Moritz Krebs, Sohn des 2000 verstorbenen Schauspielers Diether Krebs, spricht im Krankenhaus Großhansdorf über die Krankheit seiner Eltern.

Großhansdorf. "Mein Vater war ein Lebemann, der mit der Vorspultaste lebte." So beschreibt Moritz Krebs seinen Vater, den vor zehn Jahren verstorbenen Schauspieler und Komiker Diether Krebs. Der hat das Leben genossen, hat viel geraucht, Roth-Händle ohne Filter, die ganz starken Zigaretten. "Es war eine andere Zeit in den 70er-Jahren. Das Bewusstsein war nicht da, dass diese Lebensweise mehr schadet als Spaß bringt", sagt Krebs junior. Im Krankenhaus Großhansdorf hat er nun gemeinsam mit der Aktion Rückenwind über Lungenkrebs informiert.

Der 30-jährige Krebs ist ganz anders als sein Vater. "Ich bin Nichtraucher, treibe viel Sport und habe ein gesundes Verhältnis zu meinem Körper", sagt der in Hamburg lebende Inhaber einer Filmfirma. Doch die Tücken der Krankheit hat er als Angehöriger erlebt, als 2000 zuerst sein Vater und sechs Jahre später auch seine Mutter daran starben.

Bei der Nachuntersuchung zu einer Bypassoperation kommt der Schock für den Genussmenschen Diether Krebs: ein Schatten auf der Lunge. Krebs wird nach Großhansdorf in die Onkologie überwiesen. Dort stellen die Ärzte die erschreckende Diagnose: inoperabler Lungenkrebs.

Sein Sohn Moritz erinnert sich noch gut an den Tag im Jahr 1998, an dem sein Vater ihm davon erzählte. "Das werde ich nicht vergessen. Wir trafen uns wie oft im großen Schlafzimmer. Dann sagte mein Vater, sie hätten etwas gefunden, das da nicht hingehöre", erinnert sich Moritz.

Die Familie ist geschockt, doch Diether Krebs scherzte selbst in dieser Situation noch. "Er sagte: Stell Dir vor, die Bild-Zeitung schreibt: Diether Krebs hat Krebs", sagt Moritz.

Damals ist er 20 Jahre alt, sein Bruder erst 14. Sie versuchen, den Gedanken an die tödliche Krankheit so gut es geht zu verdrängen, denn ihr Vater will sein Leben so normal wie möglich fortsetzen. Er sagt: "Solange ich nicht hinsehe, bekommt der Tod mich nicht". Er arbeitet einfach weiter, erzählt kaum jemandem von seinem Leiden. "Er pendelte immer zwischen der Chemotherapie und dem Dreh", erinnert der Sohn. Krebs beendet noch den Film "Bang Boom Bang" und seine Tournee im St. Pauli Theater. Drei Tage nach Tournee-Ende ist er tot. "Eines Abends ging es ihm schlechter", sagt Moritz Krebs. Doch der 52-Jährige will nicht ins Krankenhaus, Freunde und Familie kommen zu ihm nach Hause, um sich zu verabschieden. "Für mich war es ein magischer Moment, ein intensiver Abschied", sagt sein Sohn, "Es war für mich auch eine wertvolle Erfahrung, beim Sterben dabei zu sein. Es hat mir die Angst davor genommen."

Erst als auch Moritz' Mutter Bettina an Lungenkrebs erkrankt, beschäftigt er sich intensiv mit der Krankheit. Sie ist erst 58 Jahre alt. "Es ist ungerecht, das Leben hätte für sie noch mal richtig losgehen können", sagt ihr Sohn. Ihm steigen auch jetzt noch die Tränen in die Augen, wenn er davon erzählt. Eine Operation, bei der ihr ein Lungenflügel entnommen wird, kann ihr Leben auch nicht retten. Sie stirbt im April 2006 im Krankenhaus.

