Zum Tag des offenen Denkmals zeigt die Kieler Oberkonservatorin Astrid Hansen, worauf Besucher im Verwaltungsgebäude achten sollten

Ahrensburg. Manchmal lohnt auch der Blick nach ganz unten, aufs scheinbar unwichtige Detail. Astrid Hansen deutet auf die Treppe, die von der ersten Etage ins Erdgeschoss des Ahrensburger Rathauses führt. Sie sagt: „Achten Sie auf den Übergang vom Marmor der Stufen zum Beton der Wand.“ Damit meint sie das schmale schwarze Zickzackband, das sich dezent parallel zum Treppenverlauf die Wand entlangzieht. Fast schwärmerisch sagt die Denkmalschützerin: „Das ist die sogenannte Schattenfuge, ein feines Detail, das hier angewendet wurde, um zwei sehr verschiedene Baumaterialien voneinander abzurücken. Dieser unauffällige und trotzdem optisch wirksame Effekt wurde bereits in den 40er-Jahren von Arne Jacobsen bei seinen dänischen Rathausbauten verwendet. Karl-Heinz Scheuermann hat dieses Stilmittel für seinen Entwurf aufgegriffen.“

Die exklusive Führung durchs Rathaus ist eine kleine Generalprobe. Denn Astrid Hansen wird auch an diesem Sonntag, dem Tag des offenen Denkmals den Blick der Besucher schärfen, damit sie erkennen, wie wertvoll das Ahrensburger Rathaus ist. Die promovierte Kunsthistorikerin ist Oberkonservatorin am Landesamt für Denkmalpflege, und sie hat eine besondere Beziehung zu diesem Haus: Hansen hatte 2013 ein erstes kunsthistorisches Gutachten zum Gebäude geschrieben und damit den weiteren Weg vorgezeichnet. Nach erbitterter öffentlicher Diskussion wurde das 1970 eröffnete Rathaus im Februar 2014 schließlich ins Denkmalbuch eingetragen.

Der Leitspruch dieses Sonntags der offenen Tür könnte lauten: Wir sehen nur, was wir wissen. Das gilt vor allem für jene Ahrensburger, die ihr Rathaus als verwitterten Betonklotz wahrnehmen und sein Innenleben nur vom eiligen Behördengang kennen. Dabei ist schon im Foyer viel zu sehen – und noch mehr zu lernen. „Die Bürger werden hier herrschaftlich empfangen. Die Zweigeschossigkeit des Entrees mit seiner umlaufenden Galerie ist ein Motiv aus der Schlossarchitektur“, erzählt Astrid Hansen.

In der Gestaltung und Ausstattung des lichten Raums mit seinem Marmorfußboden und den strukturierenden Säulen wird diese Attitüde konsequent fortgesetzt. „Auch der Kronleuchter ist ein klassisches Motiv der Schlossarchitektur“, sagt Hansen. Gerade an diesem besonderen Stück, eine Auftragsarbeit des Bauhaus-Schülers Wolfgang Tümpel, lässt sich die raffinierte Doppeldeutigkeit mancher Stilelemente im Rathaus erkennen. Die aufwendige Leuchte mit ihren mundgeblasenen Glaskugeln und Glasstäben, die wirkungsvoll das Licht brechen, ist für Hansen ein Mix aus Kronleuchter und Lichtskulptur – zitiert also die Wohnkultur des Adels und ist dennoch zeitgenössisch. Diese Ambivalenz ist Gestaltungsprinzip. Jeder Ahrensburger Bürger darf sich im Rathaus der Schlossstadt als Souverän von heute fühlen.

Ein anderes Leitmotiv des Architekten Karl-Heinz Scheuermann (1920–2002) sei, so sagt Hansen, der Werkbundgedanke mit seiner Vorstellung von Veredelung gewesen. Auch dies lässt sich allenthalben im Gebäude nachweisen, besonders eindrucksvoll aber im Magistratszimmer mit seiner kostbaren Palisandertäfelung. Wie sorgfältig die Furnierhölzer gesetzt wurden, ist am Fortlauf der Maserungen von der Wand auf Türen und Einbauschränken sichtbar. Für die Qualität von Material und Verarbeitung spricht der exzellente Zustand des Ganzen. Und auch hier kann sich Astrid Hansen für scheinbare Nebensächlichkeiten begeistern: „Schauen Sie sich das Stapelgeschirr in seiner einfachen Form mit dem schlichten grünen Streifen an. Das wurde an der Ulmer Hochschule für Gestaltung entworfen. Oder die Deckenleuchten von Louis Poulsen. Das ist alles aus dem gleichen Geist.“

Die Denkmalschützerin lobt die Konsequenz des Architekten Scheuermann, dessen Leitspruch lautete: „In der Einfachheit liegt die Wahrheit.“ Gemeint sind damit auch die durchgehende Form des Quadrats und die in vielen Bereichen dominierenden Schwarzweiß-Kontraste – beides geht in der Rasterung, die auch statisches Prinzip ist, eine überzeugende Verbindung ein. Das Gebäude sei quasi von Innen heraus gedacht worden, sagt Hansen.

Auch die Außengestaltung findet sie überzeugend, obwohl sich gerade hier die Kritik an der Denkmalwürdigkeit festmachte. Sie zeigt auf eine der weniger stark verschmutzten Waschbetonplatten, auf der gut die einzelnen Marmorkiesel aus Carrara erkennbar sind, und sagt: „Wenn das alles geputzt ist, wird es einen Aha-Effekt geben. Die Ahrensburger werden sagen: Das haben wir ja gar nicht gewusst, das sieht ja viel besser aus als vorher. Das war vor der Sanierung des Schlosses nicht anders.“