Serie: Jeden Sonnabend stellen wir einen Verein und dessen Mitglieder vor. Heute: Der Allgemeine Deutsche Fahrradclub in Bad Oldesloe.

Wer mittwochs um kurz vor 18 Uhr auf dem Oldesloer Bahnhofsvorplatz unterwegs ist, kennt die vielen Radfahrer, die sich dort mit lautem Hallo und Geklingel begrüßen. Es ist kaum überseh- und in keinem Fall überhörbar: Die ADFC-Ortsgruppe Bad Oldesloe startet gleich wieder eine ihrer beliebten Feierabend-Touren. Mitten drin und gut erkennbar an ihren reflektierenden Westen stehen die Tourenleiter Peter Sommer, Jürgen Schymik und Anja Yüksel. Sommer, der auch gleichzeitig stellvertretender Vorsitzender des ADFC-Kreisverbands Stormarn ist, fällt außerdem durch seinen außergewöhnlichen Drahtesel auf. Der 56-Jährige fährt ein schnittiges Liegerad. Doch zur Teilnahme an den Touren ist ein solches Spezialrad keine Voraussetzung. Mitmachen dürfen alle, die Lust auf eine gut geführte Radtour und Spaß am gemeinsamen Erkunden ihrer Umgebung haben. Und das kostenlos, ohne Anmeldung oder Altersbegrenzung.

"Warum soll ich zu Hause herumsitzen? Ist doch gut, wenn man mal rauskommt", antwortet ein 71-jähriger Teilnehmer auf die Frage, warum er hier ist. Seit sieben Jahren schwingt er sich jeden Mittwoch mit anderen Gleichgesinnten in den Sattel. "An besonders schönen Tagen waren wir auch schon 35 Leute", erzählt Peter Sommer. Wenn Wind und Regen die Ausfahrt zu vermasseln drohten, befürchtete der Tourenleiter schon oft, zur üblichen Abfahrtszeit ganz allein auf dem Bahnhofsvorplatz zu stehen. "Aber das ist nie passiert. Es waren immer mindestens vier Teilnehmer da und wir haben uns, gut einpackt in Regenmontur, auf den Weg gemacht."

Seit elf Jahren ist Peter Sommer Mitglied im Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club und genau so lange Radfahrer aus Leidenschaft. Wobei das nicht ganz korrekt ist: Hielte man sich exakt an die neue, geschlechtsneutral formulierte Straßenverkehrsordnung, müsste Sommer als "der aus Leidenschaft Rad Fahrende" bezeichnet werden. In beiden Fällen ist die Leidenschaft jedenfalls der Antrieb, der den 56-Jährigen fast jeden Tag auf sein Zweirad steigen lässt. Warum er Tourenleiter geworden ist? "Ich engagiere mich gern für sinnvolle Dinge. Und das Radfahren macht in meinen Augen gleich doppelten Sinn: Es ist gut für die Umwelt und gut für die Seele." Und es hält den Körper in Schuss.

Peter Sommer ist durchtrainiert und sonnengebräunt. Kein Wunder bei den rund 6000 Kilometern, die der Qualitätsmanager in seiner Freizeit jährlich auf seinem Liegerad zurücklegt. Wer so viel auf der Straße unterwegs ist, weiß auch, wo es Probleme gibt. "Fahrradfahrer werden oft nicht als vollwertige Verkehrsteilnehmer betrachtet. Das bringt uns häufig in große Gefahr", stellt Sommer fest. Dabei gibt er die Schuld - wie manche Radler das gern machen - nicht allein den Autofahrern. "Leider gibt es immer noch viel zu viele Chaoten auf dem Rad, die sich weder an Vorfahrtsregeln halten, noch rote Ampeln beachten. Die versauen uns echt den Ruf." Daran will die Ortsgruppe Bad Oldesloe arbeiten. Vor allem setzt sie sich, wie die anderen ADFC-Vertretungen in mehr als 450 deutschen Städten für die Verkehrssicherheit der Fahrradfahrer ein. "Wir begutachten zum Beispiel Gefahrenquellen wie unübersichtliche Kreuzungen, fehlende Beschilderungen oder vernachlässigte Radwege und sorgen dafür, dass es dort Verbesserungen gibt", sagt Peter Sommer.

