Hauptfeldwebel Oliver Mülller arbeitet in Prizren, im Hauptquartier der deutschen Kfor-Soldaten. Auslandseinsatz ist für ihn zur Routine geworden.

Prizren. Unten im Stadtzentrum von Prizren ruft ein Muezzin zum Gebet. Oben auf den schneebedeckten Bergen herrscht selbst im Frühsommer noch Winter, im Tal lähmt die Hitze. "Frühling gibt es hier nicht", sagen die Soldaten. Die Sonne brennt auf die einstige Kaserne der jugoslawischen Volksarmee, in der seit dem Ende des Kosovo-Krieges Soldaten der Nato-geführten Kosovo Force (Kfor) wohnen und arbeiten. Hinter der mit Stacheldraht, Betonpfeilern und Wachtürmen schwer gesicherten Zufahrt, stehen die Werkstatthallen. Auf dem Dach weht die Schleswig-Holstein-Flagge.

1200 Bundeswehrsoldaten sind in dem kleinen, unruhigen Balkanstaat Kosovo im Einsatz, davon 600 im deutschen Hauptquartier in Prizren. Die Flagge haben 71 Männer und Frauen gehisst, die aus der Rantzau-Kaserne in Boostedt bei Neumünster kommen. Einer von ihnen ist Oliver Müller aus Bad Oldesloe (Name aus Sicherheitsgründen geändert). Sein Job: Der 42 Jahre alte Hauptfeldwebel kümmert sich um die Materialbewirtschaftung und führt Buch über die Waren, die die Soldaten brauchen - von der Waffe bis zum Radiergummi. "Ein Schreibtischjob", sagt der Soldat.

Gemeinsam mit den Spezialisten des Logistikbataillons aus Boostedt sorgen die Soldaten vier Monate lang und 1900 Kilometer von ihren Familien entfernt dafür, dass Geländewagen und Panzerfahrzeuge rollen, Trinkwasser und Lebensmittel pünktlich in den kleinsten Standorten ankommen und dass jeder Soldat stets saubere Wäsche zur Hand hat. Die Männer und Frauen aus der Boostedter Kaserne fahren keine Patrouillen und stehen nicht an den Plätzen, wo Serben und Kosovaren einander feindselig gegenüber stehen. Die Boostedter stellen gemeinsam mit 213 Kameraden aus anderen Bundesländern sicher, dass diese Arbeit erledigt werden kann - mit genug Diesel im Tank und ohne knurrenden Magen.

Die Soldaten leben zu zweit oder zu dritt in einer kleinen Stube. "Das klappt, wenn man Rücksicht nimmt", sagt Müller. Nach Feierabend zieht er die Stiefel aus. Zur Uniform trägt er Badelatschen, in denen die dicken Bundeswehrstrümpfe stecken. An der Wand über dem Bett hat der Fußball-Fan einen HSV-Schal gehängt. Um zu zweit in der alten Kaserne zurechtzukommen, müssen ungeschriebene Gesetze beachtet werden: Knallende Schranktüren und Körpergerüche nerven den Nebenmann ebenso wie herumliegende Socken. 23 Jahre dient Müller schon bei der Truppe, er kennt die Regeln. Zweimal war Müller bereits im Kosovo, einmal in Afghanistan.

Der gelernte Bürokaufmann kam vor Jahren nach Boostedt. Vorher war er in Wentorf und Kellinghusen stationiert. Beide Kasernen sind inzwischen geschlossen. Jeden Abend öffnet Müller sein Notebook, startet das Internettelefon Skype und spricht mit seiner Frau und den vier Kindern. "So ein Einsatz im Ausland gehört zum Job", sagt Müller. "Für mich ist das fast Routine." Dass sich seine Frau ebenfalls daran gewöhnt hat, regelmäßig ohne den Ehepartner den Alltag bewältigen zu müssen, bezeichnet Müller als Glück.

Besonders leidet Müllers jüngste Tochter unter der Trennung von ihrem Papa. Zu Beginn des Einsatz wollte sie nicht einmal mit ihm skypen. "Eine Woche lang war sie sehr traurig", sagt Müller. "Jetzt hat sie sich daran gewöhnt." Wenn er mit seiner Frau spricht, ist Müller stets neugierig, ob es wichtige Neuigkeiten gibt. Sind alle gesund? Sind die Zensuren der Kinder in Ordnung? Doch er weiß auch, dass 1900 Kilometer und vier Monate zwischen ihm und seiner Familie liegen. "Die leben in dieser Zeit ihr eigenes Leben."

Meistens skypen Müller und sein Zimmernachbar gleichzeitig. Die Kopfhörer sorgen für ein bisschen Privatsphäre. Wenn die Männer mit ihren Frauen wichtige Gespräche führen müssen, nutzen sie die Mittagspausen.

Aus den Werkstätten und Büros kommen die Instandsetzer und Logistiker selten heraus. Nur zu dritt und bewaffnet dürfen sie das Camp verlassen, meistens fehlt ihnen die Zeit. Nur am Sonntagvormittag und nachts haben die Soldaten frei.

Worauf sich Oliver Müller am meisten freut, wenn die vier Monate Kosovo für ihn beendet sind? "Auf meine Familie. Und auf das leckere Essen."