Norderstedter Hilfsorganisation nimmt zusätzlichen Helikopter in Betrieb. Einsatz in Stormarn umstritten. Krankenkassen sehen keinen Bedarf

Bad Oldesloe/Norderstedt. Nach Unfällen mit lebensbedrohlich verletzten Menschen zählt jede Minute. Schnellstmöglich muss ein Notarzt vor Ort sein und lebensrettende Maßnahmen einleiten. Deswegen startet die Norderstedter Hilfsorganisation KBA (Krankentransporte, Behinderten- und Altenhilfe) jetzt ein Pilotprojekt. Ab Sonnabend ist auf dem Flugplatz Hartenholm bei Bad Bramstedt (Kreis Segeberg) der erste Notarzteinsatzhubschrauber (NEH) in Schleswig-Holstein flugbereit. In Stormarn könnte der Mediziner binnen acht Minuten landen.

Doch bevor die Besatzung des Helikopters mit dem Funknamen "KUNO-SH-01" zu ihrem ersten Einsatz fliegt, gibt es viel Kritik an dem Vorhaben. Die Krankenkassen sehen keine Notwendigkeit für den fliegenden Notarzt und wollen die Kosten für die Einsätze nicht übernehmen. "Der Rettungsdienst ist gut aufgestellt", sagt Jörg Brekeller vom Verband der Ersatzkassen (vdek). "Deswegen haben die Krankenkassen auch keinen Vertrag mit der KBA abgeschlossen, in dem geregelt ist, was der Verein pro Einsatz abrechnen darf."

Obwohl die Krankenkassen der Hilfsorganisation bereits vor Monaten eine Absage erteilten, hielt der Verein an dem Projekt fest. KBA-Chef Michael Vollmer sagt: "Wir sind der Meinung, dass besonders im ländlichen Räum ein Helikopter gebraucht wird."

Für den Notfall stehen schon jetzt drei Rettungshubschrauber bereit

In Stormarn tun rund um die Uhr drei Notärzte Dienst, die von Ahrensburg, Bad Oldesloe und Reinbek aus per Auto zu ihren Einsätzen fahren. Sind bei einem Notfall alle drei Mediziner an einen anderen Einsatz gebunden, können die Mitarbeiter der Oldesloer Rettungsleitstelle Notärzte einfliegen lassen. Die Disponenten haben die Möglichkeit, die Besatzungen der Hamburger Rettungshubschrauber "Christoph 29" und "Christoph Hansa" sowie die von "Christoph 12", der im ostholsteinischen Siblin steht, zu alarmieren. Im vergangenen Jahr landete 147-mal ein Hubschrauber im Kreis.

In rund 70 Prozent der Lufteinsätze wurde nur der Notarzt zum Einsatzort gebracht.

"Deswegen hatten wir 2009 die Idee für einen Notarzthubschrauber", sagt Vollmer, denn der Einsatz des NEH sei viel günstiger als der eines Rettungshubschraubers. "Rettungshubschrauber, sind quasi fliegende Intensivstationen", sagt Vollmer. Ihr Einsatz koste pro Minute etwa 45 Euro. Beim KUNO fielen 38 Euro an.

"Dass die Krankenkassen dennoch keinen Vertag mit uns vereinbart haben, weil sie keine Notwendigkeit sehen, war abzusehen", sagt Vollmer, da die gesetzlich vorgeschriebene Hilfsfrist von zwölf Minuten in Stormarn und den anderen Kreisen eingehalten werde. "Doch diese Zeitspanne bezieht sich nur darauf, wann die ersten Helfer, also auch Sanitäter vor Ort sein müssen", sagt Vollmer: "Ein Gesetz, wann ein Notarzt an der Einsatzstelle eintreffen muss, gibt es nicht." Dabei sei dies besonders wichtig, denn die Rettungsassistenten dürfen beispielsweise keine Injektionen verabreichen oder Intubationen durchführen. "Nur im äußersten Notfall. Passiert jedoch ein Fehler, stehen die Assistenten jedes Mal mit einem Bein im Gefängnis", sagt Vollmer überspitzt und fügt hinzu: "Die Kollegen müssen dann eine schwierige Entscheidung treffen."

"Es ist nicht geklärt, wer die Kosten für die Einsätze trägt"

Ein moralisches Problem, dass nun auch die Disponenten der Leitstelle haben, die die 112-Notrufe annehmen und die Rettungseinsätze koordinieren. "Bei uns herrscht Unsicherheit. Es ist nicht geklärt, wer die Kosten für die Einsätze trägt", sagt Markus Hilchenbach, Leiter der Oldesloer Leitstelle. Er kritisiert, dass seine Mitarbeiter vor vollendete Tatsachen gestellt werden. "Wenn zum Beispiel dringend ein Notarzt gebraucht wird und der bodengebundene mehrere Minuten zum Einsatzort braucht, stehen die Mitarbeiter der Leitstelle vor einem Problem", sagt Hilchenbach und fügt hinzu: "Die Disponenten wissen, dass es den Hubschrauber gibt und dass er beispielsweise fünf Minuten vor dem Notarztauto vor Ort sein könnte. Dann sind sie in der Zwickmühle." Schickt der Leitstellenmitarbeiter in solch einem Fall einen Notarzt per Auto und der Patient stirbt oder erleidet bleibende Schäden, hat er sich wohlmöglich wegen unterlassener Hilfeleistung strafbar gemacht.

Das Pilotprojekt KUNO ist zunächst bis Ende September befristet. Dann möchte der KBA auswerten, ob der fliegende Notarzt auch künftig in die Luft steigen soll. Bis dahin sei das Projekt durch Sponsoren- und Fördergelder gesichert. Den Helikopter hat der Verein für diese Zeit gemietet.

Neben Kuno sorgt in der Bundesrepublik in Bad Doberan in der Nähe von Rostock (Mecklenburg-Vorpommern) ein weiterer Notarzteinsatzhubschrauber für den luftgestützten Notarzttransport. Der Helikopter wird dort seit rund 15 Jahren eingesetzt.