Die 28 Jahre alte Pakistanerin floh vor einer Zwangsehe und wechselte zum Christentum. In Ahrensburg sprach sie mit Schülern.

Ahrensburg. Alles an Sabatina strahlt Lebensfreude aus. Mit kraftvoller Stimme erzählt die hübsche junge Frau aus ihrem Leben. Von einer glücklichen Kindheit in Pakistan. Und einer schwierigen Jugend in Österreich. Wenn sie lacht - und sie lacht viel - wippen ihre langen schwarzen Locken. Sie schwärmt von der Bibel, von Enthaltsamkeit vor der Ehe. "Das ist richtig cool, find ich." Wieder ein Lachen, sie ist ein bisschen nervös. Sabatina James ist nicht ihr richtiger Name. Seit sie sich als 17-Jährige weigerte, ihren Cousin zu heiraten, wird sie von ihrer Familie bedroht. Zwei Jahre später konvertierte die zuvor gläubige Muslima zum Christentum. Das war ihr Todesurteil.

Seitdem lebt die heute 28-Jährige unter Polizeischutz, wechselt regelmäßig ihren Wohnort. Im nächsten Jahr wird es wohl wieder so weit sein. Seit drei Monaten lebt sie nun schon am selben Ort, den sie geheim hält. Ihr Bauchgefühl sage ihr, wann es Zeit sei, zu gehen, sagt sie. "Weibliche Intuition, echt gut, dass wir die haben, nicht?" Die Polizei habe ihr von öffentlichen Auftritten abgeraten. Zu gefährlich.

Trotzdem ist sie an diesem Tag hier. Im Forum der Ahrensburger Heimgartenschule spricht Sabatina vor etwa 250 Schülern der neunten und zehnten Klassen. Sie will Frauen, die wie sie zwangsverheiratet wurden, ein Gesicht geben. "Wer kein Gesicht hat, wird nicht gehört." Deshalb steht sie jetzt auf einem Podest und erzählt ihre Geschichte, die auch als Buch erschienen ist ("Sterben sollst du für dein Glück", Knaur Taschenbuch Verlag, 8,95 Euro).

Mit zehn Jahren zog Sabatina mit ihrer Familie von Pakistan nach Österreich. Die Probleme seien in der Pubertät gekommen, sagt sie. "Das kennt ihr ja alle." Doch bei ihr blieb es nicht bei Streitereien um Ausgehzeiten oder zu knappe Kleidung. Ihre Eltern wollten, dass aus ihr eine fügsame pakistanische Ehefrau würde. Sabatina hatte sich dagegen in der westlichen Welt eingelebt, wollte selbst über ihr Leben bestimmen. "Ich war zwischen zwei Stühlen, führte ein Doppelleben."

Als die Eltern merkten, wie ihre Tochter sich veränderte, trafen sie eine Entscheidung. Als 16-Jährige sollte Sabatina in Pakistan einen Cousin heiraten. Als sie sich weigerte, schickten ihre Eltern sie dort in eine Koranschule. "Ihr müsst euch mal vorstellen: Ich kam von H & M und McDonald's in diese Schule, wo wir jeden Tag den Koran lesen mussten. Auf die Straße durfte ich nur komplett verhüllt gehen. Das war schrecklich. Mit dem Niqab hatte ich kein Gesicht, niemand hat mit mir geredet." Erst als sie schließlich einer Verlobung mit ihrem Cousin zustimmte, durfte sie zurück nach Österreich, um die Schule zu beenden. Denn Bildung sei für die pakistanische Oberschicht durchaus wichtig, berichtet Sabatina. Auch für Frauen. "Aber ihre Ehemänner verbieten ihnen oft trotzdem, zu arbeiten." In Österreich drängten ihre Eltern, dass sie die Heiratsurkunde unterschreiben sollte. "Als ich das ablehnte, musste ich flüchten."

Sabatina floh vor den pakistanischen Wertvorstellungen und vor dem, was der Koran von ihr als Frau verlangte. Aber auch vor ihrer Familie. Das sei immer noch schmerzhaft für sie, sagt die junge Frau. Über einen Freund kam sie in dieser Zeit zum Christentum. Die Entscheidung, Christin zu werden, bedeutete endgültig den Bruch mit ihrer Familie. "Im islamischen Rechtssystem, der Scharia, steht auf den Glaubenswechsel die Todesstrafe", erklärt sie den Schülern. "Meine Eltern sagten mir: Innerhalb von zwei Wochen bist du wieder Muslima. Sonst bist du tot." Das war 2001. Seitdem hält sie sich versteckt.

