Regisseur Jan Harloff aus Großhansdorf synchronisierte die Sendung beim Start in Deutschland vor 40 Jahren. Er drehte die Einspielfilme.

Großhansdorf. Der Baumeister der "Sesamstraße" Grobi und Krümelmonster statt Ernie und Bert: Für Jan Harloff, vor genau 40 Jahren Regisseur der ersten "Sesamstraßen"-Folgen, sind die Sympathien klar verteilt. "Ich mochte die etwas wilderen Typen lieber", sagt der 69 Jahre alte Großhansdorfer.

Jan Harloff ist der Mann, der der deutschen "Sesamstraße" das Gesicht verlieh. Von der Erstausstrahlung bis 1985 synchronisierte er die amerikanischen Originalversionen und lieferte die von ihm produzierten kurzen Filmbeiträge. "In der Zeit habe ich auch mehr als 100 Lieder ins Deutsche umgetextet", sagt Harloff. Das Jubiläum der ersten Fernsehsendung für Kleinkinder überhaupt, das in diesen Tagen gefeiert wird, geht trotzdem ohne ihn über die Bühne. "Ich habe mich immer mehr im Hintergrund gehalten" sagt Harloff, "nie nach vorn gedrängelt." So sind auch auf dem Foto der "Sesamstraßen"-Mannschaft der ersten Stunde, das immer noch im Studio Hamburg hängt, alle Synchronsprecher und zuständigen NDR-Mitarbeiter zu sehen, nicht aber der Regisseur.

An den Job war Jan Harloff über einen Redakteur aus dem Team gekommen: "Ich bekam den Auftrag, die Zuspielfilmchen mit kleinen Kindern zu drehen." Anfang der Siebzigerjahre sei es Neuland gewesen, mit Drei- und Vierjährigen zu arbeiten. Harloff bekam die Themen vorgegeben und entwickelte die Ideen für die Filmszenen. Meist ging es auf spielerische Weise ums Sozialverhalten: Mut und Gerechtigkeit, Angst und Zusammenhalt.

Um die kleinen Darsteller zu finden, musste der Regisseur, der bis 1979 noch am Pionierweg in Ahrensburg wohnte, nicht lange suchen: Seine beiden Kinder Fabian (1970 geboren) und Marek (1971) machten den Anfang. Schnell kamen Kinder von Freunden und Verwandten hinzu. "In Ahrensburg und Umgebung haben wir fast überall gedreht", sagt Harloff, "im Forst Hagen, am Schloss, im Freibad, in der Polizeiwache - und sogar auf dem hässlichen Rathausplatz." Dort interviewte Carlo von Tiedemann eine Frau, die leere Flaschen in den Altglascontainer warf. Dabei musste sie weinen, denn zu jeder Flasche erzählte sie eine Geschichte. "Mit Carlo hab' ich sehr gern zusammengearbeitet", sagt Harloff. "Das war immer sehr locker." Einmal musste der bekannte Moderator auch in die Rolle eines Fußballtrainers schlüpfen. "Dabei gab es kaum einen Menschen, der unsportlicher war", erinnert sich Jan Harloff lächelnd.

Seine Fußballkollegen vom SSC Hagen durften als Statisten mitspielen

Er selbst stand bis vor wenigen Jahren noch regelmäßig beim SSC Hagen Ahrensburg auf dem Fußballplatz. Das brachte seinen Mitspielern auch immer wieder Gastrollen in der "Sesamstraße" ein. "Mal mussten sie gegen eine Mannschaft in Sträflingsanzügen auflaufen", sagt Harloff, "mal organisierte ich für die Fußballer historische Kostüme aus dem Fundus." In knapp vierminütigen Folgen stellte er den kleinen Fernsehzuschauern auch alle möglichen Sportarten vor, von Judo und Karate bis zum Turnen.

Manchmal wechselte der Regisseur die Seite, stand selbst vor der Kamera. "In einem Film übers Durchhalten habe ich eine Couch den Hamburger Süllberg raufgeschleppt, musste laut Drehbuch immer wieder ausrutschen und hinfallen." Doch am Ende steckte der Hauptdarsteller alle Rückschläge weg - und konnte von seiner Couch aus den herrlichen Blick über die Elbe genießen.

