Königssohn Joachim und seine Marie aus Frankreich wollen die Ehe ganz in der Nähe des freizügigen Heiratsparadieses Tønder besiegeln.

Die Schlossstraße könnte auch Lindenstraße heißen. Jedenfalls säumen diese Bäume die paar Hundert Meter Vergangenheit aus Kopfsteinpflaster, die das kleine Dorf Møgeltønder (auch Mögeltondern genannt) nahe der dänisch-deutschen Grenze zieren. Es lässt sich wunderbar durch die Fenster in die Häuser gucken und tratschen - wie im Fernsehen bei der "Lindenstraße". Viel Grund zum Tuscheln gibt es auch: Am 24. Mai ist es wieder so weit und die Fahnenmasten an jedem Backsteinhaus der Prachtstraße Slotsgaden werden mit dem königlich-dänischen Tuch bestückt. Prinz Joachim Holger Waldemar Christian (geboren am 7. Juni 1969) heiratet in zweiter Ehe die Französin Marie Cavallier (geboren am 6. Februar 1976). Sie arbeitet als Finanzexpertin in Genf und büffelt gerade Dänisch als vierte Fremdsprache. Sie fällt vom katholischen Glauben ab und wird evangelisch wie ihr künftiger Gemahl. Sie ist bildhübsch, hat schulterlange, braune Haare und wird versuchen, sich in die Herzen der Dänen zu lächeln. Das Fernsehen des Landes überträgt die Hochzeit von 10 bis 20 Uhr.

Zwar steht der Sohn der Margrethe von Dänemark nur auf Platz vier der Thronfolge - sein ein Jahr älterer Bruder Frederik und dessen beide Kinder Christian und Isabella haben den Vorrang -, aber dennoch gibt sich der gesamte europäische Adel ein Stelldichein in dem Nest fünf Kilometer vom Heiratsparadies Tønder entfernt. Was sind schon 3000 "kleine" Hochzeiten im Jahr gegen diese eine große? Beliebt zum Heiraten ist die 10 000-Einwohner-Stadt bei Deutschen mit Partnern, die nicht aus der Europäischen Union kommen - und bei Schwulen. Homo-Ehen sind kein Problem. Im nicht weit entfernten, romantischen Ribe kommen noch einmal 500 Heiraten pro Jahr in der formularfreundlichen EU-Zone hinzu. Jedenfalls reichen in Dänemark die Geburts- und Scheidungsurkunde, Pässe, Bilder und ein paar Stempel, dann ist die Hochzeit besiegelt und EU-weit anerkannt. Drei oder vier Tage Aufenthalt sind aber vorgeschrieben.

Prinz Joachim lebt schon länger dort. 1993 übernahm der studierte Landwirt Schloss Schackenborg mit fast 1000 Hektar Wald und Acker. Dort wohnte er vom selben Jahr an mit seiner ersten Frau Alexandra, einer Hongkong-Chinesin. Als die beiden sich 2004 trennten, zog Alexandra mit den zwei gemeinsamen Söhnen nach Kopenhagen. Wie es seiner Neuen in Møgeltønder gefällt, haben die bunten Illustrierten noch nicht herausgefunden. Die gebürtige Pariserin, 32 Jahre alt, lebte bislang in Genf, hat in den USA studiert und sah den Prinzen das erste Mal 2002 bei einer Jagdgesellschaft in Dänemark. Jetzt wird sie nach eigenem Bekunden Hausfrau in dem dänischen Dorf.

Dabei möchten sich Prinz und Prinzessin aber nicht auf die Teller schauen lassen. Das Schloss ist tabu für Besichtigungen, der Schlosspark dagegen steht Besuchern auch weiterhin offen. Erst einmal wird er wegen der vielen Neugierigen ein paar Wochen dicht sein, aber nach der Hochzeit ist er für knapp 4 Euro wieder zu besichtigen. "Wir hatten vergangene Saison 20 000 Touren", erinnert sich eine Mitarbeiterin des Touristenamtes im Tønder. Der Reiz ist groß, vom Garten aus einen Blick durch die Fenster ins Innere zu werfen, obwohl das streng verboten ist.

Im benachbarten Edelrestaurant Schackenborg Slotskro - das Doppelzimmer kostet 175 Euro die Nacht, es ist allerdings am 24. Mai schon alles ausgebucht - bereitet sich Chefkoch Henning Kohl intensiv auf die Gäste vor. Das Zimmermädchen zeigt bereitwillig die breiten Doppelbetten mit dem königlichen Überwurf. Noch mal durchgesaugt wird auch ein paar Schritte weiter in Mormors lille Cafe. Das niedliche Backsteinhaus in der Slotsgaden 11 ist ebenfalls auf Touristenströme vorbereitet und wird bald doppelt so viele Kuchen backen. Der Besitzer des Trödelladens gegenüber, der schon jetzt zwei dänische Fahnen am Eingang postiert hat, liefert "Brugskunst", wie er auf ein Schild geschrieben hat. Er freut sich auf den Ansturm von Tagesgästen, die ihm den Krempel abkaufen.