Die Infrastruktur in Stormarn fahrradfreundlicher zu machen und damit die Unfallgefahr für alle Beteiligten zu senken, das sei eine der wichtigsten Zielsetzungen des ADFC. 1979 von dem Bremer Verkehrsberater Jan Tebbe gegründet, hat der Fahrradclub inzwischen mehr als 130.000 Mitglieder bundesweit und spielt auf allen politischen Ebenen eine wichtige Rolle. Als anerkannter Träger öffentlicher Belange wird er zum Beispiel bei bestimmten Bauvorhaben einbezogen und angehört. Von der Radschule für Erwachsene über Aktionen wie "Mit dem Rad zur Arbeit" oder dem Fahrradklima-Test - im Mittelpunkt der Kampagnen steht immer die Förderung der sogenannten sanften Mobilität.

"Radfahren hat - neben seiner Umweltfreundlichkeit - unglaublich viele positive Nebeneffekte", ist Peter Sommer überzeugt. "Es macht den Kopf frei und lässt uns der Natur ein Stückchen näher sein. So sieht für mich die beste Stressbewältigung aus." Mit ihren regelmäßigen, geführten Ausfahrten wollen die Oldesloer ADFCler den Teilnehmern vor allem den Spaß am Radfahren vermitteln. Und das schaffen sie auch. Besonders bei den Mittwochstouren, die zwischen 20 und 30 Kilometer lang sind, wird viel geredet und gelacht. Trotzdem sind alle aufmerksam und halten sich an die Anweisungen der Tourenleiter. Während Sommer ganz vorn fährt und die Richtung bestimmt, hält Jürgen Schymik, seit 2005 im Oldesloer ADFC-Team, als Schlusslicht die Gruppe zusammen und sorgt dafür, dass keiner verloren geht. Anja Yüksel fährt im Mittelfeld. Die Oldesloerin ist neben ihrem Engagement beim ADFC auch in der Oldesloer Jugend-Umwelt-Projektwerkstatt (JUP) aktiv. Mit anderen Stormarner Bürgern rief sie dort vor über einem Jahr das Projekt "Fahrräder für Flüchtlinge" ins Leben.

Der ADFC unterstützte sie dabei mit großzügigen Spenden für Ersatzteile. Yüksel: "Wir haben kaputte Fahrräder gemeinsam repariert und wieder instand gesetzt. Und jetzt können Menschen, die vorher von unserer Gesellschaft total ausgeschlossen waren, an den Touren teilnehmen und Kontakte knüpfen."

Dass Fahrradfahren verbindet und ein schönes Gemeinschaftserlebnis ist, davon ist Peter Sommer überzeugt. Deshalb haben sich die Tourenleiter auch für Zugereiste und interessierte Einwohner von Bad Oldesloe etwas Besonderes überlegt: Die sogenannte "ADFC-Neubürgertour". Etwa zwei Stunden lang wird zuerst vom Fahrradsattel aus die nähere Umgebung der Kreisstadt erkundet. Danach geht es bei einer einstündigen Stadtführung zu Fuß weiter. "Bei einem Spaziergang oder per Rad nimmt man die neuen Eindrücke viel intensiver in sich auf."

Für den gebürtigen Kölner gibt es keine schönere Art, als sich mit dem Fahrrad fortzubewegen. "Und jung hält es auch. Der älteste Teilnehmer unserer Touren war 91. Den musste ich immer zurückpfeifen, weil er mich ständig überholt hat. Ich war ihm viel zu langsam."

Hat der sattelfeste Oldesloer denn auch ein Geheimrezept gegen Muskelkater? "Ich nehme Schüssler Salze, um den Mineralhaushalt wieder auszugleichen. Ich empfehle aber allen, sich vor der Einnahme von jemandem beraten zu lassen, der sich damit auskennt. Erst dann macht das auch wirklich Sinn." Ansonsten hilft natürlich regelmäßige Bewegung gegen das Zwicken in Armen, Hintern und Oberschenkeln. Am besten auf dem Rad. Die Feierabend-Tour für nächsten Mittwoch, den 22. Mai 2013, steht schon: Unter dem Motto "Die hebbt wie fast vergeten" geht es 18 Kilometer über Blumendorf, Grabau, Glinde 2 und Wolkenwehe. Start und Ziel ist der Bahnhofsvorplatz in Bad Oldesloe. Abfahrt 18 Uhr. Gute Fahrt!

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