Die Kommunen befürchten einen Rückgang der Beiträge von Bürgern und Unternehmen. Das Innenministerium soll nachbessern.

Reinbek. Reinbeks Bürgermeister Axel Bärendorf wollte nicht gegen das Gesetz verstoßen. Als früherer Geschäftsführer der Vereinigung der Hauptamtlichen Bürgermeister und Landräte in Schleswig-Holstein kämpfte er deshalb sechs Jahre lang für eine Erweiterung der Gemeindeordnung.

"Kommunen dürfen Spenden annehmen", sollte da stehen und einen Konflikt mit Paragraf 331 des Strafgesetzbuches verhindern, in dem es um Vorteilsannahme geht. "Als Amtsträger könnte man sich Vorteile verschaffen, wenn man eine Spende annimmt", sagt Bärendorf. Bisher gab es in Schleswig-Holstein dafür keine Regelung.

Im März jedoch änderte die damalige Landesregierung das Gesetz, erweiterte den Paragraf 76, der die "Grundsätze zur Finanzmittelbeschaffung" behandelt. Dort heißt es jetzt: "Die Gemeinde darf zur Erfüllung ihrer Aufgaben Spenden, Schenkungen u.ä. Zuwendungen einwerben und annehmen oder an Dritte vermitteln." So weit, so gut, doch es geht weiter: "Die Einwerbungen und die Entgegennahme des Angebots einer Zuwendung obliegen ausschließlich (...) dem Bürgermeister. Über die Annahme oder Vermittlung entscheidet die Gemeindevertretung. (...)"

"Das ist völlig unbrauchbar", sagt Axel Bärendorf. "Statt Rechtssicherheit haben wir bürokratisches Chaos."

Denn im Klartext bedeutet die Verordnung, dass alle, die der Kommune eine Sach- oder Geldspende zukommen lassen möchten, Durchhaltevermögen beweisen müssen. Laut Gesetz muss der Bürgermeister die Spendenanfrage akzeptieren. Danach nehmen die Stadtverordneten das Gesuch auf die Tagesordnung ihrer nächsten Sitzung und stimmen ab. "Das wird Sitzungen in die Länge ziehen", prophezeit Bärendorf. Und: Spender werden im öffentlichen Teil der Sitzung namentlich genannt. Bärendorf: "Das ist besonders für Unternehmen abschreckend."

+++ Gesetz schießt übers Ziel hinaus +++

Bärendorf rechnet damit, durch den "bürokratischen Wahnsinn" Spenden für seine Stadt zu verlieren. "Das betrifft die Senioren, die Feuerwehr, das Schloss, die Kindertagesstätten, die Schulen, die Bücherei", zählt Bärendorf auf, der zuvor nach einer gemeindeinternen Regelung befugt war, Spenden in Höhe von bis zu 60 000 Euro für die Kommune anzunehmen. Rund eine Viertelmillion Euro nahm Reinbek im Durchschnitt pro Jahr an Spenden ein.

"Ich hätte kein Problem, wenn diese Grenze heruntergesetzt würde", sagt Bärendorf. Dort wo ein Interessenkonflikt bestehen könnte, sei die Prüfung durch die Stadtverordneten sinnvoll. "Aber die zeitgebundenen Spenden sind nun problematisch", sagt der Bürgermeister, der gerade einen aktuellen Fall bearbeitet hat. Für das Schleswig-Holstein Musik Festival, dessen Konzerte im Juli auch in Reinbek stattfinden, wollen zwei Unternehmen Geld geben. "Die Stadtverordnetenversammlung ist aber erst im August. Dann ist es zu spät" sagt Bärendorf, der deshalb eine Eilentscheidung herbeiführen musste. Erst im Nachhinein holt er die Zustimmung der Stadtverordneten ein.

Viel schlimmer jedoch stehe es um die Spenden, die das Tagesgeschäft beträfen. Wollen etwa Eltern dem Kindergarten Geld oder ein Spielgerät schenken, nachdem das Kind in die Schule gekommen ist, muss ebenfalls der bürokratische Weg eingehalten werden. "Dabei gibt es in so einem Fall nie einen Interessenkonflikt, die Leute wollen sich nur bedanken", sagt Bärendorf.

In Bargteheide wird vor allem das Weihnachtshilfswerk betroffen sein. Bürgermeister Henning Görtz sagt: "Der Grund für die Änderung ist vorbildlich, aber die Annahme von Spenden darf nicht behindert werden." Ab Oktober sammelt die Gemeinde Spenden für das Weihnachtshilfswerk. Görtz: "Dann brauchen wir Klarheit."

Arnold Trenner, Bürgermeister von Siek, bemängelt, dass Kleinstspenden wie ein Kuchen für das Feuerwehrfest unter die Regelung fallen. "Solche Fälle können wir höchstens nachträglich bearbeiten", sagt Trenner, der häufig Spenden für die Jugendwehr erhält. "Deshalb kann es nicht extra eine Gemeindevertretersitzung geben, das ist illusorisch." Erst 2011 erhielt die Gemeinde 20 000 Euro von der Discounter-Kette Lidl für die Jugendarbeit.

Delingsdorf hat damit weniger Probleme. "Wir bekommen nicht so viele Spenden, die arbeiten wir eben ab", sagt Bürgermeister Randolf Knudsen. Dennoch: "Ich halte das für viel Formalismus." Axel Bärendorf wird deutlicher: "Das Gesetz ist aus dem Ruder gelaufen." Der Paragraf bedürfe dringend der Nachbesserung. Bärendorf hat sich deshalb an den Städteverband gewandt.

Der Städteverband "sammelt" derzeit Beschwerden. "Nach der Sommerpause wenden wir uns an das Innenministerium, um Änderungsmöglichkeiten zu besprechen", sagt der stellvertretende Geschäftsführer Marc Ziertmann. Zu prüfen sei, ob es Bagatellegrenzen geben könne und ob einige Spendenanträge auch in anderen Ausschüssen bearbeitet werden könnten. Ziertmann: "Die tagen wenigstens öfter." Die transparentere Ordnung, die nach dem Vorbild der Länder Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz eingeführt wurde, habe als Schutzmechanismus für die Amtsträger dienen sollen. Zuvor habe man sich jahrelang in einer Grauzone der Rechtmäßigkeit befunden. Ziertmann: "Die Änderung ist absolut richtig, aber die praktische Ausführung ist nicht gerade optimal."

Bärendorf glaubt, dass sich frühestens zum Jahresende etwas ändern werde. Derzeit sei zwar die Spendenbereitschaft der Bürger aufgrund der Sommerferien etwas zurückgegangen. Bärendorf: "Aber im September wird sie wieder rapide zunehmen und spätestens dann wird es problematisch."