350 Fans der japanischen Trickfilme kommen zum 48-Stunden-Anime-Marathon nach Bad Oldesloe

Bad Oldesloe. In ihrer Freizeit gibt es für Jenni und Jan Kandziora nur ein Thema: Bei dem Ehepaar dreht sich alles um japanische Comics. Der Höhepunkt des Jahres geht für die 32 Jahre alte Hotelfachfrau und den 36 Jahre alten studierten Ingenieur am kommenden Wochenende in Bad Oldesloe über die Bühne. Beim 48-Stunden-Anime-Marathon im Grand City Hotel stehen von Freitag bis Sonntag die Comic-Helden rund um die Uhr im Mittelpunkt. Bis zu 350 Gäste aus dem gesamten Bundesgebiet und sogar aus dem Ausland erwarten die Kandzioras.

Die Comics heißen Mangas und - wenn die als Film animiert sind - Animes. Wer sich jetzt Micky Maus, Fix und Foxi oder die Looney Tunes mit Schlitzaugen vorstellt, liegt allerdings völlig verkehrt. "In Japan hat Zeichentrick eine viel größere Bedeutung als in Deutschland", sagt Jan Kandziora, "und ist vor allem nicht nur für Kinder gedacht."

Für die Vereinsmitglieder ist das Treffen der Höhepunkt des Jahres

Dabei ist ausgerechnet der berühmteste Anime bei uns ein Kinderstar: Pokémon. "Viele wissen das gar nicht", sagt Jan Kandziora. Breitere Bekanntheit erlangte hierzulande noch Sailor Moon, manche kennen vielleicht Captain Future, Dragonball oder Futurama. Doch das ist nur die Spitze. Jenni Kandziora zählt auf: Es gibt Fantasy-Mangas, Mangas über den Zweiten Weltkrieg, medizinische Mangas, also Fach-Comics, beispielsweise über Epilepsie. Und sogar die Bibel gibt's als Manga.

Jan Kandziora erklärt das Prinzip so: "Mangas sind wie ein Roman, nur dass der Autor eben auch Bilder dazu zeichnet."

So langsam wird dem unbedarften Comic-Leser bewusst, dass es hier um mehr geht, als um Superhelden wie Batman & Co. In Japan haben die Comics und ihre Verfilmung beziehungsweise Animation einen großen Stellenwert. Für jede Altersgruppe bis hin zu den Senioren gibt es Mangas und Animes zu allen möglichen Themen. "Es gibt natürlich auch Heidi und Biene Maja als Anime", sagt Jan Kandziora. Sogar Disney-Klassiker wie Tarzan wurden schon in der typisch japanischen Optik umgesetzt.

Nur ein geringer Teil der für Japan produzierten Animes und Mangas inklusive der dazugehörigen Computerspiele erreiche Deutschland, sagt Jan Kandziora. Seine Frau und er sowie rund 250 weitere Mitglieder gehören dem Verein Anime no Tomodachi an. Hört sich an wie der neue quietschfarbene Nachfolger eines Kinderspielzeugs, bedeutet übersetzt aber ganz schlicht "Anime-Freunde".

Der Verein sieht sich als Plattform für deutsche Fans. Für die Mitglieder sind die mehrtägigen Treffen der Höhepunkt des Jahres. Die Veranstalter erwarten in Bad Oldesloe rund 350 Gäste pro Tag. Die meisten bleiben das ganze Wochenende. 220 Hotelbetten sind belegt. Die Mehrzahl der Comicfans ist zwischen 25 und 35 Jahre alt. Die Besucher kommen aus Deutschland, aber auch aus den Niederlanden, Dänemark, Österreich der Schweiz und Schweden.

Das Programm verspricht alles, was das Anime-Fanherz begehrt. Aushängeschild ist das 48-Stunden-Dauerprogramm von Animes in drei Videoräumen. Viele Filme laufen in Blu-ray-Qualität, 3D gibt es allerdings noch nicht. Die deutsche Synchronisation von Animes sei meistens sehr schlecht, sagt Jan Kandziora. Deswegen laufen die Filme im Original mit deutschen oder englischen Untertiteln.

Wer auch mal etwas anderes sehen möchte, kann zum Kyudo (japanisches Bogenschießen) oder Kenjutsu (Schwertkampf) wechseln. Oder sich im Sushi-Kurs zum Selbermachen stärken. In der Manga-Bibliothek warten außerdem 3200 Bände darauf, gelesen zu werden. "Das ist alles, was auf Deutsch jemals herausgekommen ist", sagt Jan Kandziora. Der Flohmarkt heißt "Bring & Buy". Was die Besucher an Animes, Mangas, Spielen und Zubehör loswerden wollen, müssen sie nur dort abgeben. Die rund 40 Helfer bei dem Treffen übernehmen den Verkauf.

Gute Unterhaltung verspricht auch die Karaoke-Bar. Dort können sangesfreudige Besucher Hits aus Anime-Filmen vortragen. Dafür haben Helfer im Vorwege eigens die Musik nachgespielt und aufgezeichnet.

So richtig zur Sache geht es beim Cosplay. Wer mit einem selbst gebastelten Kostüm kommt, ist bestens präpariert. Beim Cosplay geht es um die möglichst detailgetreue Nachahmung einer Anime-Figur. Wer wirklich Fan ist, will aussehen, sein und sich zumindest kurzzeitig so fühlen wie Aquana, Ari oder Arioni. Damit das klappt, stellt Jenni Kandziora auch ihre eigenen Kostüme - inzwischen bringt sie es auf eine beachtliche Sammlung von 30 Stück - zur Verfügung.

Im Workshop lernen die Teilnehmer, wie ihre Lieblingsfigur zu posieren

Es gibt auch einen Workshop, in dem die Teilnehmer Tipps zum Posieren und Laufen bekommen. Schließlich soll bei der Cosplay-Show am Ende alles stimmen. Im Foto-Studio nebenan können sich die Comic-Helden aus Fleisch und Blut noch für die Ewigkeit ablichten lassen.

Insgesamt schätzt Jan Kandziora die Fangemeinde für japanische Comics in Deutschland auf 50 000 bis 100 000 Köpfe. Zur größten Anime-Convention in Deutschland, der Animagic, kommen rund 15 000 Menschen pro Tag. Jan und Jenni Kandziora erklären ihre Leidenschaft mit ganz irdischen Ansätzen. "Man wird reingezogen", sagt der Ingenieur, "man möchte immer wissen, wie die Geschichte weitergeht." Das Ehepaar aus Bad Harzburg lebt das, wovon so manch anderer Comicfan träumt. Wer wollte nicht schon einmal Superman sein...