Der Schriftsteller lebte als Student in Stormarn. Im Interview spricht er über seine Dachstube, die Vermieterfamilie und Handballspiele im Sportverein

Bargteheide. Er gehört zu den großen deutschen Schriftstellern: Siegfried Lenz. Heute wird der Autor der "Deutschstunde" 85 Jahre alt. Der runde Geburtstag ist Anlass, auf die Anfänge zurückzublicken - auch auf seine Zeit in Bargteheide. Fast drei Jahre lebte Lenz nach dem Krieg dort - ein Student der Anglistik, Philosophie und Literaturwissenschaft, der täglich zur Universität nach Hamburg pendelte. "Ich kann mir gut vorstellen, dass wir ein Gebäude oder eine Straße in Bargteheide nach ihm benennen", sagt Bürgermeister Henning Görtz, "aber das muss etwas sein, das zum Menschen Siegfried Lenz und zu seiner Arbeit passt." Noch heute erinnern sich viele an den "bescheidenen jungen Bengel", der von Bargteheide auszog, um ein berühmter Schriftsteller zu werden.

Hamburger Abendblatt:

Wie verschlug es sie ausgerechnet nach Bargteheide?

Siegfried Lenz:

Ich war Dolmetscher bei einer englischen Entlassungseinheit, Sixty-Six Control Unit. Als wir nach Bargteheide kamen, suchten wir nach einer Möglichkeit, unsere Wäsche zu wechseln. Da hielten wir vor dem Haus Tremsbütteler Weg 7, bei Familie Schulz, die mir auf sehr liebenswerte Weise half. Als ich dann später studierte, versuchte ich, in Hamburg ein Zimmer zu kriegen. Aber das war unmöglich. Die Stadt war zu 60 bis 70 Prozent kaputt. Da erinnerte ich mich an die Liebenswürdigkeit der Familie Schulz und fragte, ob ich dort unterkommen könnte. Das wurde mir zugestanden.

Wie waren Sie untergebracht?

Ich bekam ein Zimmerchen unter dem Dach und fuhr dann jeden Morgen um 6.55 Uhr mit dem Zug nach Hamburg.

Wie sah die Dachstube aus?

Es stand ein großes Bett drin. Und ein kleiner Tisch, ein Schreibtisch. Es war ein kleines Zimmer, aber immerhin.

Erinnern Sie sich noch an die Menschen, mit denen sie unter einem Dach lebten?

Ja, natürlich. Fritz Schulz war der Sohn der Vermieter. Etwa gleichaltrig. Er studierte auch. Architektur. Ein unglaublich liebenswerter Kollege. Wir waren auch beide im letzten Kriegsjahr Soldaten gewesen und konnten uns über Generationserfahrungen austauschen. Es war immer wie unter guten Freunden.

Sie haben in Bargteheide auch Sport gemacht?

Ja. Der Trainer der Handballmannschaft fragte mich: Du bist doch ein alter Sportler, willst du nicht mitmachen? Ich habe dann mehr oder weniger hospitierend bei den Bargteheider Handballern mitgespielt.

Frühere Sportkameraden sehen das etwas anders. Sie sagen, dass sie ein toller Läufer und Spieler waren.

Das kann sein (räuspert sich).

Gibt es noch Kontakt nach Bargteheide?

Nein, leider nicht mehr. Der ist durch meine Aufenthalte in Dänemark abgerissen. Meine Frau und ich sind immer von April bis September nach Alsen gefahren. Wir hatten dort ein Haus, ein Boot und Fischernetze. Ich habe auf der Insel verschont und still geschrieben. Jetzt haben wir ein Haus auf Fünen. Von dort bin ich gerade zurückgekehrt.

Warum sind Sie schließlich aus Bargteheide weggegangen?

Aus beruflichen Gründen. Ich hatte die große Freude, einen Mann kennenzulernen, der für mich eine Legende der Literatur war: Captain Willy Haas. Er war bei der Zeitung "Die Welt" als Cultural Adviser tätig, also als Ratgeber für die Kulturberichterstattung. Dessen Einladung habe ich gern angenommen. So wurde ich Volontär und dann Feuilleton-Redakteur. Ich hatte die Pflicht, die Kulturnachrichten zu besorgen und auch den Fortsetzungsroman zu bestimmen und in Kapitel einzuteilen.

Und dann fingen Sie eines Tages an, selbst einen Roman zu schreiben.

Ja. 1951 hatte ich meinen ersten Roman fertig. Ich brachte ihn Willy Haas. Und der sagte zu mir: My Boy, das lassen wir als Fortsetzungsroman laufen.

Ist ihre Zeit in Bargteheide in ihre literarische Arbeit eingeflossen?

Nein, ich schreibe nur aus der Fantasie. Ich stelle mir vor. Das ist mein Prinzip. Ich stelle mir vor. Das ist wichtiger.

Sie schreiben jetzt an einem neuen Werk.

Ich bin mittendrin. Ich habe auch jetzt auf Fünen geschrieben.

Können sie schon etwas verraten?

Nein. Es ist noch nicht fertig. Ich weiß einfach nicht, wie viel sich noch ändern, verziehen, verwerfen wird.

Sie werden 85 Jahre alt. Ein langes Leben. Wenn Sie zurückdenken, was verbinden Sie mit dem Namen Bargteheide?

Wehmut. Mit einem Wort: Wehmut. Es war die Zeit der Anfänge. Die Zeit der Irrtümer. Die Zeit der Entwürfe. Ich dachte damals daran, eventuell in den Lehrberuf zu gehen, Pädagoge zu werden. Aber dann hat mich der Journalismus fasziniert. Zuerst bin ich noch zwischen Universität und Redaktion hin- und hergegondelt. Aber das war zu viel. Ja, so fing es an.

Lieber Herr Lenz, wir wünschen Ihnen alles Gute zum Geburtstag und danken Ihnen herzlich für das Gespräch.