Friederike Kühn, Inhaberin einer Werbeagentur, setzt sich klar gegen Mitbewerber Lutz Kleinfeldt aus Lübeck durch.

Bargteheide/Lübeck. Als Friederike Kühn spät am Dienstagabend in ihr Haus am Bargteheider Stadtrand zurückkehrte, waren dort bereits zahlreiche Blumengrüße abgegeben worden. "Ein wahres Blütenmeer", sagt sie und strahlt, "das war schön." Die Nachricht hatte sich in der Stadt wie ein Lauffeuer verbreitet: Nur wenige Stunden zuvor war Kühn, Inhaberin der Werbeagentur MWS, zur Präses der Industrie- und Handelskammer (IHK) zu Lübeck gewählt worden. Die 50-Jährige ist die erste Frau in der bis 1853 zurückreichenden Kammergeschichte, die dieses Amt bekleidet. Sie folgt auf Hansapark-Chef Christoph Andreas Leicht, der nicht für eine zweite dreijährige Amtszeit kandidiert hatte.

Das Votum der Vollversammlung, quasi das Parlament der IHK, ist deutlich: 30 Stimmen für Kühn, 19 für ihren Mitbewerber Lutz Kleinfeldt, eine Enthaltung, ein ungültiger Stimmzettel. Die Kandidatur Kleinfeldts hatte im Vorwege der Wahl Stoff für eine kammerinterne Kontroverse geliefert. Der 52 Jahre alte Chef eines Lübecker Wachdienstes ist der Schwager des IHK-Hauptgeschäftsführers Matthias Schulz-Kleinfeldt. Legislative und Exekutive einer Körperschaft öffentlichen Rechts in einer Familie vereint - das schien vielen Kammermitgliedern eine zumindest in ihrer Außenwirkung unglückliche Konstellation zu sein (das Abendblatt berichtete).

Entsprechend angespannt sei die Stimmung in der entscheidenden Sitzung am Dienstagabend zunächst gewesen, berichtet ein Teilnehmer der Runde. Und ergänzt: "Nach der Wahl ist sie dann plötzlich ins Positive umgeschlagen." Die Erleichterung über das Wahlergebnis, sagt er, sei bei vielen Mitgliedern der Vollversammlung groß.

"Ich freue mich, dass die Vollversammlung mir das Vertrauen geschenkt hat", sagt Kühn selbst. "Ich möchte dazu beitragen, die Region fit zu machen für die Zukunft. Die Unternehmer in unserem Kammerbezirk wünschen sich, dass die IHK mehr als bisher zum Motor der Entwicklung unserer Wirtschaftsregion wird." Sie spricht von "besten Voraussetzungen, diesen Erwartungen gerecht zu werden".

Ein Thema, das ihr besonders am Herzen liegt: die Zusammenarbeit über die Landesgrenze hinweg mit der Hamburger Handelskammer, einst ganz oben auf der Agenda der IHK zu Lübeck. In den vergangenen Jahren ist es stiller geworden um dieses Thema. "Wir müssen die Zusammenarbeit mit Hamburg wieder deutlich aktiver gestalten", sagt Kühn. "Denn es gibt eine Landesgrenze und auch eine IHK-Grenze. Aber für Unternehmer gibt es diese Grenze nicht." Ob es um Infrastrukturprojekte wie die geplante S 4 gehe oder um die Frage, wie Fachkräfte für die Region gewonnen werden können - die Herausforderungen seien beiderseits der Landesgrenze dieselben.

Vor diesem Hintergrund begrüßt Friederike Kühn die Ankündigung des Hauptgeschäftsführers der Handelskammer Hamburg, Prof. Hans-Jörg Schmidt-Trenz, dass die rein staatliche Zusammenarbeit der Städte und Gemeinden in der Metropolregion Hamburg in Kürze um die Wirtschaft erweitert werden solle. Noch in diesem Frühjahr wollten Industrie- und Handelskammern, Handwerkskammern und Gewerkschaften aus der Region dazu einen Verein namens "Initiative pro Metropolregion Hamburg" gründen (das Abendblatt berichtete). Kühn: "Da sprechen wir eine Sprache." Schnell werde sie nun das persönliche Gespräch mit Schmidt-Trenz und mit den Verantwortlichen der anderen benachbarten Kammern suchen.

Das neue Ehrenamt ist zeitintensiv, dessen ist sich die neue Präses bewusst. Doch die Unternehmerin scheut die zusätzliche Arbeit nicht. "Das ist alles nur eine Frage der Organisation", sagt sie. In ihrer Full-Service-Agentur, die auf Werbung im Gesundheitswesen spezialisiert ist, wird ihr künftig stärker als bisher Ehemann Thomas, 49, den Rücken freihalten. Und mit Ehrenämtern, auch in der Kammer, kennt sich Friederike Kühn bestens aus. Schon seit 2004 gehört sie der Vollversammlung der IHK an, seit 2010 hat sie als Vizepräses im Präsidium mitgearbeitet. Darüber hinaus gehört sie zu den Gründungsmitgliedern des Berufsverbands Hanse Unternehmerinnen und hat - selbst Mutter eines kleinen Sohnes - die Stiftung Beruf und Familie Stormarn mit aus der Taufe gehoben. Für Kühn ist all das keine Last, sondern eine Selbstverständlichkeit: "Unternehmertum und Engagement gehören einfach zusammen."

Dass sie in der 160-jährigen Geschichte der IHK zu Lübeck nun die erste Frau an der Kammerspitze ist, erfüllt sie auch ein wenig mit Stolz. "Vor dem Hintergrund der gerade geführten Diskussion um Frauenquoten ist das schon ein Signal, dass sich diese hanseatisch geprägte Kammer für eine Frau entschieden hat", sagt sie. Und fügt zufrieden hinzu: "Da ist die IHK zu Lübeck wieder mal Vorreiter."