Die designierte Chefin des Unternehmerverbands VSW, über Stormarns Probleme bei Verkehr, Internet und der Kinderbetreuung.

Ahrensburg/Reinbek . Das Jahr 2013 steht vor der Tür - und mit ihm viele Veränderungen. Eine davon ist, dass Nicole Marquardsen als erste Frau an die Spitze des Verbands der südholsteinischen Wirtschaft (VSW) rücken wird. Im Januar übernimmt die 43-Jährige, die bisher zweite Geschäftsführerin ist, den Posten der Hauptgeschäftsführerin. Sie folgt in dieser Position auf Axel Stehr. Der langjährige Chef des in Reinbek ansässigen Unternehmerverbandes geht in den Ruhestand. Das Abendblatt sprach mit Nicole Marquardsen über Probleme im Kreis Stormarn, über die Ausrichtung des VSW und über die Zukunftsaussichten für die 328 Mitgliedsunternehmen des Verbandes.

Hamburger Abendblatt: Der Kreis Stormarn ist wirtschaftlich sehr erfolgreich. Gibt es Bereiche, in denen er sich verbessern kann?

Nicole Marquardsen: Ja, es gibt einigen Nachholbedarf. Besonders auf den Feldern Verkehr, Internet und Familienbetreuung.

Was muss sich im Bereich Verkehr tun?

Marquardsen: Ganz einfach: Ahrensburg muss die Nordtangente bauen. Sonst stellt sich die Frage, ob größere Unternehmen mit intensivem Lieferverkehr langfristig in der Stadt bleiben. Die Verkehrsstaus erzeugen jetzt schon Probleme, etwa bei der Anlieferung. Leider sind wir bisher damit gescheitert, der Politik die Dringlichkeit der Lage deutlich zu machen.

Wo liegen die Probleme im Bereich Internet?

Marquardsen: Es gibt Teile des Kreises, in denen es keine schnellen Verbindungen gibt. Die sind aber sehr wichtig für Unternehmen. Probleme gibt es etwa in den Gewerbegebieten Stapelfeld/Braak und Oststeinbek/Glinde. Die dortigen Unternehmen finden es inakzeptabel, mit den langsamen Verbindungen zu leben. Auch im Gewerbegebiet Nord in Ahrensburg muss dringend etwas passieren.

Und die Kinderbetreuung? Was fehlt in Stormarn, aus der Sicht von Unternehmen?

Marquardsen: Nach wie vor ist es schwierig für Frauen, Job und Familie zu vereinbaren. Besonders dann, wenn sie in der mittleren Hierarchie oder in Führungspositionen arbeiten. Sie müssen in der Lage sein, acht Wochen nach der Geburt wieder voll in den Job einzusteigen - zumindest dann, wenn sie beruflich etwas erreichen wollen. Aber dazu sind flexible Betreuungsangebote nötig, die es oft nicht gibt.

Was muss sich ändern?

Marquardsen: Kitas und Krippen müssten morgens früher, und abends länger öffnen. Für viele Mütter ist auch die Finanzierung ein Problem. Auf dem Land kommen manchmal auch lange Anfahrtswege hinzu.

Ist es eine Lösung, Betreuungseinrichtungen in der Nähe der Arbeitsplätze, also in Gewerbegebieten, zu bauen?

Marquardsen: Zum Teil, ja. Es kann berufstätigen Müttern sehr helfen, wenn sie ihre kleinen Kinder in einer Krippe unterbringen können, die sich in der Nähe des Arbeitsplatzes befindet. Bei Kitas ist es anders, weil dort ältere Kinder betreut werden. Berufstätige Eltern bringen ihre Kinder nach unserer Erfahrung lieber in Kitas in Wohnortnähe, weil ihre Kinder häufig schon im Umfeld Spielkameraden haben.

Was kann denn ein Unternehmerverband wie der VSW tun, um die Lage zu verbessern?

Marquardsen: Wir sind in der Lage, Verbindungen zwischen der Wirtschaft und der Politik herzustellen. Und wir können Bedürfnisse äußern, die Unternehmer und Arbeitnehmer haben. Außerdem ist der VSW eine Plattform, die vorhandenen Initiativen Aufmerksamkeit verschaffen kann. Ein Beispiel: Die Initiative Familie und Beruf in Stormarn, die unter anderem eine Notfallbetreuung für Kinder organisiert, hat sich kürzlich auf unserem Ahrensburger Unternehmertreffen präsentiert. Außerdem werde ich für weitere Präsentationsmöglichkeiten auf unseren 13 örtlichen Unternehmertreffen sorgen, die wir für 2013 planen.

Andere Unternehmensverbände, wie Nordmetall und Chemie Nord, konkurrieren mit dem VSW um Mitglieder. Was ist das besondere Profil Ihres Verbandes?

Marquardsen: Wir versuchen, persönlicher und besser regional angebunden zu sein. Ich lege großen Wert darauf, die Unternehmenschefs selbst zu kennen. Zu unserem Profil gehört auch die Rechtsberatung, die wir Unternehmen bieten. Darauf sind wir spezialisiert.

Ein Großteil der 328 Unternehmen, die im VSW Mitglied sind, binden sich nicht mehr an die bestehenden Tarifverträge - trotz einer oft guten Ertragslage. Weshalb?

Marquardsen: Wir haben gerade erst eine Wirtschaftskrise überstanden. Und ihr sind andere voraus gegangen. In den 80er-Jahren war es für die Unternehmen noch selbstverständlich, in der Tarifgemeinschaft zu sein. Aber danach wurden die Bedingungen schwieriger. Heute sagen viele Unternehmen, dass sie selbst über die Arbeitsbedingungen ihrer Angestellten entscheiden wollen - abhängig von der wirtschaftlichen Situation der Firma. Deshalb gibt es eine Bewegung von den Verbänden, in denen die Mitglieder tarifgebunden sein müssen, hin zu jenen, in denen das nicht vorgeschrieben ist. Die Verdoppelung unserer Mitgliederzahl seit 1979 hat auch damit zu tun.

Anfang 2013 werden Sie Ihr Amt als Hauptgeschäftsführerin antreten. Was sind ihre wichtigsten Ziele?

Marquardsen: Ich will die Mitgliederzahl steigern und das Leistungsangebot ausweiten. Die Verbandsmitgliedschaft soll mehr konkrete Vorteile haben. Eine Idee ist, gemeinsam mit den öffentlichen Nahverkehrs-Unternehmen ein verbilligtes Jobticket anzubieten.

Und wie wird das kommende Jahr für Ihre Mitgliedsunternehmen?

Marquardsen: Es wird eine Herausforderung, trotz der Eurokrise die Auftragslage jedenfalls konstant zu halten. Und die Zahl der Mitarbeiter zu halten.