Nach ihrem Tod beschließen die beiden Söhne, sich im Kampf gegen den Lungenkrebs zu engagieren. Doch die konventionellen Vereine sind nichts für die jungen Männer. "Da kam uns die Idee mit einer Modemarke für Streetwear", sagt Moritz Krebs. Damit will er auch die jungen Leute für das Thema sensibilisieren, die Lungenkrebs sonst nicht interessieren würde. Ab Februar soll die Marke über das Internet sowie ausgewählte Geschäfte in ganz Deutschland verkauft werden. Der Erlös geht komplett an Krebshilfe-Organisationen wie das Kinderkrebszentrum in Bochum und verschiedene Selbsthilfegruppen.

Moritz Krebs weiß, wie wichtig es ist, sich über die Krankheit auszutauschen. "Lungenkrebs ist eine extrem bedrohliche Krankheit, weil es an die Atmung geht", sagt er. Wie die meisten Raucher habe auch sein Vater nicht damit gerechnet - dabei sind 90 Prozent der Erkrankten aktive Raucher. Auch Bettina Krebs hatte eine Zeit lang geraucht. "Doch bereits ab 100 Zigaretten im Leben ist man Raucher", weiß Moritz Krebs. Auch wenn er selbst nie geraucht hat, konnte er die gefährliche Sucht bei seinem jüngeren Bruder Till nicht verhindern. Er vermeide aber, den Moralapostel zu spielen, jeder sei seines Glückes Schmied und könne selbst die Entscheidung zum Rauchen treffen. Auch Schuldzuweisungen an seine Eltern für ihre Sucht halte er für völlig falsch.

Dr. Ulrich Gatzemeier ist seit 26 Jahren Chefarzt des onkologischen Schwerpunktes im Krankenhaus Großhansdorf. "Leider kommen rund 75 Prozent der Patienten erst in einem Stadium ins Krankenhaus, in dem es schon zu spät ist", sagt er. Jährlich wird die Krankheit bei etwa 46 000 Menschen in Deutschland neu diagnostiziert. Allein in Großhansdorf werden jährlich 1000 Patienten mit Lungenkrebs aus Hamburg und Schleswig-Holstein behandelt. Viele kann Gatzemeier nicht mehr heilen, nur ihr Leben verlängern. "Ich bin zufrieden, wenn ich ihnen auch nur ein weiteres Jahr schenken kann", sagt der Chefarzt. "Als Arzt kann ich nicht mit jedem Patienten mitleiden, aber einfühlsam sein und Gespräche zulassen." Er weiß, dass es neben der Medizin auch darauf ankommt, wie viel Rückhalt die Patienten in der Familie haben und wie positiv sie an die Krankheit herangehen. "Ich versuche, sie zu ermuntern, so viel Normalität wie möglich aufrechtzuerhalten, denn das schenkt Lebensqualität."

Einen seiner berühmtesten Patienten, Diether Krebs, musste er dazu nicht motivieren. "Ich finde es bewundernswert, wie lange Krebs noch auf der Bühne stand. Er hatte eine unbändige Kraft, die er aus seiner Arbeit schöpfte."

Von der "bewundernswerten Kraft" seines Vaters spricht auch Sohn Moritz. "Besonders hat mir die Ehrlichkeit und Offenheit in meiner Familie in der Situation geholfen. Weder mein Vater noch meine Mutter haben um den heißen Brei herumgeredet", erinnert sich Moritz. Er habe gelernt, dass das Leben mit Krebs nicht sofort vorbei ist, man müsse nur wollen. Sein Vater habe ihm gezeigt, wie man kämpft. "Er war Sternzeichen Löwe und hat sich dem Lungenkrebs entgegengeworfen", sagt Moritz. Seine Eltern hätten versucht, "den Horror als Chance zu begreifen". Als die Diagnose für seine Mutter kam, zog er wieder ins Elternhaus an der Hamburger Lessingstraße ein. "Wir sind wieder näher zusammengerückt, haben bewusst und intensiv gelebt. Für diese letzten intensiven Momente mit meiner Mutter bin ich dankbar."