"Ich weiß nicht, ob meine Familie mich tatsächlich töten würde. Aber ich muss täglich mit der Angst leben." Die größere Gefahr gehe mittlerweile von den Angehörigen der Mädchen aus, denen sie mit ihrem Verein "Sabatina" hilft. Für Frauen, die von Zwangsehen oder Ehrenmorden bedroht sind, organisiert der Verein zum Beispiel rechtlichen Beistand und Notunterkünfte.

Sie berichtet von einem 13-jährigen Mädchen, das in Syrien verheiratet wurde. "Von der Schule hat niemand nachgefragt, warum sie nicht mehr zum Unterricht komme." Auch sie erlebte solches Unverständnis, als sie sich aus Angst um ihr Leben vor Jahren an die Polizei wandte. "Der Polizist sagte mir, ich solle doch einfach wieder Muslima werden." Es könne sich kaum jemand vorstellen, wie ernst das islamische Recht von einigen hier lebenden Pakistanern genommen werde. Um die Gesellschaft für das Thema zu sensibilisieren, ist sie unermüdlich im Einsatz. "Der Verein ist meine Berufung. Kaum eine zwangsverheiratete Frau spricht über ihr Schicksal. Ich möchte diesen Frauen eine Stimme geben."

Sabatina ist im Fernsehen aufgetreten, hat im Bundestag gesprochen und war in Brüssel bei einer Fachkonferenz "Gewalt gegen Frauen". Von Kirche und Politik werde noch zu wenig für unterdrückte Frauen getan, sagt sie. Aus Angst vor dem Islam, meint sie. "Das darf nicht sein." Denn die Scharia verletze Menschenrechte. "Eine Zwangsehe ist wie eine Vergewaltigung auf Lebenszeit. Frauen, die sich weigern, werden gesteinigt, verbrannt oder lebendig begraben."

Der Auftritt in der Schule an diesem Tag ist Sabatina besonders wichtig. Sie kämpft dafür, dass Mädchen, die Hilfe brauchen, ernst genommen werden. "Und die Schüler sind die Lehrer, Polizisten und Richter von morgen." Eingeladen wurde die Buchautorin von Kathrin Peters, Lehrerin an der Gemeinschaftsschule. "Als Unesco-Projekt-Schule setzen wir uns für interkulturelle Bildung und eine Kultur des Friedens ein", sagt Peters. Menschen wie Sabatina zeigten, wie wichtig dieses Ziel sei. Nach dem Vortrag sind die Heimgartenschüler beeindruckt von Sabatina. "Es ist ein Wunder, wie stark sie trotz allem ist. Diese Frau muss man einfach bewundern", sagt Lysann, 14. "Sie war sehr glaubwürdig", sagt Silvan, 17. "Und sie hat ihr Lächeln nicht verloren." Ebru, 15, hat schon von Zwangsheiraten gehört. "Aber ich wusste nicht, dass manche Frauen sogar getötet werden."

Wie sie nach all den Erlebnissen noch die Kraft zum Weiterkämpfen habe, fragt eine Schülerin. "Meine Therapie ist mein Glaube", sagt Sabatina. Trotzdem frage sie sich manchmal, was passiert wäre, wenn sie den Cousin geheiratet hätte. "Vielleicht hätte ich dann noch eine Familie. Viele können das nicht verstehen - aber ich liebe meine Eltern noch immer." Ob sie auch etwas Positives vom Islam mitgenommen habe, will Silvan wissen. Sabatina nickt. "Großartig finde ich die Gastfreundschaft in der islamischen Gesellschaft und den Respekt gegenüber den Eltern und älteren Menschen", sagt sie. "Und die orientalischen Kofta natürlich."

Ihr Engagement will Sabatina James nicht als Angriff auf Muslime verstanden wissen. "Aber es ist wichtig, dass der Islam kritisch hinterfragt wird", sagt sie. Auf die Frage einer Schülerin, ob sie noch an Frauenrechte in islamischen Ländern glaube, antwortet sie: "Ich glaube, dass diese Länder durch die Muslime selbst reformiert werden müssen. Bildung ist dabei sehr wichtig." Und sie plädiert für Toleranz gegenüber anderen Kulturen. "Es ist wichtig, dass wir uns gemeinsam für Frieden engagieren - auch, wenn wir unterschiedliche Auffassungen haben." www.sabatina-ev.de

Wie der Integrationsbeauftragte Schleswig-Holsteins über das Thema Zwangsheirat denkt, lesen Sie in der Freitag-Ausgabe im Regionalteil Stormarn.