Rücktritte von Politikern, Streit mit Vereinen, Klagen von Mitarbeitern: Oststeinbeks Bürgermeisterin eckt mit ihrem Führungsstil an.

Seit dem Amtsantritt von Bürgermeisterin Martina Denecke im Mai 2011 kommt die Gemeinde Oststeinbek nicht zur Ruhe. Immer wieder gibt es Streit zwischen Politik und Vereinen auf der einen und der Verwaltungschefin auf der anderen Seite (siehe rechts). Jetzt standen sich die Bürgermeisterin und ein Mitarbeiter sogar vor dem Verwaltungsgericht gegenüber. Der Mann hatte geklagt, weil er keine Begründung dafür bekommen hatte, dass er nach der Probezeit von der Führungskraft zum Sachbearbeiter herabgestuft worden war. Laut Vergleich hat die Entscheidung Bestand, doch muss die Gemeinde die Prozess- und Anwaltskosten von rund 5000 Euro zahlen. Zudem empfahl der Richter eine Mediation (wir berichteten).

Mit ihrem Führungsstil bringt die neue Chefin im Rathaus aber nicht nur Mitarbeiter, sondern auch Politiker und Vereinsvertreter gegen sich auf. Über die Jahre liebgewonnene Selbstverständlichkeiten kommen plötzlich auf den Prüfstand. Die Verwaltungschefin sei überkorrekt, ihre Kommunikation mangelhaft. Unter dieser Situation leidet letztlich die Gemeinde, in der wichtige Projekte nicht vorankommen.

Beispiele sind der Bau- und der Kulturausschuss, in denen die ehrenamtlichen Politiker seit Martina Deneckes Amtsantritt häufig mehr über die gegenseitige Unzufriedenheit reden als über die Themen auf der Tagesordnung. Die Politiker erwarten Lösungsvorschläge aus dem Rathaus, die zunehmend enervierte Verwaltungschefin wirft ihrerseits den Politikern vor, ihre Hausaufgaben nicht zu machen. Unter dem Strich verzögern sich Projekte wie der Neubau von Kita und Hort. Von einem Gesamtkonzept für die Kinderbetreuung im Ort, wie es 2011 eine Arbeitsgruppe aus Politikern aller Parteien und Eltern andachte, ist nichts zu sehen. Die Bürgermeisterin hielt es nicht für die Aufgabe der Verwaltung, an dieser Arbeitsgruppe teilzunehmen.

Das Unverständnis bei den Bürgern wächst. "Könnt ihr das nicht vorher klären?", rief ein Zuhörer im Kulturausschuss, als Martina Denecke und die Vorsitzende Irene Kastner (SPD) sich in eine Diskussion verstrickten. "Sie hätte das doch vorher nachfragen können, der Antrag lag seit zwei Wochen vor", sagte Martina Denecke hinterher in Richtung Kastner.

In der Vorbereitung der Ausschüsse scheint es ohnehin zu haken. So erwarteten die Politiker jüngst im Bauausschuss unter dem Tagesordnungspunkt "Raumbedarf im Rathaus, hier: Vorstellung eines Architekturbüros" einen Vortrag zum Platzproblem. Statt dessen erläuterten Mitarbeiter eines Architekturbüros, dass das Verwaltungsgebäude Defizite beim Brandschutz und der Statik habe, was man bei Erteilung eines Auftrags gerne weiter untersuchen würde. Die Politiker fielen aus allen Wolken und vertagten das Thema.

Viele Politiker beklagen, dass sie seit Deneckes Amtsantritt auch nicht mehr direkt mit Mitarbeitern sprechen dürfen, wenn sie Nachfragen haben. Die Bürgermeisterin erklärt das mit der Gemeindeordnung, die eindeutig regele, dass nur sie selbst auskunftsberechtigt sei. Sie könne ihren Mitarbeitern nicht zumuten zu entscheiden, wer welche Auskunft erhalten dürfe. Da sei es einfacher, alles laufe über ihren Tisch.

Für CDU-Fraktionschef Hans-Joachim Vorbeck ist das Rathaus nicht nur wegen der baulichen Probleme mittlerweile die größte Baustelle im Ort, sondern auch wegen der angespannten Personalsituation. Als er Denecke im April während ihres vierwöchigen Urlaubs vertrat, habe er festgestellt, dass die Stimmung sehr schlecht sei. Neben dem hohen Krankenstand und einer großen Arbeitsbelastung habe er noch andere Gründe dafür gefunden. Der hohe Qualitätsanspruch und die penible Kontrolle durch die Chefin würden die Mitarbeiter belasten, sagt er.

