Wer Erfolg haben will, muss früh aufstehen: Im Reitzentrum und auf der Besamungsstation beginnt der Tag für die 25 Angestellten schon um 6.30 Uhr. Von seiner glanzvollen Vergangenheit allein kann man nicht leben, sagt Gestütsleiter Henrik Schulte-Frohlinde. Ein Blick hinter die Kulissen.

Die Heimat Donnerhalls liegt hinter einer Gittertür, ein karger Raum von zwölf Quadratmetern, kahle Wände, ein kleines Fenster, auf dem Boden Stroh: Das war einmal das Wohnzimmer des Dressurhengsts, der zu Lebzeiten schon als Legende galt und dem Grönwohldhof zu Weltruhm verhalf. Aus seiner Box ging der Blick des zweimaligen Mannschaftsweltmeisters hinaus auf Grünflächen und Wohnhäuser des Gestüts, ein idealer Beobachtungsposten. Zwischen Boxen und Besamungsstation ist immer etwas los, daran hat sich bis heute nichts geändert in Stormarns Dressurreiter-Hochburg.

An Levka Nissens Stiefeln klebt am frühen Morgen schon frischer Dreck. Mit sperrigem Werkzeug ist sie unterwegs in den Gängen des Reitzentrums, als Putzfrau für millionenschwere Gäste. Auf dem Beton hat sich über Nacht eine klebrige Mischung aus Stroh und Mist gebildet. Nissen stellt die Wohlfühlatmosphäre wieder her für Jazz Time, Desperados, Quando Quando und die 50 anderen: Dressurpferde, manche Millionen Euro teuer, für die das Beste gerade gut genug ist.

Nissen hat ihr blondes Haar zu einem Zopf gebunden. Sie genießt das Leben im Stall, ist als erste in den Boxen unterwegs, wenn es Tag wird auf dem Grönwohldhof. Wenn sich die Morgensonne spiegelt in der Glasfront der beiden Reithallen, in denen schon Donnerhall Passage und Piaffe gepaukt hat.

Draußen bringt das kräftige Organ von Henrik Schulte-Frohlinde die Luft zum Schwingen. Er ist der Chef hier und frühes Aufstehen gewohnt. Die Haare akkurat nach hinten gekämmt, über dem weißen Hemd baumelt eine Krawatte, gelb und schwarz gestreift. "Da kommt ja Europas bestaussehender Pferdewirt", ruft er und schüttelt Volker Hagemeister so kräftig die Hand, dass man Angst bekommen könnte um den schmächtigen Leiter der gestütseigenen Besamungsstation.

Hagemeister ist ein wichtiger Mann auf dem Grönwohldhof, ein Mann fürs Geldverdienen. Wenn er sich morgens die Gummihandschuhe überstülpt, steht den Hengsten der Höhepunkt des Tages kuz bevor.

Zu viel Natur ist dabei auch auf dem Grönwohldhof, wo die Liebe zur Sache zwangsläufig die größere Motivation ist als wirtschaftliche Erfolgsaussichten, nicht erwünscht. Die Stute Ballerina steht hinter einer halbhohen Trennwand, davor Hengst For de Niro: Nur schnuppern, nicht anfassen.

Hagemeister sagt, für den Hengst sei es bequemer, das wie ein Turngerät aussehende "Phantom" zu besteigen als eine Stute, aber diesmal hat der noch unerfahrene Dreijährige so seine Probleme. Es braucht einen zweiten Versuch, bis Hagemeister mit einem Plastikwulst das Sperma des Hengsts aufnehmen kann. Bis zu 14 Portionen gewinnt er daraus später für die künstliche Befruchtung.

Der Geist von Donnerhall ist weiß und kalt und steigt nebenan im Labor dampfend aus einem kniehohen Metallbehälter auf. Gekühlt in Flüssigstickstoff lagert bei minus 196 Grad der Samen des Dressurhengsts. Sieben Jahre nach Donnerhalls Tod reicht der Vorrat nur noch für 20 Fohlen, das zuletzt für 3100 Euro gehandelte Erbgut ist inzwischen unverkäuflich.

Wer heute Grönwohldhof sagt, meint Donnerhall und Herbert Rehbein, den 1997 verstorbenen Ausbilder des Ausnahmepferds, für viele zu Lebzeiten Deutschlands bester Dressurreiter. Eine glanzvolle Vergangenheit, doch ein guter Ruf allein nützt im Wettbewerb der Zucht- und Ausbildungsbetriebe wenig, sagt Schulte-Frohlinde: "Wenn Aldi schlechte Ware liefert, bleiben die Kunden weg. Genauso ist es bei uns letztlich auch."

Idyllisch zwischen dem Gestütsteich mit seinen Entenfamilien und prächtig blühendem Rhododendron liegt einer der schönsten Arbeitsplätze Stormarns. Im Dressurviereck trainieren Rehbeins Witwe Karin und Falk Rosenbauer schon bevor andere Menschen mit dem Frühstück beginnen. Rehbein, mit Donnerhall 1994 und 1998 Mannschaftsweltmeisterin, sitzt im fliederfarbenen Polohemd auf Down Under. Der Donnerhall-Sohn ist im Besitz ihrer Schülerin Kristy Oatley, der australischen Olympiareiterin aus Lütjensee.