Sogar der Chef des nicht sehr attraktiven Zeltplatzes am Dorfende, Richtung Nordsee, rechnet damit, alle seine 285 Plätze in diesem Sommer loszuschlagen. "Unser Dorf lebt mit der Prinzenrolle großartig", erzählt die Verkäuferin in dem kleinen Lebensmittelladen auf dem Campingplatz und ordnet ein paar neue von den Zeitschriften, die so gern über adeliges Privatleben berichten, in den Ständer ein.

Tatsächlicher Höhepunkt eines Abstechers für Touristen kann aber die Kirche werden, in der sich der Prinz und seine Liebste trauen lassen wollen. Der fein geschnitzte Altar, die ungewöhnlich bunten Freskenmalereien im Chorbereich, der Taufstein mit seinem sechseckigen Renaissancehimmel - all das ziert diese schon 1180 erwähnte Kirche sehr. Ach ja, zum Taufstein noch folgendes Gerücht: Die Møgeltønder Leute flüstern sich nämlich schon zu, es sei Nachwuchs geplant im Prinzenschloss. Das würde natürlich weitere Gäste hierherziehen. Wer zur Hochzeit in der großen Kirchenempore hockt, die sich "Stuhl der Gräfin" nennt und einen rotgoldenen Baldachin hat, ist noch nicht ganz klar. Aber der Blick nach oben von den gemeinen Holzbänken unten ist prima frei. Da sind unter anderem farbige Comics zu sehen, schon im Jahr 1740 von den örtlichen Malern Johan und Sønnik Sønnichsen gepinselt: Nackt- und Halbnacktszenen in großem Umfang, Darstellungen der Schöpfung und der Kreuzigung.

Etwas Humor zeigen sogar die Legoland-Herren: Im fernen Billund, wo vor 40 Jahren der heute älteste Freizeitpark eröffnet wurde, sind Joachims Schloss, die Schlossstraße davor und die Hochzeitskirche in Møgeltønder sehr hübsch aus 650 000 Legosteinen nachgebaut. Neben die Kirche haben die Parkgestalter einen Legomann mit seiner Legofrau gestellt, die sich die Örtlichkeit schon einmal genau ansehen. Sie erinnern ein wenig an Prinz Joachim und seine Marie. Auch im Lego-Møgeltønder wird alles aufgefrischt: Ein Gärtner pflegt seit Saisonbeginn den Miniaturschlosspark und das Dorf aufs feinste.

Der Tourist denkt aber über den (Hochzeits-)Tag hinaus. Er kann von Møgeltønder nach zehn oder 15 Kilometern Richtung Westen das Watt, die Inseln Sylt und Rømø sehen und dort ein paar Tage ausspannen. Er kann durch die Ateliers der vielen Künstler ziehen, die sich in der Gegend mit den unendlichen Weiten und dem hohen Himmel schöpferisch bedienen. Emil Noldes Wohnhaus in Seebüll hinter der deutschen Grenze ist auch nicht weit entfernt. Dann aber lockt Tønder selbst, diese Stadt mit den engen Gassen, den edlen Patrizierhäusern, den Läden mit Stühlen dänischer Topdesigner (Hans Jørgen Wegner hat 50 seiner Weltklassestühle im alten Wasserturm ausgestellt) oder alter Klöppelkunst. Im 17. Jahrhundert war Tønder das Weltzentrum der Klöppelei. Mehr als 10 000 junge Mädchen, manche erst fünf oder sechs Jahre alt, mussten Meterware liefern, die exportiert wurde.

Schöner, als hieran zu denken, ist ein Teestündchen im Klostercafeen am Torvet 11. Torvet heißt übrigens Marktplatz. Durch die kleinen Scheiben des Cafes lässt sich zweierlei gut verfolgen: Wer kauft was gegenüber in "Det gamle Apotek"? Das ist ein Laden mit einem Riesenangebot an Krimskram. Darunter befinden sich auch alle erdenklichen Weihnachtsartikel, die übers ganze Jahr verkauft werden. Auf der anderen Seite steht eine Pølserbude. Darin wird die urdänische Ernährungsrolle verkauft, auch bekannt als Hotdog: dünnes, rotes Würstchen mit Brötchen ummantelt, garniert mit Röstzwiebeln, Gurken, Senf, Ketchup und Remoulade. Über den Geschmack lässt sich streiten. Für drei Euro kann man sich aber so im Stehen die Kleidung vollkleckern. Sehenswert! Nur nicht so gut für Hochzeitsgäste.