Bank-Geheimnisse: Wir treffen Menschen aus Stormarn auf ihrer Lieblingsbank. Heute: Autor Karl-Heinz Föste.

Siek. Es presste ihn in den Autositz. So heftig war der Schmerz. Karl-Heinz Föste war auf dem Weg nach Hause, nach einer Besprechung mit dem Landrat über die Ansiedlung des Lidl-Zentrallagers. Auch andere Lidl-Gegner waren dabei gewesen. Kalter Schweiß trat dem Sieker auf die Stirn. Das war wohl doch ein bisschen stressig gewesen, dachte er und hielt still, bis der Anfall vorüber war. Der Schmerz in der Brust sei nur das Herunterfahren einer Grundanspannung. Mehr nicht. So versuchte er, die Panik in den Griff zu bekommen und täuschte sich damit über eine gefährliche Wahrheit hinweg: Es war sein erster Herzinfarkt.

Zwei weitere kleine Infarkte folgten. "Das wurde erst Jahre später bei der Kernspin-Untersuchung festgestellt", sagt der heute 54-Jährige, der gern auf der Bank im Garten vor den Sieker Wohnblocks sitzt und beim Blick über die Wiesen unweigerlich auf das Lidl-Zentrallager sieht.

Nichts ist mehr so wie damals bei der Rückfahrt aus Bad Oldesloe: Lidl hat sich in Siek angesiedelt. Und Karl-Heinz Föste hat eine Bypass-Operation überstanden, seinen politischen Kampf eingestellt und ist nicht mehr Gemeindevertreter - alles seinem Herz zuliebe. Aufgegeben hat er nicht. Er hat seine Leidensgeschichte aufgeschrieben. Nicht um zu jammern, sondern um anderen Mut zu machen und einen Ratgeber an die Hand zu geben.

"Herz, was willst Du mehr", ist der bisherige Arbeitstitel des Buches, dass Karl-Heinz Föste zusammen mit dem Ahrensburger Kardiologen Dr. Hanno Schnoor und dem Arzt und Diplom-Psychologen Dr. Dr. Reinhard J. Boerner schreibt. Der eine hat ihn behandelt. Der andere ist ein Freund aus Studententagen. Der Autor fühlt sich gut aufgehoben in diesem Team. Das ist wichtig. Denn eigentlich wollte er über sein krankes Herz gar nicht schreiben.

"Föste. "Aber dann habe ich erfahren, wie viele Menschen von der koronaren Herzkrankheit betroffen sind."

Die Zahlen sind alarmierend. Laut der Deutschen Herzstiftung sind es 1,5 Millionen Menschen. Rund 280.000 erleiden einen Herzinfarkt. Föste: "Und für rund 52.000 Menschen endet er tödlich, jedes Jahr."

Oft hilft nur noch ein Bypass, eine Operation am offenen Herzen. Der Brustkorb wird geöffnet, der Patient an eine Herz-Lunge-Maschine angeschlossen, während der Arzt dem Körper an einer anderen Stelle eine Vene oder Arterie entnimmt, um das geschlossene Herzkranzgefäß zu überbrücken. "Vier Stunden hat die Operation bei mir gedauert", sagt der Sieker, einer von 50.000 Menschen, die in Deutschland jedes Jahr einen Bypass bekommen. "Das zeigt, dass breite Bevölkerungsgruppen betroffen beziehungsweise bereits unerkannt erkrankt sind", schreibt Föste in seinem Exposé für das Buch, das im nächsten Frühjahr bei Kösel/Randomhouse erscheinen wird. Er schreibt das aus Erfahrung. Seine Krankheit wurde nicht erkannt. "Ein Stormarner Arzt hat zu mir gesagt: Keine Sorge. Das ist nur ein eingeklemmter Rückennerv. Glauben Sie mir."

Karl-Heinz Föste glaubte ihm nicht. Zum Glück. Er ging zum Kardiologen. Eine umfangreiche Diagnostik und Herzkatheter-Untersuchungen brachten ans Licht, dass es zwei Engstellen an seinem Herzen gab. Die Werte verschlechterten sich innerhalb von Monaten. Bald war die eine Stelle zu 70 Prozent verschlossen, die andere zu 90 Prozent. Der Sieker bekam zwei Stents. Metallröhrchen, die in die Adern geschoben werden, um sie zu öffnen.

