Modellprojekt in Bargteheide: Ausländische Kräfte sollen Personalmangel entschärfen und für kulturelle Vielfalt sorgen

Bargteheide. Deutschland steuert auf einen Fachkräftemangel zu. Insbesondere Gesundheitsberufe wie etwa die Altenpflege trifft es schon heute hart. Laut einer Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln sind zwischen September 2011 und August 2013 auf je 100 offene Stellen für Altenpfleger durchschnittlich nur 43 arbeitslos gemeldete Bewerber gekommen.

Und diese Situation wird sich in den kommenden Jahren massiv verschärfen. So wird die Zahl der Pflegebedürftigen insgesamt bis 2020 um etwa 40 Prozent steigen, wie das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend errechnet hat. Dabei wird der Anteil der älteren Menschen ebenfalls zunehmen. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung rechnet für 2025 mit einem Bedarf von 282.593 Vollzeitkräften in der Altenpflege. Das sind rund 98.000 Stellen mehr, als im Jahr 2009 nötig waren. Als eine mögliche Lösung wird deswegen immer häufiger über die Anwerbung von Arbeitskräften aus dem Ausland gesprochen.

Was die Politik seit Jahren diskutiert, wird in Stormarn jetzt umgesetzt. Das Seniorendorf Bargteheide nimmt als einer von neun Pflegebetrieben in Schleswig-Holstein am Modellprojekt „Willkommen Vielfalt“ teil. Initiatoren sind das Institut für berufliche Aus- und Fortbildung (IBAF) und die Arbeiterwohlfahrt (Awo) Schleswig-Holstein. Ihr Ziel ist, die Altenpflege für mehr junge Menschen mit Migrationshintergrund attraktiv zu machen. Die Robert-Bosch-Stiftung und das Ministerium für Soziales, Gesundheit, Familie und Gleichstellung des Landes Schleswig-Holstein fördern das auf drei Jahre angelegte Projekt.

„In interkulturellen Trainings für Leitung und Personal zeigen wir den Einrichtungen, wie die Zusammenarbeit mit Menschen aus unterschiedlichen Kulturen funktionieren kann“, sagt IBAF-Projektleiterin Antje Knossalla. Mit dem Vorhaben möchten die Verantwortlichen von IBAF und Awo Pflegeeinrichtungen wie das Seniorendorf Bargteheide dabei unterstützen, auf den personellen Notstand in der Altenpflege, aber auch auf den Arbeitsmarkt im Ausland reagieren zu können. Dafür beraten IBAF und Awo die Einrichtungen bei der Zielformulierung, organisieren Sprachkurse für Mitarbeiter und evaluieren die Erfahrungen am Ende des Projekts. „Die Ergebnisse veröffentlichen wir anschließend in Form von Infomaterial, Leitfäden und Verfahrensanweisungen, damit auch andere Pflegebetriebe damit arbeiten können“, sagt Knossalla.

Für das Seniorendorf ist die künftige Personalentwicklung in der Branche ein wichtiger Grund, sich für Mitarbeiter aus dem Ausland zu öffnen. „Aber wir werden in Zukunft auch mehr Bewohner mit anderen kulturellen Wurzeln zur Pflege haben. Sie werden ebenfalls von der Vielfalt unter den Pflegern profitieren“, sagt Beate Labs, Leiterin des Seniorendorfs Bargteheide. Das Ziel sei, die Bedürfnisse von jungen und alten Menschen mit Migrationshintergrund zusammenzubringen und eine neue Unternehmenskultur zu etablieren. Ein Konzept zur Anwerbung von jungen Arbeitskräften aus dem Ausland gebe es allerdings noch nicht. „Wir stehen erst am Anfang des Projekts. Jetzt gilt es verschiedene Maßnahmen umzusetzen und Konzepte zu entwickeln“, sagt Labs.

Schon jetzt sind Mitarbeiter aus 16Nationen im Seniorendorf beschäftigt. Sie kommen aus allen Ecken der Welt – etwa aus Bulgarien, Tunesien, Chile und Spanien. Unter ihnen ist auch Miriam Göttsch, 52, die von den Philippinen stammt. Ihr hätte solch ein Programm beim Einstieg in den Beruf geholfen, sagt sie. „Ich habe über mehrere Praktika, die ich mir selbst organisiert habe, in die Altenpflege gefunden. Die Arbeitsagentur hat mich nicht dabei unterstützt“, sagt Göttsch.

Die Altenpflegerin besuchte vor einigen Jahren ihre Familie in Deutschland und lernte dabei ihren heutigen Ehemann kennen. In Deutschland arbeitete sie zunächst als Buchhalterin, bis der Betrieb dichtmachte. „Ich wollte danach etwas anderes machen, mit Menschen arbeiten. Bis heute bereue ich diese Entscheidung nicht. Der Beruf macht mir sehr viel Spaß.“

Die Einrichtung könne von Mitarbeitern wie Göttsch lernen, indem sie deren Erfahrungen in den Entwicklungsprozess des Seniorendorfs einbeziehe, sagt Labs. „Durch ihr Feedback erfahren wir, wo noch Verbesserungsbedarf ist.“

Dass Altenpflege ein erfüllender Beruf mit Aufstiegschancen ist, will die Bargteheider Einrichtung auch am 27. März beim Boys’ und Girls’ Days zeigen. Jungen und Mädchen der Klassen fünf bis zehn können dann die verschiedenen Aspekte der Altenpflege kennenlernen. „Die Kinder sollen sehen, dass Altenpflege mehr ist, als Menschen zu waschen“, betont Leiterin Labs. An dem Tag probieren Kinder unter anderem spielerisch aus, wie es ist, älter zu werden und nicht mehr so mobil zu sein. Labs: „Wir wollen ihnen außerdem vermitteln, dass dieser Beruf krisensicher ist. Die Branche wird künftig weiter wachsen.“