Wir sind schon auf dem Brenner, wir brennen schon darauf", sang Udo Jürgens vor 19 Jahren mit der deutschen Fußballnationalmannschaft. Wie eh und je haben auch heute Fahrten über den Brenner, Richtung Italien, etwas Magisches. Endstation Sehnsucht, ein Gefühl von Angekommensein. O sole mio. Dolce Vita. Bella Italia.

Schnell noch Südtirol durchquert und die Südseite des Alpenhauptkamms erreicht. Mit jedem Kilometer wird es mediterraner. Es liegt was in der Luft, ein ganz besonderer Duft. Zum Beispiel nach Zypressen, nach Vespa-Motoren oder nach italienischem Kaffee. Was könnte die italienischen Momente im Leben besser einfangen als eine Tasse Kaffee? Pizza und Pasta müssen warten - wir befinden uns noch immer auf der Autobahn, und Mammas Trattoria ist üblicherweise nicht neben dem Standstreifen.

Also kurz vor Trento schnell rein in die Bar an der Autostrada, um Italien vorzukosten. Das hat schon Tradition - und sich offensichtlich herumgesprochen, denn die Bar wird von Kaffee-gierigen Italien-Junkies aus aller Herren Länder umlagert. Löffel klappern, Tassen scheppern, der Kaffeeautomat dampft und zischt. Die Baristas klopfen im Akkord den Kaffeesatz aus den Sieben der monströsen Maschine. Um sich den Sitten und Gebräuchen des Gastlandes anzupassen und nicht als Kulturignorant aufzufallen, bestellt man den heiß begehrten Espresso am besten in der Landessprache: "Un caffè!" Mit Betonung auf der zweiten Silbe. Alles richtig gemacht.

Null problemo (auf Italienisch eigentlich: problema), schließlich beherrscht der Deutsche die internationale Kaffeesprache, das Esperanto der Kaffeegenießer, mittlerweile aus dem Effeff: In Millionen deutscher Haushalte tropft es aus allen Düsen. Kolben-Espressomaschinen. Halbautomaten. Vollautomaten. Supervollautomaten. Natürlich mit integriertem Mahlwerk, Milchschäumer und Selbstreinigungssystem.

Cappuccino, Latte macchiato, Caffè doppio. Wir können alles. Und mittlerweile wissen wir sogar, dass der italienische Caffè dem deutschen Espresso entspricht. Also eigentlich alles bene mit unserer Bestellung? Denkste. Der dunkelhaarige Barista macht prompt einen auf Deutschenversteher: "Espresso?", fragt er zurück. Vermutlich das einzige Wort aus dem deutschen Sprachgebrauch, das er kennt. Er meint es ja gut. Trotzdem: Spielverderber.

Das Spielchen funktioniert aber auch andersrum, wie sich an der Theke verfolgen lässt: Bestellt ein deutscher Tourist einen Espresso auf Deutsch, fragen die Baristas garantiert zurück: "Un caffè?" Wie man's macht, ist es nicht recht. Die meisten Gäste nicken artig - man will ja schließlich nicht lange im Thema herumrühren, sondern in der Kaffeetasse.

Wobei dieses Sprachkuddelmuddel noch nichts gegen das Fremdschämgefühl ist, das einen ereilt, wenn eine Type mit Hawaiihemd und Dreiviertel-Cargohosen - mit anderen Worten: eine lebende Karikatur aus dem Gerhard-Polt-Film "Man spricht deutsh" -, dem Barista seinen rechten Daumen entgegenstreckt und seine Bestellung abdrückt: "Uno cappuccino!" - was übersetzt "eins Cappuccino" bedeutet. Au weia. Knapp 100 Kilometer hinterm Brenner, und schon die Zunge verbrannt. Eins zu null für Italien.

"Caffè!" "Espresso?" "Espresso!" "Caffè?" "Uno cappuccino!" Dieses Spielchen geht noch eine ganze Weile weiter, als eine etwas ältere Dame in frisch gebügelter Freizeitkleidung die Bar betritt, den Geldgurt stramm um die Hüften gelegt. Offensichtlich steht ihr der Sinn nach Verwöhnaroma deutscher Machart. "Einen deutschen Kaffee, bitte!" Jenes altmodische Gebräu, das durch ein Filterpapier mit Aromaporen in die Tasse rinnt und in Italien Caffè americano heißt (es ist durchaus als eine Huldigung ihrer deutschen Gäste zu werten, dass Italiener den Filterkaffee nicht Caffè tedesco nennen, denn kein Italiener trinkt ihn freiwillig).

Der Barista, auch auf diese Situation eingestellt, erkundigt sich reaktionsschnell: "Caffè americano?" Die Dame, mit einer Mischung aus Irritation und Nachdruck: "Nein, ich will keinen amerikanischen Kaffee, ich will einen deutschen!" Was wiederum der italienische Barista nicht mehr versteht.