Pferdewirtschaftsmeister Rosenbauer hat Erfolge auf höchstem Niveau vorzuweisen. Sein Traum, wie Rehbein einmal das Deutsche Derby zu gewinnen, ist keine Utopie. "Mir gefällt das Konzept des Hofs", sagt er, "und in ganz Deutschland findet man keine so schöne Anlage wie diese." Zehn Pferde "arbeitet" Rosenbauer am Tag, er lässt sich dabei ungern reinreden: "Wenn ich ein Pferd in Beritt habe, dann brauche ich das Vertrauen des Besitzers", sagt er. Die Angst, dass der einmal andere Pläne haben könnte mit seinem Schützling, reitet immer mit, wenn Rosenbauer gerade ein besonders talentiertes Pferd unter dem Sattel hat.

Auf der EU-Besamungsstation ist inzwischen Dr. Gitta Reimers eingetroffen. Die Tierärztin kommt seit zweieinhalb Jahrzehnten fast täglich nach Grönwohld. Sie trägt Jeans und eine blaue Bluse, für die Arbeit zieht sie sich einen grünen Kittel über. Besamungstechnikerin Susanne Pach führt die Stuten vor, bei denen Reimers den günstigsten Zeitpunkt für die Befruchtung bestimmen soll. Je akribischer die Vorbereitung, je höher die Wahrscheinlichkeit, dass schon der erste Versuch Erfolg hat. Die schwierigeren Fälle nimmt Hagemeister als Herausforderung: "Problemstuten sind mein Steckenpferd", sagt er.

Um kurz vor 11 Uhr ist es Zeit für Karin Rehbein, mit Hund Paula eine Runde zu drehen. Stormarns erfolgreichste Dressurreiterin aller Zeiten ist gut gelaunt an diesem Vormittag. "Immer nach vorn gucken, irgendwann kommt vielleicht das Weltpferd", das sagt sie ihren Schülern. "Ich selbst bin zufrieden, habe ein gutes Leben, und was ich erreicht habe, kann mir niemand mehr nehmen." Donnerhall hat die "Herrin vom Grönwohldhof" nie losgelassen. Rehbein erzählt von früher, spricht über das Pferd, mit dem sie es ganz nach oben geschafft hat. "Er hatte ein unglaubliches Nervenkostüm", sagt sie, "und er war als einer der ersten Deckhengst und Sportpferd in einem."

Donnerhall war damit ein wenig auch Wegbereiter für das heutige Konzept des Grönwohldhofs. Besamungsstation und Reitzentrum stimmen sich genauestens ab. "Zum Beispiel unser Hengst Desperados", sagt Hagemeister. "Er war gerade drei Tage mit Falk Rosenbauer auf einem Turnier, aber ich hatte entsprechend vorgesorgt und danach immer noch zwei Portionen seines Spermas übrig. Und in der Zwischenzeit hat er mit zwei Siegen seinen Marktwert gesteigert." 1000 Euro Decktaxe stellt Hagemeister Besitzern in Rechnung, die ihre Stuten mit dem Samen des Hengstes befruchten lassen.

Um die Mittagszeit schlendert Peter John vorbei an dem Stall mit der Box, in der früher Donnerhall stand und heute Desperados. Er geht den von Kugelahorn gesäumten Weg von der Besamungsstation hinüber zum Strohlager. John ist der landwirtschaftliche Verwalter des Gestüts, verantwortlich für Ackerbau, Grünland und Wald auf 220 Hektar.

Bis unter die Decke der riesigen Halle stapeln sich mannsgroße Quaderballen. "1200 produzieren wir pro Jahr, damit decken wir in etwa den Bedarf für die Pferde", sagt John. Früher, als Hafer noch als das beste Futter galt, lieferte er die Verpflegung gleich mit. Heute ist die Produktion von 900 Tonnen Getreide und 200 Tonnen Raps pro Jahr eine wichtige Einnahmequelle.

John wohnt auf dem Gestüt, so wie ein Dutzend andere der 25 Mitarbeiter. "Dabei bin ich gar kein Pferdenarr", sagt er, "und das ist auch gut so. Hier dreht sich so viel ums Pferd, da kann ein neutraler Blick manchmal hilfreich sein."

Im Reitzentrum hat Nissen den ganzen Tag über die Pferde für die Arbeit mit den Ausbildern vorbereitet, jetzt steht sie in einem kleinen Raum zwischen Sätteln und Trensen und pflegt das Material. "Viele denken, wir machen hier einen Hiwi-Job", sagt sie, "aber so ist es nicht. Beim Füttern müssen wir genau wissen, was das Pferd braucht, wir kommunizieren mit der Tierärztin, und wenn wir mit den Pferden reden, sind wir ein bisschen auch Psychologen."

Als sie Schluss macht für heute, kommt sie auf dem Weg nach draußen an Pferdewirtschaftsmeister Ants Bredemeier vorbei. Genug geritten, Stute Starlight hat sich jetzt eine Erfrischung verdient. "Arbeiten, duschen, essen, das ist wie beim Menschen", sagt Bredemeier und spritzt aus einem Schlauch Wasser über den Pferderücken.

Rosenbauer steht um die Ecke in der Dressurhalle und raucht eine Zigarette. Es ist später Nachmittag, Feierabend auch für ihn, er hat noch etwas vor. Gleich wird er sich wieder in den Sattel schwingen, "ich mache das gern, 20 bis 30 Kilometer, das ist ein guter Ausgleich", sagt er. Dann steigt Rosenbauer auf sein Fahrrad. Bis morgen in Donnerhalls Heimat.