Nach Zwischenfall bei Hallen-Kreismeisterschaft: Spieler sollen lernen, in hitzigen Situationen ruhig zu bleiben.

Steinburg. Ernst-Wagener-Stadion in Eichede. Es ist früher Abend, die Sonne geht langsam unter. Acht junge Fußballspieler laufen mit schwarzen Augenbinden orientierungslos über den Platz, tasten vorsichtig nach dem Ball, zielen mit dem Fuß immer wieder ins Leere. Nur selten gelingt es einem von ihnen, das Spielgerät zu berühren. Begleitet werden ihre Bemühungen von den Rufen der Teamkollegen, die sich hinter den Toren versammelt haben und versuchen, ihre "blinden" Mitspieler mit Worten über den Platz zu führen.

"Jannik, rechts, stopp, dreh dich." Frederik brüllt seinem Freund aufgeregt Anweisungen zu. Doch der Ball ist längst wieder weg. "Tobi, hier", versucht Hendrik einzugreifen, aber auch Tobias läuft am Ball vorbei.

Sind das die gewöhnlichen Trainingsmethoden des SV Eichede? Nein, denn das Spiel ist Teil des Teamfindungs- und Gewaltpräventionstrainings, an dem die Regionalliga-C-Junioren des SV Eichede heute teilnehmen.

Viele der 13 und 14 Jahre alten Nachwuchsspieler sind auf dem Fußballplatz selbst schon einmal mit Gewalt in Berührung gekommen. "Ich wollte mal einem Spieler eine Kopfnuss geben, weil er meine Mutter beleidigt hat", gibt Kim Picker zu. "Meine Teamkollegen sind dazwischen gegangen und ich habe eine Fünf-Minuten-Strafe bekommen."

Auch Hendrik Wurr wurde bereits vom Platz gestellt. "Wir hatten ein sehr wichtiges Spiel. Wenn wir gewonnen hätten, wären wir Kreismeister geworden", sagt der 13-Jährige. "Aber es ist überhaupt nicht gut gelaufen. Deshalb war ich enttäuscht und habe ein Frustfoul begangen."

Durch das Training mit Anti-Aggressivitätstrainer Michael Strelow sollen die Jugendlichen lernen, in solchen Situationen in Zukunft besser zu reagieren. Das Programm ist wichtiger Bestandteil des landesweiten Projekts "Schleswig-Holstein kickt fair". "Gewaltsame Auseinandersetzungen und verbale Diskriminierung haben auf dem Fußballplatz zugenommen", sagt Tim Cassel, Präventionsbeauftragter des Schleswig-Holsteinischen Fußball-Verbands. "Früher wurden die Spieler länger gesperrt. Dadurch haben sie aber nichts gelernt."

Deshalb bekommen die Spieler heute als Bewährungsauflage, an einem Anti-Aggressivitätstraining teilzunehmen. "Nur ein sehr geringer Anteil der Spieler, die das Programm absolvieren, wird rückfällig. Bei den meisten macht es dagegen 'Klick' ", so Cassel.

Aber wie kommt es nun dazu, dass dieses Training beim SV Eichede durchgeführt wird?

"Bei den Hallenkreismeisterschaften im vergangenen Winter hat einer unserer Spieler einen anderen geschlagen, ihm dabei die Nase gebrochen", sagt Jugendwart Wolfgang Barg. Der Vorfall ging vor das Sportgericht, der Eicheder Spieler musste ein Anti-Aggressivitätstraining besuchen. "Ich habe mir die Veranstaltung angeschaut und war begeistert", so Barg. Er beschloss, das Training präventiv für die A-, B- und C-Junioren anzubieten.

"Ich hoffe, dass unsere Trainer durch das Seminar eine Hilfestellung und einen Leitfaden für die Zukunft bekommen", sagt Vereinspräsident Olaf Gehrken.

Da bei den C-Junioren keine wirklich problematischen Spieler sind, wird der Schwerpunkt heute auf den Bereich Teambildung gelegt. Die Mannschaft hat viele neue Spieler dazubekommen, da fehlt es noch etwas an Vertrauen und Zusammenhalt.

Nach vier Stunden ist das Training beendet. Die Spieler lassen sich erschöpft, aber mit zufriedenen Gesichtern auf den Rasen fallen. Trainer Thomas Lehwald: "Ich denke, die Jungs haben viel gelernt für das Miteinander auf dem Platz. Ich hoffe, dass sie sich von jetzt an entschuldigen, wenn sie mit jemandem auf dem Spielfeld zusammenprallen."