Führung der IHK zu Lübeck kritisiert: Mindestlohn und Rente mit 63 verfehlen ihr Ziel. Stormarn geht es aber gut

Ahrensburg/Lübeck. Stormarn steht aus Sicht der Industrie- und Handelskammer (IHK) zu Lübeck wirtschaftlich sehr gut da. „Für die nächsten Jahre wird das voraussichtlich auch so bleiben“, sagt Nils Thoralf Jarck, stellvertretender Hauptgeschäftsführer und Bereichsleiter Region mit Sitz in Ahrensburg. Das liege nicht zuletzt an der guten Wirtschaftspolitik im Kreis, die Gewerbegebietsansiedlungen wie etwa entlang der Autobahn 1 fördert. „An dem neuen Gebiet in Braak sieht man sehr gut, dass der Bedarf an weiteren Flächen da ist“, sagt Jarck. Insbesondere Hamburger Unternehmen expandierten häufig ins nahe gelegene Umland.

Mindestlohn verschärfe den Fachkräftemangel

Auch für die Region HanseBelt – grob umrissen das Gebiet zwischen Hamburg und Kopenhagen – zieht die Kammer eine positive Bilanz für das vergangene Jahr. „Trotz eines kleinen Konjunkturdämpfers im Herbst war 2014 durch eine höhere Binnennachfrage, ein gutes Weihnachtsgeschäft und viele Touristen an der Ostsee ein gutes Jahr“, sagt Friederike Kühn aus Bargteheide, Präses der IHK zu Lübeck. Zugute kämen der Wirtschaft in der Region auch der sinkende Ölpreis sowie das Auslandsgeschäft der IHK-Mitglieder. „Die berichten in einer aktuellen Konjunkturumfrage von vollen Auftragsbüchern und einer hohen Auslastung für die kommenden Monate.“

Trotz der guten Aussichten gibt es laut Kühn auch einige Unwägbarkeiten für die Wirtschaftstreibenden, denen sie durchaus mit Ängsten gegenüberstünden. Kritik übt die Kammer vor allem an den neuen Bundesgesetzen zum flächendeckenden Mindestlohn sowie zur Rente mit 63 . „Auf der einen Seite gehen den Unternehmen wertvolle Fachkräfte zu früh verloren. Auf der anderen Seite werden durch den Mindestlohn Einstiegshürden für Geringqualifizierte geschaffen.“ Für junge Menschen sei der Mindestlohn zudem ein Anreiz, auf eine Ausbildung zu verzichten und stattdessen ungelernt einen Job anzunehmen. „Das verschärft den Fachkräftemangel langfristig und schadet der Wirtschaft“, kritisiert IHK-Hauptgeschäftsführer Lars Schöning und fügt hinzu: „Die Politik hat den bisher eingeschlagenen Weg der Tarifautonomie ohne Notwendigkeit verlassen.“

Problematisch an dem Mindestlohn ist laut Nils Thoralf Jarck insbesondere die Umsetzung. „Das Gesetz gilt zwar seit dem 1. Januar, aber es gibt noch keine entsprechende Durchführungsverordnung.“ Das Thema treibe vor allem Branchen wie Einzelhandel, Gastronomie und Tourismus um. Sie haben viele geringfügig Beschäftigte, um saisonale Schwankungen abzufedern. „Die Unternehmer sind nun unsicher, weil sie nicht wissen, wie sie die Arbeitszeiten künftig dokumentieren sollen“, sagt der Geschäftsbereichsleiter in Ahrensburg. Außerdem werde der bürokratische Aufwand dafür sehr groß sein. „Auch Stormarner Unternehmer melden sich regelmäßig bei uns, weil sie unsicher in der Thematik sind.“

Einzelne Unternehmen im Bezirk der IHK zu Lübeck hätten bereits Konsequenzen gezogen. „Ein Apotheker im Kreis Herzogtum Lauenburg hat drei von fünf Minijobbern gekündigt, weil er nicht alle bezahlen kann“, sagt Jarck. Andere Unternehmer warteten noch ab. So wie Präses Friederike Kühn, die selbst eine Werbeagentur mit angegliedertem Lager- und Versandbetrieb in Bargteheide hat. „Ich kläre gerade mit Rechtsanwalt und Steuerberater ab, wie hoch der Aufwand ist. Wenn sich herausstellt, das es zu bürokratisch wird, müssen wir umstrukturieren und auf geringfügig Beschäftigte verzichten.“

Landesregierung und Kommunen sollen Bürokratie abbauen

Der Mindestlohn verfehle sein Ziel, sagt Kühn. „Es trifft diejenigen am härtesten, die eigentlich doch davon profitieren sollten.“ Zum Beispiel Frauen mit Kindern, denen dann 450 Euro in der Familienkasse fehlten. „Das Geld, das der Mindestlohn mehr kostet, muss zudem auch erst einmal verdient werden“, gibt die Unternehmerin zu bedenken. Das werde sich dann auch auf die Preise und somit auf den Verbraucher auswirken. So habe niemand etwas davon, sagt Jarck, wenn dank Mindestlohn zwar ein paar Euro mehr in der Tasche seien, aber alles teurer werde.

„Die Wirtschaft braucht eine verlässliche und langfristige Politik“, betont Präses Friederike Kühn. Gesetze wie der Mindestlohn und die Rente mit 63 Jahren wirken sich nach Ansicht der IHK negativ auf den Mittelstand aus. Hinzu kämen die wirtschaftliche Lage in Russland, die Ukraine-Krise, die Kriege im Nahen Osten und die Probleme im Euroraum, die Unsicherheiten für die Zukunft brächten.

Die Landesregierung und die Kommunen seien daher gefordert, Bürokratie abzubauen und ihre Haushalte zu konsolidieren. „Wir haben es satt, die Lücken in den Etats durch höhere Abgaben und einen höheren bürokratischen Aufwand stopfen zu müssen“, sagt Kühn. Aber auch ihre Mitglieder fordert die IHK auf, aktiv zu werden. Lars Schöning: „In den nächsten zehn Jahren suchen rund 7000 Firmen in Schleswig-Holstein einen Nachfolger. Inhaber müssen sich rechtzeitig darum kümmern.“