Der Fußballprofi besucht den 20-jährigen Nico, der vor vier Jahren vom Parkhaus Alter Lokschuppen in Ahrensburg gestürzt war.

Ahrensburg. Auf dem Tisch im Wohnzimmer stehen Kekse, eine Kanne Tee und eine Flasche Mineralwasser. Daneben sitzt Nico in seinem Rollstuhl. Der 20-Jährige trägt ein Deutschlandtrikot. Seine Augen strahlen vor Vorfreude - und das aus gutem Grund: Der HSV-Star Dennis Aogo hat angekündigt, ihn an diesem Tag besuchen zu kommen. Der Fußballprofi ist über den Lions Club Großhansdorf auf das Schicksal des Jungen aufmerksam geworden, der vor vier Jahren vom Parkhaus Alter Lokschuppen in Ahrensburg stürzte und seitdem behindert ist.

"Ich habe sofort gefragt, was ich machen kann, um Nico zu helfen", sagt Dennis Aogo, als er wenig später bei Nico und dessen Familie im Wohnzimmer sitzt. Schließlich sei ihm die Idee gekommen, dem sportbegeisterten Jungen einen Stadionbesuch beim HSV zu ermöglichen. Gestern beim Derby gegen Werder Bremen sollte es soweit sein.

Doch das Vorhaben musste kurzfristig abgesagt werden, denn Nico erlitt in der vergangenen Woche einen schweren epileptischen Anfall. "Die bekommt er leider immer wieder. Sie sind lebensbedrohlich", sagt seine Mutter Angela Meyer. "Ich habe jedes Mal Angst, ihn zu verlieren." Auch wenn es dem Jungen inzwischen wieder besser geht, ist er an diesem Wochenende noch nicht fit genug, um bei den niedrigen Temperaturen im Stadion auszuharren.

Als Dennis Aogo die Nachricht hörte, entschloss er sich spontan dazu, den Jungen zu Hause zu besuchen. "Ich wollte ihn gern mal kennenlernen", sagt der 26-Jährige. "Denn mir ist bewusst, dass so ein schwerer Unfall jedem passieren kann. Nico ist ein Beispiel für andere, denen etwas Ähnliches widerfahren ist." Angela Meyer berichtet dem Fußballer von Nicos schwerem Kampf zurück ins Leben, den schlechten Prognosen der Ärzte zu Beginn und von den Fortschritten, die Nico inzwischen täglich macht. "Er kann sehr gut mit seiner linken Hand und seinem linken Bein arbeiten. Das ist seine starke Seite", sagt Meyer. "Also wie bei mir", sagt Linksfuß Dennis Aogo und lacht. Auch Nico stimmt mit ein.

Dann ist er an der Reihe. Der 20-Jährige kann seit seinem Unfall nicht mehr sprechen - mit einer Ausnahme: Das Wort Nein hat er inzwischen wieder gelernt. Sonst kommuniziert Nico über sein linkes Bein. Wenn er damit nach oben und unten wippt, bedeutet das "Ja". Für ein "Nein" bewegt er das Bein nach rechts und links. Mit Hilfe seiner Mutter hat er sich auf diese Weise auch Fragen für Dennis Aogo überlegt. "Ich habe ihm verschiedene Vorschläge gemacht, und er hat mir zu verstehen gegeben, ob ich die Frage stellen soll oder nicht", erklärt Meyer und holt einen Zettel mit Notizen hervor.

Nico möchte wissen, ob der Fußballprofi eine Freundin hat und ob er zu Hause in HSV-Bettwäsche schläft. Dennis Aogo verneint beides. "Ich bin seit einem Jahr getrennt, und wenn ich in HSV-Bettwäsche schlafen würde, dann würde ich wohl auch nie mehr eine Freundin finden", sagt der 26-Jährige und bringt Nico damit zum Lachen. "Er hat gemeint, du hättest bestimmt eine blonde Freundin", sagt seine Mutter. Sie berichtet Dennis Aogo, dass auch ihr Sohn gern Fußball spielt .

Der 19-Jährige lebt in einem Schul- und Therapiezentrum für junge Menschen mit Behinderung in Raisdorf bei Kiel. "Dort spielt er manchmal in einem kleinen Rollstuhl und mit dem linken Bein", sagt Meyer. "Am liebsten aber geht er zum Schwimmen. Dabei hat er am meisten Spaß."

Angela Meyer zeigt einen Brief, den eine Lehrerin Nico an diesem Wochenende mit nach Hause gegeben hat. "Lieber Nico! Du hast riesige Fortschritte in den letzten Monaten und Wochen gemacht. Weiter so, das ist prima" ist darin unter anderem zu lesen.

Der HSV-Profi ist sichtlich beeindruckt. Vor allem der Kampfgeist von Nico und seiner Familie begeistert ihn. "Diese Energie ist unglaublich. Nicht jeder geht mit einer solchen Situation so toll um", sagt er. "Bei der großen Motivation glaube ich, dass noch viel für Nico möglich ist." Dennis Aogo möchte deshalb auch die Aktion des Lions Club Großhansdorf unterstützen, der ein Spendenkonto für Nico eingerichtet hat. Rund 5500 Euro haben die Mitglieder darüber bereits gesammelt. Mit dem Geld haben sie zum Beispiel die Anschaffung eines Duschtoilettenstuhls ermöglicht. Aogo sagt: "Ich hoffe, dass noch viel mehr Leute für Nico spenden."

Mehr als zwei Stunden lang bleibt der HSV-Profi bei Nico, bevor er sich auf den Weg zum Abschlusstraining für das Spiel gegen Werder Bremen macht. Er fachsimpelt mit Nicos Vater Peter Rademacher über Bayern-Stürmer Arjen Robben, den er schon mehrmals als Gegenspieler hatte. Und er sagt Nico, dass er ihn gern beim Spiel gegen Bremen im Stadion gehabt hätte. "Wir hätten einen Glücksbringer gut gebrauchen können, denn wir haben noch nicht so oft gegen Werder gewonnen." Vor dem Gehen gibt er dem Jungen ein Versprechen: "Den Stadionbesuch holen wir nach, wenn es draußen etwas wärmer ist."