Denny Wirth ist schwul. Jahrelang verheimlichte er es vor seiner Familie und am Arbeitsplatz

Bad Oldesloe. Wenn Denny Wirth an sein Coming-Out zurückdenkt, wird er sehr ernst: "Ich sagte meiner Frau, dass ich schwul bin. Das waren die schlimmsten Worte meines Lebens." Das Ende seiner Ehe war gleichzeitig ein Beginn. Seitdem lebt der 34 Jahre alte Oldesloer offen schwul, seit fünf Jahren in einer gleichgeschlechtlichen Beziehung.

Der in Stormarn aufgewachsene Wirth war sich eigentlich immer sicher, dass er auf Frauen steht. "Ich habe als Jugendlicher mal experimentiert, aber nie daran gedacht, dass ich schwul sein könnte", sagt er. 1999 heiratet er seine langjährige Freundin. Zu der Zeit führt Wirth bereits ein Doppelleben.

Im Internet sieht er sich immer wieder Internetseiten für Schwule an. In Sierksdorf an der Ostsee trifft er sich regelmäßig mit Männern. "Ich dachte: Nur weil man mit Männern schläft, ist man noch lange kein Homosexueller", sagt der Oldesloer.

Schließlich beginnt er eine Affäre. "Ich habe mich heimlich mit dem Mann getroffen und gleichzeitig zu Hause heile Welt gespielt", sagt Wirth, der beim Küstenschutz arbeitet. Er habe sogar schwulenfeindliche Witze erzählt. Heute denkt er ungern an diese Zeit zurück. "Es war so schwer, die Fassade aufrechtzuerhalten. Aber ich hatte mein soziales Umfeld, das wollte ich nicht verlieren", sagt er.

Als die Affäre nach Stuttgart zieht, ist Wirth zunächst erleichtert: "Ich dachte, es sei vorbei und ich könnte mich wieder ganz auf meine Frau konzentrieren." Zwei Wochen später fliegt er dem Mann hinterher. "Ich habe ihn zu sehr vermisst. Meiner Frau habe ich erzählt, ich würde einen alten Schulfreund besuchen", sagt er. Die Affäre geht wegen der großen Distanz schließlich zu Ende. "Damals habe ich erkannt, dass ich schwul bin", sagt Wirth.

Wochenlang denkt er darüber nach, wie er es seiner Frau sagen soll

Trotzdem versucht er weiterhin, ein treuer Ehemann zu sein. Dann lernt er einen Mann aus Lübeck kennen, und alles beginnt von vorn. "Da war der Punkt erreicht, an dem ich nicht weiter lügen wollte", sagt er. Ihm sei klar geworden, dass es Zeit für ein Coming-Out sei. "Ich wusste, dass meine Ehe am Ende war. Aber was würden meine Freunde, Arbeitskollegen und die Familie machen?", sagt Wirth.

Wochenlang ringt er mit sich. Wie soll er es seiner Frau sagen? Schließlich ist sie es, die die Initiative ergreift. Sie spürt sein Desinteresse und vermutet, dass er sie betrügt. "Wie heißt sie?", will sie wissen. Er antwortet: "Sie heißt Thomas." Seine Frau ist empört - und will ihm nicht glauben. "Das war am 27. Oktober 2004. So einen Moment vergisst man nicht", sagt er. Mittlerweile verstehen sie sich wieder viel besser als damals: "Heute ist meine Ex-Frau meine beste Freundin, und wir haben viel Kontakt."

Wirths Familie reagierte positiv, besonders sein Vater habe ihm Kraft gegeben: "Er hat gesagt, dass es überhaupt keine Rolle spielt, welche sexuelle Orientierung ich habe. Ich bin und bleibe sein Sohn."

Am Arbeitsplatz hingegen waren die Reaktionen verhalten. "Einige Kollege haben hinter meinem Rücken getuschelt. Besonders Männer können schlecht mit Homosexualität umgehen", sagt er.

Nach seinem Coming-Out war nicht alles in Ordnung für ihn. Wirth: "Am Anfang war ich orientierungslos. Ich hatte nie offen schwul gelebt und musste mich erst einmal zurechtfinden. Ich suchte Menschen, mit denen ich mich austauschen konnte", sagt er. Im Jahr 2005 gründete er die Freizeitgruppe "Gayhin". Das Wissen, dass man nicht alleine sei, sei beruhigend. Auch heute, am weltweiten Aktionstag Coming-Out-Day. Wirth lächelt: "Schwul sein ist nicht unnormal." Das Coming-Out sei ein schwieriger Schritt. Für Denny Wirth war es der richtige Schritt.