Namibia: Bei einer Wanderung durch den Nordwesten erleben abenteuerlustige Urlauber die Wüste mit Sonne, Regen und Nebel.

Windhuk. Plötzlich geht alles blitzschnell. Die Nashornkuh springt in zwei, drei Sätzen den Sandhügel hinauf und galoppiert auf uns zu. 1500 Kilo Knochen, Muskeln und Panzer. In Windeseile katapultieren wir uns auf den einzigen Strauch weit und breit. Nur einen Steinwurf entfernt macht das Tier Halt, schüttelt den Kopf, schnaubt, scharrt und prustet. Wir haben Glück: Das Nashorn dreht um und trottet gemächlich davon. Seine Botschaft allerdings ist klar: Touristen, ihr seid hier nur auf der Durchreise! Das Damaraland im Nordwesten Namibias ist ein verlassener Ort. Wie kopflose Kegel ragen die riesigen Tafelberge aus der menschenleeren Steinwüste. Mittags verlieren die Felsklötze unter der hoch stehenden Sonne jede Kontur. Im Sonnenuntergang leuchten sie in tiefem Rot. Außer kugelrunden Euphorbien-Büschen gedeiht in der kargen Landschaft nicht viel. Trotzdem ist die Wüste voller Leben: Von dem wenigen Wasser, das die Regenfälle und der morgendliche Küstennebel über der Namib zerstäuben, ernähren sich Springböcke, Oryx-Antilopen, Kudus, Zebras, Giraffen, zahlreiche Vogel- und Insektenarten, Schakale, Hyänen, Löwen, Elefanten und Nashörner. Das Schwarze Nashorn des Damaralandes ist kein gastfreundlicher Zeitgenosse. Dafür ist es weltweit die einzige Nashornspezies, die noch auf kommunalem Land ohne Schutzstatus lebt. Nach Schätzungen des Save the Rhino Trust (SRT) gibt es noch zirka 130 Nashörner in der Region. Vor über zwei Jahrzehnten, als der Bestand durch Wilderei fast ausgerottet war, taten sich Wissenschaftler, Farmer und Naturschützer zusammen, um das Aussterben der Tiere auf öffentlichem Boden zu verhindern. Für Wanderer ist die Namib ein heißes Pflaster. Deshalb schultern wir unsere Rucksäcke meist schon im Morgengrauen. Zwei Wochen Wüste hat Joe, unser Führer, uns verschrieben. Zu Fuß, ohne komfortablen Schnickschnack wie Aircondition und Federkernmatratze. Die Spielregeln sind klar: 14 Tage Trockenfutter, Wasser aus dem Wasserloch, Schlafsack, Isomatte, Zelt. Auf alten Zebra- und Nashornpfaden führt uns der gebürtige Namibier schlafwandlerisch sicher durch die endlose Weite, über mächtige Felsplateaus, riesige Geröllebenen und goldgelbe Sanddünen. Stundenlang trotten wir im Gänsemarsch, ohne auch nur ein Tier zu sehen. Für den Laien scheint es verwunderlich, dass man in der Weite der Namib, wo jeder Strauch aus mehreren Kilometern Entfernung zu sehen ist, nur selten auf Großwild wie Elefanten stößt. Aber die Tiere sind nur schwer auszumachen und folgen abhängig von der Jahreszeit ihren eigenen Routen. Die Wüste ist ein trockenes Terrain. Doch die Namib kann auch anders. Es regnet. Dicke Tropfen plumpsen aus den bauchigen Wolken über dem Aub-Canyon. Ein kleines Wunder in dieser Region, in der der jährliche Niederschlag selten mehr als hundert Millimeter beträgt. Und wie im Film "Die Wüste lebt" verwandelt sich die karge Landschaft nach einem satten Regenguss binnen weniger Stunden in ein buntes Meer aus Halmen und Blüten. Überall sprießt es. Auf den steinigen Flächen wogt das Silbergras, ganze Täler leuchten in sattem Gelb. Für die Tiere ist das Wasser ein Segen: Sie brauchen nicht mehr kilometerweit für ein paar Tropfen zu laufen. In kleinen Mulden, Felsspalten und ausgetrockneten Flussbetten hält sich Wasser wochen-, ja monatelang. Das Camp am Uniab-Revier ist unsere letzte Herberge. Links und rechts des sandigen Flussbetts türmen sich meterhohe Steilwände. Im Laufe von Jahrtausenden hat sich der Fluss seinen Weg durch die Felsen gefräst. Kaum vorstellbar, dass der Uniab manchmal meterhoch Wasser führt. Wir schlagen unser Zelt auf einem Felsvorsprung auf. Am Morgen ist die Welt draußen wie verwandelt. Die Schuhe sind klamm. Der Schlafsack tropft vor Nässe. Der Uniab präsentiert sich grau in grau. Die Temperatur ist auf unter zehn Grad gesunken. Verantwortlich dafür ist der morgendliche Küstennebel, der vom Atlantik her manchmal bis zu 80 Kilometer in das Landesinnere feuchten Schleier über die Wüste legt. Es ist der Nebel, der der Namib das Leben schenkt. (srt)