Serie zum neuen Flächennutzungsplan (2): Welche Herausforderungen die Verwaltung für die Stadt in den kommenden 15 Jahren sieht und warum die Bürger mitgestalten sollen

Ahrensburg. Fünf Jahre lang wurde verwaltet – künftig soll auch gestaltet werden. „Das ist die erste echte Bewährungsprobe in meiner ersten Amtszeit“, sagt Michael Sarach. „Bisher waren viele Altlasten aufzuarbeiten, jetzt wird es Zeit, nach vorn zu schauen.“ Ahrensburgs Bürgermeister spricht vom neuen Flächennutzungsplan, dessen Vorentwurf am Mittwoch in einer gemeinsamen Sitzung von Bau- und Planungs- sowie Umweltausschuss für die frühzeitige Beteiligung der Bürger und der Träger öffentlicher Belange freigegeben wurde.

Michael Sarach hofft, dass es spätestens 2016 den finalen Beschluss dafür geben wird, denn es sei höchste Zeit, konkret an der Zukunft der Stadt zu arbeiten: „Ahrensburg hat viele Jahre lang auf Veränderungen nur reagiert, statt selbst zu agieren“, sagt er und erinnert daran, dass der noch gültige Flächennutzungsplan mehr als 40 Jahre alt sei und dass es inzwischen bereits ungefähr 40 Planänderungen gegeben habe. „Wir haben mindestens zehn Jahre verloren.“ Der alte Plan sei von der Wirklichkeit überholt worden und hinke konkreten Projekten hinterher. „Der Druck wird aber immer stärker, das gilt für den Wohnungsmarkt wie für die Innenstadtentwicklung, die Gewerbeansiedlung und die Verkehrsplanung. Wir müssen aus dieser Phase schnell herauskommen.“ Der neue Flächennutzungsplan sei das richtige Instrument dafür.

Ulrich Kewersun, Leiter des Bauamts, und die Ahrensburger Stadtplanerinnen Andrea Becker und Juliette Schickel stimmen der Analyse ihres Chefs zu. Sie sind sich mit ihm auch darüber einig, dass die Stadt ein großes Entwicklungspotenzial habe, das es aber zu steuern gelte. „Ein wesentliches Problem in Ahrensburg ist die Klärung der Frage, wohin die Stadt will“, sagt Ulrich Kewersun. „Einige Ahrensburger möchten möglichst alles so behalten, wie es ist – andere stellen sich dem Entwicklungsdruck und befürworten Wachstum.“ Andrea Becker ergänzt: „Ahrensburg will eine familienfreundliche Stadt sein. Das klingt aber sehr abstrakt und sollte durch ein Leitbild präzisiert werden.“ Bürgermeister Sarach sieht drei übergeordnete Ziele: 1. moderates und qualifiziertes Wachstum. 2. die Infrastruktur eines starken Mittelzentrums. 3. eine weiterentwickelte Stadtstruktur und -identität.

Wie das im Einzelnen aussehen könnte, wurde seit 2007 in einer Zukunftswerkstatt mit verschiedensten Interessengruppen diskutiert und in dem 2010 von Politik und Verwaltung vorgelegten Integrierten Stadtentwicklungskonzept (ISEK) formuliert, das sozusagen eine Wunschvorstellung für den neuen Flächennutzungsplan ist, an dem seit 2011 von einem externen Planungsbüro gearbeitet wird. „Das ISEK ist eine Art Zieldefinition oder Absichtserklärung, wohin die Stadtentwicklung gehen soll. Daraus resultieren dann immer konkretere Planwerke“, sagt Stadtplanerin Andrea Becker.

Bürgermeister Sarach ergänzt: „Es geht um konkrete Konzepte. Und um Prognosen für die weitere Entwicklung, bei denen wir der Expertise von Fachleuten vertrauen müssen.“ Die Verwaltung habe die Aufgabe, die Entwicklung der Stadt bewusst zu steuern. „Nicht Zufälligkeiten dürfen Entscheidungen bestimmen, nicht Projekte wie die Alte Reitbahn oder der Lindenhof, wo wir hinterherlaufen – wir haben zuletzt oft zu wenig bestimmt, wohin es gehen soll.“ Wohin es gehen könnte, haben die Experten der Verwaltung im Gespräch skizziert.

Wohnen

Michael Sarach: „Ahrensburg liegt auf der Achse Hamburg-Lübeck an der Spitze. Was hier angeboten wird, ist sofort gefüllt. Die Preisentwicklung ist entsprechend: Am Erlenhof wurden 320 Euro pro Quadratmeter Bauland gezahlt, bei den Reihenhäusern am Buchenweg waren es im Jahr 2008 pro Quadratmeter noch 220 Euro. Wir müssen auch daran denken, dass der soziale Mix in unserer Stadt stimmt.“

Andrea Becker: „Bis 2030 werden mehr Familien nach Ahrensburg ziehen wollen. Wir müssen in diesem Zeitraum etwa 1000 neue Wohnungen schaffen.“

Ulrich Kewersun: „Für neuen Wohnraum gilt: Innen- vor Außenverdichtung. Zurzeit schaffen wir es nicht, die Wohnungen, die wir bräuchten, steuerbar entstehen zu lassen.“

