien werden von Hunderten Menschen gepflanzt. Wahrscheinlich kann man das riesige W (steht für Wennigsen) dann sogar aus dem Weltall sehen.

Das nachhaltige Netzwerk aus grünen Inseln in und um Hannover ist mit erstklassigen Radwegen verbunden. Die Bahnen des Nahverkehrs bringen die Gäste klimagünstig bis vor jede Gartenpforte. Dann geht 35-mal das Broadwaymusical "Der geheime Garten" - erstmals in deutscher Fassung - über die Gartenbühnen. Hauke Jagau, der Regionspräsident, frohlockt: "Wir möchten ein Bewusstsein für die hohe Lebensqualität in der Region schaffen."

Jetzt strömen schon die ersten Gäste, bevor überhaupt alle Knospen aufgegangen sind. Wladimir Kaminer, der Kultbücher wie "Russendisko" schrieb, liest zum Beispiel lustige Gartentexte vor. Immerhin hat der Russe aus Berlin selbst einen Schrebergarten und kennt sich aus im grünen Bereich. Auch Literaturpapst Hellmuth Karasek kommt zur Lesung. Opern auf dem Lande nehmen ihren Lauf, und dann öffnet sich Ostern noch das Paradies. Es ist eine 23 Meter lange Kokonhülle in der Christuskirche von Hannover - auch so ein Kunstprojekt. Bis Erntedank kann sich da jeder kostenlos über die Ewigkeit, das Leben und den Sinn informieren. Aus der Quelle des Lebens, einem nachgebauten Brunnen, kommen immer neue Gesichter aller möglichen Menschen durch eine Filmprojektion zum Vorschein. "Wir Menschen haben den Auftrag, Natur und Schöpfung zu bewahren und die Welt zum Besseren zu kehren", sagt die Regionalbischöfin Ingrid Spieckermann. Sie freut sich über jedes neue Gesicht, genau wie die Gartenregion.