Ahrensburger Zwillinge Farzan und Farzin kamen 2006 aus dem Iran. Hier haben sie eine beachtliche Karriere gemacht

Ahrensburg. Neunzehn Jahre alt, mit der Schule fertig, den Kopf voller Pläne: Das klingt nach einem ganz gewöhnlichen Abiturienten. Farzan Ranjbar Mirzakhani ist neunzehn und hat gerade das Abitur hinter sich. Doch als gewöhnlich kann man den Deutsch-Iraner nicht beschreiben. „Ich bin stolz, dass ich trotz schwerer Situationen immer versucht habe, meine Träume zu erreichen“, so der junge Absolvent der Bargteheider Anne-Frank-Schule, der erst 2006 nach Deutschland kam. Während seiner Schullaufbahn wurde er von dem Schülerstipendienprogramm „Start“ gefördert, das engagierte Jugendliche mit Migrationshintergrund unterstützt.

Beworben hat sich Farzan in der zehnten Klasse. „Meine Lehrerin, Frau Kessler, kam mit dem Flyer auf mich zu und meinte, das wäre was für mich“, so Farzan. Die erste Bewerbung klappte nicht, doch schon im nächsten Schuljahr durfte er zum Vorstellungsgespräch. „Das war in Lübeck. Mein Bus hatte Verspätung, ich fand den Raum nicht und dann hat auch noch mein Handy währenddessen geklingelt“, erinnert sich Farzan lachend. Doch die Verantwortlichen von „Start“ hatte er schwer beeindruckt – und erhielt das Stipendium.

Neben finanzieller Unterstützung bekommen die Stipendiaten ein breites Angebot an Seminaren und Ausflügen zu verschiedensten Themen. Von Stadtexkursionen bis Präsentationstechniken – es gibt viele Möglichkeiten. „Da kam ich mir erst mal fremd vor. Ich dachte, da sind sicher viele eingebildet. Aber es war einfach toll und ich konnte viele Kontakte knüpfen.“

Der junge Deutsch-Iraner wirkt entspannt und zugleich voller Vorfreude auf seine berufliche Zukunft. Alles hat er vor sich. Hinter sich liegt eine Lebensgeschichte, die in Stormarn wohl nicht ganz so häufig vorkommt. Farzan lebte bis zu seinem elften Lebensjahr mit seiner Mutter Marzieh und seinem Zwillingsbruder Farzin in Teheran. Sein Vater war dort vier Jahre politischer Gefangener, bevor er 2005 für fünf Tage zu seiner Familie nach Hause durfte. „Man musste allein 20.000 Dollar zahlen, damit ein Richter das regelt“, so der Vater. „Und mein Haus musste ich als Pfand geben, damit ich wieder ins Gefängnis zurückkomme.“ Doch er hatte Angst um sein Leben und floh nach Deutschland, wo er zuerst in Düsseldorf landete und über verschiedene Stationen in die Unterkunftsstation für Asylsuchende der Ohlstedter Straße in Ammersbek kam. Die Familie in Teheran musste das Haus verlassen und zog vorerst in eine kleinere Wohnung.

Ein Jahr später fand der Vater eine Wohnung in Ahrensburg und die Familie konnte nachziehen. Das war 2006. „Nach einem Monat sind Farzin und ich schon auf die Schule gegangen“, erinnert sich Farzan. Zuerst gingen sie in die sechste Klasse der Hauptschule, denn sie konnten nach der kurzen Zeit noch kaum ein Wort Deutsch. „Nur in Mathe waren wir okay.“

Mit Hilfe einer Nachhilfelehrerin begannen die beiden Brüder in den Sommerferien, Deutsch zu lernen. „Wir haben das Buch ‚Die Kinder von Bullerbü‘ durchgearbeitet und alle Wörter unterstrichen, die wir nicht kannten.“ Wort für Wort schrieben sie alles auf Karteikarten, drei Stunden am Tag. Lernten es auswendig. Wiederholten. „Am Anfang waren die kompletten Seiten unterstrichen.“

Nach den Sommerferien kam die große Überraschung. „Auf einmal konnten wir alles verstehen“, erzählt er. „Alle waren total überrascht.“ Und die Leistungen explodierten: Von der Hauptschule direkt aufs Gymnasium kamen die beiden Brüder. „Die ersten Tage waren schon anstrengend“, so Farzan. „Das andere Niveau hat man gemerkt. Und zu Deutsch mussten wir dann auch noch Englisch und Latein lernen.“

Viele hätten vielleicht schon bei dieser Aufgabe klein beigegeben - nicht so die beiden Deutsch-Iraner. In der Europaschule Hamm in Hamburg konnten sie ihre Deutschkenntnisse so verbessern, dass sie bald auf die Anne-Frank-Schule in Bargteheide gingen und dort Noten im Einser- und Zweierbereich absahnten. Und damit nicht genug: Beide waren und sind auch neben der Schule äußerst engagiert.

„Mit zwei Schulfreunden und Farzin habe ich vor zwei Jahren eine Firma gegründet“, sagt Farzan stolz. „Visual Shape Studios“, so der Name. Die jungen Männer designen Kleidung, Graffitis und Webseiten. Farzan ist für die Webseitengestaltung zuständig. „Das Programmieren haben Farzin und ich uns selbst beigebracht, mit Tutorials im Internet“, sagt Farzan, als wäre es eine Kleinigkeit. Im Rahmen des Wettbewerbs „Jugend forscht“ entwickelten die cleveren Brüder zudem eine Tastatur, die beim Drücken der Tasten selbst Energie erzeugt. Nebenbei, natürlich.

Genauso „nebenbei“ war Farzan in zahlreichen anderen AGs und Vereinen aktiv. Mit der Samba AG seiner Schule traten er und sein Bruder in verschiedenen Städten auf. Im Ninjutsu lernte er Selbstverteidigung. Mit der Volleyball-Mannschaft der Schule spielte er bei Turnieren. Und auch Nachhilfe bot der Neunzehnjährige an, in Deutsch und Mathe. Wichtig ist ihm auch sein Ehrenamt als Bildungslotse der Arbeiterwohlfahrt. „Die Ausbildung habe ich bei einem Seminar des Start-Stipendiums abgeschlossen. Ich helfe Migranten beim Durchblicken des deutschen Schulsystems.“

Nun ist Farzan jedoch erst einmal fertig mit der Schule. Und das sehr erfolgreich: Sowohl er als auch sein Bruder Farzin erreichen im Abitur einen Schnitt von 1,8. Die beiden wollen danach gemeinsam an die Universität. „Wir wollen Informatik studieren“, sagt Farzin. Dazu bewerben sie sich bei der Studienstiftung des deutschen Volkes um ein weiteres Stipendium. Das Potenzial der beiden Überflieger-Brüder ist also noch lange nicht ausgeschöpft.