+++Klage gegen die Bürgermeisterin+++

Mit Abmahnungen soll die Bürgermeisterin großzügig umgehen, heißt es aus Mitarbeiterkreisen. Schon in ihren ersten zwei Monaten sollen es mehr als ein halbes Dutzend gewesen sein. Auch Kollegen, die Deneckes Vorgänger Karl Heinz Mentzel als Leistungsträger der Verwaltung bezeichnet habe, seien betroffen gewesen. Dass eine Amtsleiterin in die Kreisverwaltung nach Ratzeburg wechselte, soll auch an der Chefin gelegen haben, mit der sie nicht klarkam.

Im Gegensatz zu den Bediensteten spricht die Bürgermeisterin auf Nachfrage von nur einer Abmahnung "an eine Mitarbeiterin, die nicht mehr im Hause ist". Ansonsten habe es übliche arbeitsrechtliche Konsequenzen gegeben, wenn Mitarbeiter rechtswidrig gehandelt hätten. Durch die Fülle von Auseinandersetzungen soll der Personalrat der Verwaltung seit Monaten arbeitsunfähig sein. Es herrsche "Endzeitstimmung", heißt es im Rathaus.

CDU-Fraktionschef Hans-Joachim Vorbeck will jetzt die Notbremse ziehen. Er sagt: "Wir müssen die Organisationsstrukturen verändern, damit die Verwaltung ab 2013 gut aufgestellt ist." Zur Unterstützung der Bürgermeisterin will er externe Berater ins Haus holen, denn Martina Denecke habe ja noch keine Führungserfahrung. Ihr hat er geraten, sich in puncto Kommunikation und Mitarbeiterführung weiterzubilden und mit der Politik besser zusammenzuarbeiten. "Wir müssen ein Klima schaffen, in dem sich die Akteure akzeptieren und vertragen. Denn alles, was schief läuft, lasten die Bürger Verwaltung und Politik gemeinsam an", sagt er.

Den Rat ihres Stellvertreters verbittet sich die Bürgermeisterin. Vorbeck könne als Bankmanager gar nicht beurteilen, wie eine Verwaltung zu führen sei. Wenn überhaupt, dann würde die hohe Arbeitsbelastung für schlechte Stimmung in ihrem Team sorgen - und dass auch nur vereinzelt oder bei überforderten Mitarbeitern. "Unzufriedenheit gibt es hier nicht", sagt Denecke, "ich bin extrem freundlich mit den Mitarbeitern, wir lachen und scherzen viel zusammen." Es gebe nur eben wie überall auch Mitarbeiter, die sich Freiräume zu Lasten der anderen im Team schaffen würden. Die seien dann unzufrieden. "Aber das ist wie mit kleinen Kindern an der Kasse, die ihren Willen nicht bekommen, die quengeln dann. Das passiert in Oststeinbek genauso mit den Vereinen oder den Mitarbeitern."

Mit den Wünschen der Vereine ist das auch so eine Sache. Der Antrag zur Unterstützung des Ehrenamts, den die SPD am 17. September in den Hauptausschuss einbringen will, kann als Antwort auf eine E-Mail verstanden werden, die Martina Denecke den Fraktionschefs im Juli schickte. Darin schrieb sie, dass sich die Gemeinde das "Anspruchsdenken" der Vereine nicht länger leisten könne. Fraglich sei nicht ob die Vereinsaktivitäten sinnvoll oder unterstützenswert seien, sondern ob die Gemeinde in der Lage sei, "die stetig steigenden Ansprüche befriedigen zu können und zu wollen". Zumal dies in der Folge zu immer weniger Eigeninitiative im Ort führe. Auch das sei ja schon bei Kindern zu beobachten, denen man alles abnehme.

Zuvor hatte Martina Denecke bei den Auseinandersetzungen mit Ehrenamtlichen vom Deutschen Roten Kreuz (DRK), von der Feuerwehr und dem Sportverein argumentiert, die Verwaltung könne aufgrund der gestiegenen Anforderungen und Kosten nicht mehr jedem Wunsch nachkommen. Zum Beispiel nicht allen Vereinen durch den Bauhof eine Bühne oder einen Stand beim Marktfest aufbauen.