Geduld war ebenfalls bei den Dreharbeiten mit Tieren gefragt, so bei der Geschichte vom Huhn und dem Ei. Ein farbenprächtiger Hahn zeigte überhaupt kein Interesse an den um ihn herumgackernden Hennen. Nach geduldig ertragenem Warten wurde ein weitaus unauffälligerer weißer Hahn hinzugeholt, der sich im Gegensatz zu seinem Vorgänger sofort an die Arbeit und auf die Hühner machte. "Dieser Hühnerporno war ein Klassiker." Auch für den Moment, in dem das Huhn das Ei legte, musste der Kameramann ausharren.

Harloffs zweite große Aufgabe war die Synchronisation der Originalfolgen. Der Schneidetisch, an dem er die Vorbereitungen erledigte, steht noch immer im Arbeitszimmer im Dachgeschoss seines Großhansdorfer Hauses. "Meistens bekam ich ein 150-Minuten-Stück und machte mich dann an die Übersetzung." Bei Puppen mit besonders präzisen Mundbewegungen und einem deutlichen Sprachrhythmus ging das schnell, bei anderen dauerte es länger. "Besonders schwierig waren die Songs", sagt Harloff. "Schließlich musste nicht nur die Phrasierung stimmen, sondern der Text musste auch einen Sinn ergeben und sich reimen."

Die reine Synchronisation einer Folge im Studio war dann meistens an einem Tag erledigt. Wenn alles glatt ging. "Bei der Arbeit mit kleinen Kindern kann man nichts erzwingen." So war einem Kind schon mal so langweilig, dass es partout nichts mehr sagen wollte. Eine Steigerung habe es aber gegeben: "Wenn die Eltern zur Belohnung nach einer gelungenen Szene Cola spendierten, waren die Kinder hinterher so aufgeregt, dass sie zu nichts mehr zu gebrauchen waren."

Bei seinen eigenen Söhnen sei der Berufsweg durch die Filmerei irgendwie vorgezeichnet gewesen, sagt Jan Harloff. Fabian spielt neben vielen anderen Rollen einen Notarzt in der ZDF-Serie "Notruf Hafenkante", Marek ist in der "Soko"-Reihe zu sehen. Beide sind auch dem Synchronsprechen treu geblieben.

Auch bei den "Teletubbies" und "Miami Vice" übersetzte er das Original

Doch noch weitere Kinder aus der "Sesamstraßen"-Klasse sind heute Künstler. Selig-Sänger Jan Plewka ist mit seinem Rio-Reiser-Programm bundesweit unterwegs. Und Matthias Klimsa wurde mit der erfolgreichen Serie "Berlin, Berlin" bekannt.

Jan Harloff selbst blieb nach dem Ausstieg aus der "Sesamstraße" dem Genre treu. Er synchronisierte die 365 Folgen der "Teletubbies" und lieh einem Hund der "Tweenies" seine Stimme. "Einmal hab ich im Kaufhaus den Hund als Plüschtier gesehen", sagt er. "Da konnte ich mich auf Knopfdruck hören." Aber auch bei "Miami Vice" und mehr als 400 Spielfilmen aus 50 Ländern zeichnete Harloff für den passenden Text auf Deutsch verantwortlich. Außerdem drehte er den eigenen Spielfilm "Das Auge der Tiefe", in dem neben den Söhnen Fabian und Marek auch seine Frau Annegret mitspielt.

Doch nichts hat eine ganze Generation so geprägt wie die "Sesamstraße". Mit Ernies heiserem Kichern und seinem stets korrekten Kumpel Bert - gesprochen von dem damals auch in Ahrensburg lebenden Wolfgang Kieling. "Um den passenden Ton zu haben, hielt er sich bei den Aufnahmen immer ein Nasenloch zu", sagt Harloff. Und natürlich mit seinen beiden Lieblingspuppen: dem leicht tollpatschigen Grobi und dem "Kekse! Ich will Kekse!"-Krümelmonster.