Katholische Gemeinde trotzt dem Trend. Jetzt wird sogar das Gotteshaus erweitert

Glinde. Kürzen, streichen, zusammenlegen, schließen: Vokabeln wie diese kennen Angestellte in kriselnden Unternehmen nur allzu gut. Und auch Mitglieder in Kirchengemeinden der großen Konfessionen. Weil vielerorts die Zahl derjenigen sinkt, die in die Kirche gehen, sich im Gemeindeleben engagieren und auch Kirchensteuern zahlen, ist in der Kirche ein Rückbau im Gange. Bereiche werden zusammengelegt, Stellen werden eingespart, Gotteshäuser werden entwidmet und verkauft. Die Kirche, so scheint es, muss sich auf eine eher triste Zukunft einstellen: Immer weniger immer ältere Menschen sitzen in immer leereren Kirchen.

Dass es auch anders geht, zeigt ein Beispiel aus Glinde. Die dortige katholische Gemeinde wächst stetig – tief im protestantischen Norden. „Wenn wir Gottesdienst feiern, ist die Kirche voll“, sagt Pfarrer Gerhard Gerding. Andere Gemeindemitglieder sagen gar, dass das Gotteshaus sonntags regelrecht aus allen Nähten platze. Deshalb wird die Kirche jetzt saniert und deutlich vergrößert. „Wir werden vor allem viele neue Stehplätze bekommen“, sagt Matthias Sacher, Mitglied des Kirchenvorstandes. Viele neue Stehplätze? Gibt es etwas, das die Gemeinde anders macht als andere? Und wenn ja – wie bekommt sie das hin?

„Die Gemeinde wächst, weil Glinde eine wachsende Kommune ist. Das spüren wir seit Jahren“, sagt Gerhard Gerding. Richtig ist: Die Stadt erfreut sich schon seit Jahrzehnten eines ungebrochenen Zustroms. Allerdings wachsen auch andere Kommunen in Stormarn kräftig, ohne dass sich das besonders positiv auf die Kirchen auswirkt. In Glinde kommt hinzu: Viele der Neubürger kommen aus katholischen Regionen. Davon profitiert die Gemeinde. „Wir haben besonders viele Mitglieder aus Polen und aus Portugal. Aber auch welche aus Lateinamerika und aus Ländern wie Togo, Nigeria, Syrien und dem Irak“, sagt die Gemeindereferentin Sarah Schulte.

Glinde hat eine eigene portugiesische katholische Gemeinde – eine von dreien in ganz Norddeutschland. „Die sind hier heimisch geworden. Sie feiern die Gottesdienste in unserer Kirche“, sagt Rudolf Zahn, Mitglied des Kirchenvorstandes. Ein junger brasilianischer Pfarrer halte die Gottesdienste auf Portugiesisch. Zahn ergänzt: „Wir haben auch schon Flüchtlings-Gottesdienste bei uns gefeiert.“

Dass Zuwanderer in einer Kirchengemeinde in Deutschland dauerhaft heimisch werden, ist nicht unbedingt selbstverständlich. Entscheidend ist, dass die Alteingesessenen offen sind – und das ist in Glinde offenbar der Fall. Aylin Rutz ist in Hamburg geboren und Mitglied in der Gemeinde, wie ihre Eltern, die aus Polen zugewandert sind. Sie sagt: „Meine Eltern waren gleich begeistert von der Gemeinde, weil da jeder herzlich aufgenommen wurde. Nationalitäten haben nie eine Rolle gespielt.“ Rudolf Zahn, der in Reinbek wohnt, aber vor 24 Jahren in die Glinder Gemeinde wechselte, sagt: „Da war Leben, Ansprache, menschliche Wärme.“

Matthias Gillner führt diese Offenheit auf die Geschichte der Glinder Gemeinde zurück, die unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg gegründet wurde, zunächst als Filialgemeinde von Hamburg-Billstedt. „Wir sind immer eine Migrantengemeinde gewesen. Zuerst kamen viele Menschen aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten, viele von ihnen waren Katholiken“, so Gillner, der Doktor der Theologie ist und als Dozent für Ethik arbeitet. Dann seien „Arbeitsnomaden“ gekommen – Menschen, die des Jobs wegen nach Hamburg kamen und im Umland heimisch wurden. Gillner zählt sich selbst dazu – er ist seit 1990 dabei und kommt aus dem stärker katholisch geprägten Hessen.

Schließlich seien immer mehr Menschen aus anderen Kulturen gekommen – die, so Gillner, machen die Gemeinde heute bunt und lebendig. Das präge auch die Gottesdienste: „Die Atmosphäre ist für norddeutsche Verhältnisse etwas wärmer, nahbarer als sonst“, sagt Matthias Sacher. Für Zustrom sorgt auch der kirchliche Kindergarten.

Für die besondere Geschichte der Gemeinde steht der Kirchenbau an der Möllner Landstraße 46. Er wurde in den Jahren 1949 und 1950 erbaut, aus dem Schutt der zerstörten Häuser. „Die Gemeindemitglieder haben damals selbst mit angepackt. So ein Gebäude gibt es kein zweites Mal in Stormarn“, sagt Gerhard Gerding.

Was ein Provisorium, eine „Notkirche“ sein sollte, blieb über Jahrzehnte. Nun soll es endlich erneuert werden: Das Gebäude wird nach einem Entwurf des Architekten Ulrich Hahn, der auch den Frankfurter Dom neu gestaltet hat, umgebaut. Die Kirche bekommt moderne Technik und zwei zusätzliche Seitenschiffe, außerdem neue Eingänge und ein großes Fenster im Giebeldach. Außerdem wird der Altar in die Mitte des Raumes verlagert. Ein Großteil der Altbausubstanz bleibt erhalten – darauf wird in Glinde großer Wert gelegt.