Nicht wenige Politiker der wohlhabenden Gemeinde empfanden diese Ansagen als Zumutung: Viele Ehrenamtler seien schon sehr alt, zudem konnten die Arbeiterwohlfahrt und der Havighorster Bürgerverein vor Kurzem nur knapp vor dem Aus gerettet werden.

Die SPD will jetzt die Bürgermeisterin per Gemeindebeschluss dazu verpflichten, den Ehrenamtlichen im Ort ihre Arbeit zu erleichtern und so weiteren Streitigkeiten vorbeugen. Ein ehrenamtlicher Ombudsmann und ein Ehrenamts-Koordinator aus dem Rathaus sollen zwischen Verwaltung und Vereinen vermitteln.

Martina Denecke sagt hingegen, die Ehrenamtlichen würden von der Politik nur hochgepuscht. Wie jetzt beim Streit um die neuen Schutzhelme für die Feuerwehr. Da habe sie von allen Fraktionen ein gemeinsam unterzeichnetes Scheiben bekommen mit der Mahnung, die neuen Ausstattungsteile endlich zu beschaffen. Hätten die Politiker bei ihr nachgefragt, hätte sie leicht erklären können, warum es zu dem Engpass gekommen sei. "Ich möchte ja, dass sich der Ort positiv entwickelt", sagt Denecke, "aber wir dürfen nicht nur Bestehendes erhalten, sondern müssen auch neue Angebote fördern, zum Beispiel für unsere neuen Einwohner. Für beides reichen die Ressourcen nicht."

+++Sorge um Oststeinbek+++

Kulturarbeit, wie sie sich die SPD in ihrem Antrag vorstelle, könne zudem nicht "on top" von ihren Mitarbeitern geleistet werden, dafür brauche sie qualifiziertes Personal. Dafür wiederum müsse die Politik erst Geld bereitstellen. "Ich mache doch alles mit, was die Politik mir vorgibt", sagt die Bürgermeisterin.

Die SPD sieht das anders. "Sie sucht so gar nicht das Gespräch", sagte Fraktionschefin Irene Kastner schon im Vorjahr. Mittlerweile ist die gegenseitige Antipathie bei öffentlichen Sitzungen nicht mehr zu übersehen. Die Bürgermeisterin fühlt sich hingegen von der SPD zunehmend öffentlich vorgeführt. Ihre Vermutung: "Man versucht, mir eins auszuwischen. Das ist vorgezogener Wahlkampf."

Als der neue CDU-Ortsvorsitzende Stefan Merckens sich auf Deneckes Seite schlug und der SPD vorwarf, die Bürgermeisterin mit dem Ehrenamts-Antrag nur in ein schlechtes Licht rücken zu wollen, indem man sie durch Mehrarbeit weiter belaste und von ihren eigentlichen Aufgaben abhalte, pfiff CDU-Fraktionschef Vorbeck seinen Parteifreund zurück. Merckens sei etwas unerfahren, die Fraktion stehe nicht hinter dieser Einzelmeinung. Man arbeite sehr gut mit allen Fraktionen im Ort zusammen. Er schätze Irene Kastner sehr. "Die Idee der SPD ist gut, und wir unterstützen das, aber angesichts der Überlastung der Verwaltungsmitarbeiter hat es nicht erste Priorität", sagt Vorbeck. Erst müsse die "Baustelle Rathaus" abgearbeitet sein.

Seine Partei - die stärkste Fraktion im Gemeinderat, hatte Martina Denecke bei der Bürgermeisterwahl unterstützt - wirkt ratlos bis verärgert, wenn es um die Verwaltungschefin geht. Sachlich sei ihr nichts vorzuwerfen. Als überaus akribisch, gesetzestreu, intelligent und fleißig wird sie beschrieben. Aber sie wäre nicht offen, ihr mangele es an Diplomatie und kommunikativen Fähigkeiten. Sie fasse Ratschläge stets als Kritik auf, beklagen diejenigen, die ihr Tipps gaben. "Sie hat kein Vertrauen", sagt Hans-Joachim Vorbeck.

Andere Stormarner Bürgermeister sagen schon mal, dass die Kollegin schwierig und unzugänglich sei. Denecke selbst hat einen anderen Eindruck: "Das Verhältnis ist mit allen super, die kommen viel auf mich zu." Ihr Amtsvorgänger Karl Heinz Mentzel, der Denecke anfangs den Rücken stärkte, äußerte sich mittlerweile enttäuscht über seine Nachfolgerin: "Die Rolle des Bürgermeisters wird untergebuttert unter Verwaltungsstrukturen, ich dachte, sie ist offener und fähiger."