"Aber die Beschwerden kamen wieder", sagt Föste, der auf seiner Lieblingsbank sitzt, während die Ameisen über den Holztisch krabbeln und Tauben in den Ästen gurren. Er erzählt ruhig. Im Inneren sieht es anders aus. Das ist ihm anzumerken. Aber auch, dass er versucht, seine Gefühle unter Kontrolle zu bekommen und positiv zu denken.

Ein dritter Stent wurde eingesetzt. Föste: "Jetzt muss es gut sein, dachte ich. Und dann bekam ich wieder Beschwerden, ganz massiv."

Er erinnert sich genau. Es gab eine weitere Katheter-Untersuchung. Die Ärztin reagierte sofort. " Ich wurde von der Praxis direkt mit Blaulicht in Universitäts-Krankenhaus nach Hamburg-Eppendorf gebracht und noch nachts operiert. Ich bin dem Tod von der Schippe gesprungen." Das war am 1. Oktober. Der 50. Geburtstag war gerade vorbei. Aus der geplanten großen Feier wurde nichts.

"Bei der Bypass-Operation fällt die Lunge zusammen. Ich hatte danach nur noch 15 Prozent Luftvolumen", sagt Föste. "Selbst das Sprechen fiel mir schwer. Als ich am Morgen nach der Operation meine Frau von der Klinik aus anrief, ließ ich vor Erschöpfung zwischendurch den Hörer auf die Brust sinken. Meine Frau war entsetzt und kam sofort nach Eppendorf angereist."

Nach der Operation folgten fünf Wochen Reha in der Curschmann-Klinik in Timmendorf. Der Sieker weiß auch noch, dass die Sonne an der Ostsee schien. "Es wäre so schön gewesen, wenn ich dort einfach nur Urlaub gemacht hätte." Davon war er weit entfernt. "Das reißt einen total aus dem Leben. Ich war mit 50 Jahren entkräftet wie ein alter Mann." Als ihn seine Kinder ermattet auf einer Bank sitzen sahen, seien sie auf ihn zugerannt. "Da merkte ich, unter welchen Druck auch sie die ganze Zeit gestanden hatten."

Noch heute spürt er die Folgen. Mit einer Einkaufstüte die Treppe hoch zu seiner Wohnung, und schon sei er außer Atem. "Dann ist es wichtig, ruhig zu bleiben. Sonst macht die Angst alles noch schlimmer", sagt der 54-Jährige. Das Schreiben hat geholfen. Das Gute: Das Schreiben war vorher da. "Mit 37 ist es passiert", sagt Karl-Heinz Föste. Damals wurde seine Tochter geboren, und der junge Vater besann sich auf ein Märchen, das er sich schon als Kind ausgedacht hatte. Er schrieb es um zu einem Wikingerroman. "Meine Tochter war es auch, die mich immer wieder angestoßen hat, das Herzbuch zu schreiben. So schließt sich für mich der Kreis."

Aber Karl-Heinz Föste schreibt auch andere Dinge. Nach den Märchen folgte eine Glossen-Sammlung unter dem Titel "Väterfreuden". Da finden sich so nette Stücke wie "Deutschland sucht den Superpa'". Föste nahm auch am Abendblatt-Wettbewerb "Stormarn schreibt ein Buch" teil und verfasste Kurzgeschichten. Eine davon erscheint am 20. August in Margot Käßmanns neuem Buch "Starke Sätze". Und im Internet kann man "Einen Mord frei" von ihm bekommen, einen Kurzkrimi. Na gut, nicht ganz frei, für 1,85 Euro pro Download.

Sein Herz-Ratgeber wird im Frühjahr erscheinen. Und er selbst? "Die Angst bleibt. Ich muss lernen, damit umzugehen. Aber ich halte es mit dem gläubigen Fatalismus meiner Mutter: Es ist noch immer alles jut gegangen."