Michael Sarach: „Dennoch sind wir in vielerlei Hinsicht gut aufgestellt, insbesondere beim Angebot für den Nachwuchs. Ahrensburg hat ein außerordentlich gutes schulisches Angebot, die Kinderbetreuung liegt über den gesetzlichen Vorgaben. Horte bauen wir intensiv weiter aus. Insgesamt ist das Gefüge stimmig.“

Verkehr

Ulrich Kewersun: „Ahrensburg hat 14.000 Einpendler und 7000 Auspendler. Verkehrsqualität hängt eng mit verbessertem Klima- und Lärmschutz zusammen. Wir müssen Flächen vor Ort entwickeln, damit Menschen, die hier arbeiten, hier auch wohnen können.“

Michael Sarach: „Jeder Pendler, den wir von der Straße nehmen, löst ein anderes Problem in der Stadt. Wir müssen möglichst schnell zu Lösungen kommen, weil wir schon jetzt Probleme haben. Ein Knotenpunkt wie die Lübecker Straße steht kurz vor dem Infarkt – und das verhindert auch weitere Nachfrage im Gewerblichen. In der Lübecker Straße haben wir täglich 27.000 Fahrzeuge gezählt – zum Vergleich: an der Südtangente, beim Braunen Hirsch sind es 7000. Die Nordumgehung muss kommen. Sie ist eine Lebensader der Stadt und deshalb existenziell wichtig für die weitere Entwicklung. Dort werden Gewerbegebiete angebunden, die der Stadt mehr als 20 Millionen Euro Steuern im Jahr bringen.“

Ulrich Kewersun: „Unser Verkehrskonzept hat drei Prioritäten. 1. Verkehrsvermeidung, 2. Ein kompaktes Stadtgebiet, das attraktiv für Radfahrer und Fußgänger ist. 3. Förderung des Öffentlichen Personennahverkehrs. Wir investieren zum Beispiel jährlich mehr als 300.000 Euro, um den innerstädtischen Busverkehr zu steigern.“

Andrea Becker: „Wohnen und Arbeiten muss kompakter zusammengesetzt werden. Wir brauchen gute, kurze Verbindungen. Zwei U-Bahnhöfe und zwei Regionalbahnhöfe sollten die beste Voraussetzung dafür sein, dass weniger Autofahrten nötig sind.“

Gewerbe

Andrea Becker: „Wir müssen Potenziale für Gewerbeflächen vorhalten, um auf Standortanfragen von Unternehmen rasch reagieren zu können.“

Michael Sarach: „Bei Gewerbeflächen und für neue Wohngebiete stehen die Investoren bei uns Schlange. Wir müssen also dringend entscheiden, welche Flächen wir neu entwickeln. Flächen, wo wir die Hand drauf haben, um gegebenenfalls auch kurzfristig wichtige, strategisch richtige Angebote machen zu können. Nehmen Sie den Wegzug von Boltze und Omnitrade. In beiden Fällen konnten wir nicht Flächen in der Größenordnung anbieten, die gebraucht wurde. So waren zwei gute Gewerbesteuerzahler ruckzuck weg. So etwas sollte nicht wieder passieren.“

Zentrum

Michael Sarach: „Unser Leitbild für die Innenstadt setzt auf eine zentrale Versorgungsstruktur. Wir wollen den Einzelhandel in der City schützen, nicht zuletzt dadurch, dass wir das Zentrum attraktiv gestalten. Mit Hilfe des Städtebauförderungsprogramms werden wir das denkmalgeschützte Rathaus sanieren, aber auch die Verbindung zum Schloss, also die historischen Achsen der Stadt, wieder stark betonen.“

Für den Bürgermeister und seine Experten ist klar, dass Ahrensburg sich in der entscheidenden Phase seiner Entwicklung für die kommenden 15 Jahre befindet. Und sie wissen auch, dass die Stadt der Zukunft am besten gelingen kann, wenn sich die Wünsche möglichst vieler Bürger in der Planung wiederfinden.

Der Schlüssel dazu ist möglichst breite Akzeptanz. „Wir haben seit dem Jahr 2000 eine Veränderung der Planungskultur mit Bürgereinbeziehung, Mediations- und Moderationsverfahren. Die Bürger werden mitgenommen“, sagt Stadtplanerin Andrea Becker. Bürgermeister Sarach ergänzt: „Das ist im Gegensatz zur alten Magistratsverfassung, nach der die Bürgermeister bestimmten, ein demokratischer Prozess, eine Aufgabe der kommunalen Selbstverwaltung, bei der professioneller Sachverstand auch durch externe Beratung einfließt.“

Deshalb durchläuft der Flächennutzungsplan mehrere Beteiligungsstufen, in denen sich einzelne Bürger, Interessengruppen, Institutionen und Nachbargemeinden am Diskussionsprozess beteiligen können. Die nächste Stufe steht mit der Auslegung des Vorentwurfs – vermutlich nach Ostern – und weiteren öffentlichen Debatten an. Michael Sarach: „Die Politik und wir wollen das gemeinsam vorantreiben. Es geht um konsensuale Lösungen, die wir in der Breite diskutieren, bevor wir Beschlüsse umsetzen. Um Ehrlichkeit gegenüber allen, die hier wohnen und denen wir Perspektiven für die Zukunft unserer Stadt aufzeigen.“