Ahrensburger Dirk Helms soll bei Vortrag gesagt haben, Alliierte hätten Gaskammern in Dachau im Nachhinein gebaut

Ahrensburg. Riesenwirbel in der europaskeptischen Partei AfD: Nachdem er sich in einem Vortrag geschichtsrevisionistisch geäußert hatte, musste Dirk Helms als einer von zwei Sprechern des AfD-Kreisverbandes Stormarn jetzt zurücktreten. Der Ahrensburger hatte laut einem Bericht der „Lübecker Nachrichten“ gesagt, dass im Konzentrationslager Dachau erst im Nachhinein von den Alliierten Gaskammern eingerichtet worden seien – um zu täuschen. Außerdem sei der Beginn des Zweiten Weltkrieges entgegen der Forschungsmeinung nicht von Hitler geplant gewesen. Helms verbreitete diese Thesen laut dem Zeitungsbericht auf einer AfD-Veranstaltung in Stockelsdorf, die den Titel „Deutsche Selbstwahrnehmung“ trug.

In der AfD schlagen die Wellen hoch, die Partei ist intensiv um Schadensbegrenzung bemüht. In einer gemeinsamen Erklärung distanzierten sich die AfD-Kreisverbände Ostholstein und Stormarn sowie der Landesverband „energisch von Aussagen, die die Verbrechen des Nationalsozialismus’ verharmlosen oder bagatellisieren“. Helms habe in dem Vortrag eine „persönliche Einzelmeinung“ kundgetan. Dieser wurde offenbar zu seinem Rücktritt gedrängt: „Der Landesvorstand hat ihn gestern aufgefordert, sein Amt niederzulegen“, sagt Peter Haacke, kommissarischer Geschäftsführer des Landesverbandes. Wie Landesverbandssprecher Jürgen Joost sagt, wurde ein Parteiordnungsverfahren eingeleitet. An dessen Ende könnte der Ausschluss aus der Partei stehen. „Ich persönlich hielte das auch für richtig“, sagt Peter Haacke.

Harald Redemann, nach Helms’ Rücktritt einziger Sprecher des AfD-Kreisverbandes Stormarn, nimmt Helms in Schutz. „Dr. Helms ist ein fantastischer Mann, der über jeden Zweifel erhaben ist, rechtsradikal zu sein“, sagt Redemann gegenüber dem Abendblatt über seinen ehemaligen Kollegen. Er habe ihn schon vorher gekannt, über die Parteiarbeit seien die beiden Freunde geworden. Zu Helms’ Einstellung sagt Redemann: „Er fand es immer unerträglich, dass bei den Nürnberger Prozessen immer nur von Deutschlands Kriegsschuld die Rede ist.“ Er, Redemann, sagt dazu: „Ich meine auch, dass in Nürnberg nicht absolutes Recht gesprochen wurde. Aber es ist müßig, aufzurechnen. Wir müssen uns unserer Vergangenheit stellen.“

Nach dem umstrittenen Vortrag habe er seinen Freund zur Rede gestellt. „Er sagte mir dann: Harald, das hat alles gar nicht in meinem Konzept gestanden. Ich habe mich ein bisschen provozieren lassen von einem jungen Mann, der in der ersten Reihe saß.“ Helms selbst verstehe nicht, wie er so habe abgleiten können. Redemann: „In der AfD will man jetzt Blut sehen“, die Mehrheit der Mitglieder sei „leider“ für einen Parteiausschluss.

Redemann betont, dass Dirk Helms zuvor nicht durch kritische Äußerungen auffällig geworden sei. „Er hat erst vor zwei Wochen in Siek einen ähnlichen Vortrag gehalten, der war sehr gut. Da war nicht das Geringste drin, was rechtsradikal war.“ Thema des Vortrags sei die „Deutsche Identität“ gewesen. Zum Inhalt des Vortrags sagt Redemann: „Es ging darum, dass wir nicht immer Kniefälle machen vor Verurteilungen, dass wir nicht Angst haben, zu unserem Land zu stehen.“ Die Geschichte der Nazizeit sei schlimm, aber es gebe auch eine davor. Der Vortrag sei laut Redemann „sehr gut“ gewesen und positiv aufgenommen worden.

Wie Redemann sagt, ist der Kreisverband Stormarn mit 110 Mitgliedern der zahlenmäßig stärkste in Schleswig-Holstein. Dass die Aufregung groß sei, könne er verstehen. „Ich möchte, dass das Parteiordnungsverfahren ergebnisoffen ist“, betont er. Er sagt auch, dass er E-Mails bekomme mit Inhalten wie: „Endlich mal einer, der den Mut hat, die Wahrheit auszusprechen“.

Peter Haacke sagt hingegen: „Ich bekomme sehr viele Anrufe von Mitgliedern, die sich über das Verhalten von Herrn Helms beschweren.“ Der Schaden für die Partei sei „sehr groß“. Deshalb wollte der Landesvorstand noch am Dienstagabend das weitere Vorgehen beraten. Wie Jürgen Joost sagt, habe sogar der AfD-Bundesvorstand Bernd Lucke gefordert, Helms aus der Partei auszuschließen.

Dirk Helms war gestern nicht für eine Stellungnahme zu erreichen. In einer schriftlichen Erklärung äußerte er sich zu seinem Rücktritt: „Ich tue dies mit großem Bedauern und um Schaden von der AfD abzuwenden.“ Er habe „explizit auf die Verbrechen der Nationalsozialisten hingewiesen“ und diese zu keinem Zeitpunkt geleugnet. Es sei nicht seine Absicht gewesen, Geschichte zu verfälschen. „Allerdings räume ich ein, dass ich während meines Vortrages über das Ziel hinausgeschossen bin und nicht auf die erforderliche Gewichtung geachtet habe.“ Die Themen Kriegsschuld und Konzentrationslager seien „von einer Komplexität, der ich nicht gerecht geworden bin.“