Wer entführte die 25 Jahre alte Arzthelferin? Die Kriminalpolizei ermittelt auch wegen sexuellen Missbrauchs gegen einen Unbekannten.

Bargteheide. Sieben Tage lang war Anne H., 25, aus Bargteheide verschwunden. Sieben Tage suchten Verwandte und Bekannte nach ihr. Sieben Tage lang war sie die Gefangene eines Triebtäters. Das hat die Arzthelferin jetzt bei der Polizei ausgesagt. Die junge Frau tauchte Sonntagmittag ebenso plötzlich wieder auf, wie sie fast auf die Minute genau eine Woche zuvor verschwunden war. Am Montag folgten lange Vernehmungen bei der Kriminalpolizei in Ahrensburg.

Angaben der Polizei zufolge hat die 25-Jährige in diesen Gesprächen erklärt, dass sie verschleppt und sexuell misshandelt wurde. Die Polizei hat noch keinen Tatverdächtigen festgenommen. Trotzdem verzichtet sie auf eine öffentliche Fahndung nach dem Entführer und nach dessen Auto. Weshalb? "Aus ermittlungstaktischen Gründen sagen wir nichts dazu", sagt Polizeisprecherin Sonja Kurz. Aus dem Umfeld von Anne H. sind mehr Details zu erfahren. Die Arzthelferin sei am 20. Juni, dem Tag ihres Verschwindens, mit dem Zug in Bargteheide angekommen. Rund 200 Meter vom Bahnhof entfernt sei sie ihren Entführer begegnet. Ob es ein Bekannter ist, sei nicht klar. Der Mann, der als "schon etwas älter" beschrieben wird, habe Anne H. mit zu sich nach Hause genommen. Wo genau das ist, habe die junge Frau nicht sagen können. Es soll jedoch nicht weit von ihrem Elternhaus entfernt gewesen sein.

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In der Wohnung des Mannes sei sie gefesselt worden. Die Fesselspuren an ihren Handgelenken seien nach ihrer Freilassung auch zu sehen gewesen und fotografiert worden. Während ihrer Gefangenschaft sei Anne H. tagsüber allein in der Wohnung gewesen, da der Entführer regelmäßig zur Arbeit ging. Eine Woche nach Anne H.s Verschwinden habe der Unbekannte sie dann vor der Wohnung ihres Vaters abgesetzt. Die junge Frau soll psychisch sehr angeschlagen gewesen sein.

Bei der Familie herrscht unterdessen große Erleichterung. "Inzwischen geht es Anne wieder ganz gut. Sie hat gestern Abend sogar wieder gelacht", sagte ihr Vater Christian H. am Dienstag. Um sich von den vergangenen Tagen zu erholen, sei sie mit ihrer Mutter, ihrer Schwester und ihrem Bruder an einen unbekannten Ort gefahren.

Das Verschwinden der jungen Frau hatte bundesweit Aufsehen erregt - vor allem deshalb, weil Freunde eine Vermisstenanzeige ins Internet gestellt hatten. Die Homepage www.suche-anne.de war binnen einer Woche rund 650 000-mal angeklickt worden. In diversen Internetnetzwerken wie Twitter, Facebook und StudiVz hatten sich schließlich sogar einander fremde Menschen verabredet, um nach der jungen Frau zu suchen. Sogar eine Hundestaffel aus Neustadt an der Ostseeküste hatte geholfen und die Bahnstrecke zwischen Hamburg und Bargteheide abgesucht.

Rückblick: Am Sonntag, 20. Juni, um 13.46 Uhr steigt Anne H. am Hamburger Hauptbahnhof am Gleis 6 b in die Regionalbahn nach Bargteheide. Eine Überwachungskamera filmt das. Während der Fahrt verschickt sie mehrer Handy-Kurznachrichten an ihren Ex-Freund in Schwerin. Das kann die Kriminalpolizei später mithilfe einer Mobilfunkauswertung ermitteln. Auf der Fahrt nach Bargteheide wird ihr Handy in Höhe Ahrensburg jedoch abgeschaltet. In diesem Moment verliert sich Anne H.s Spur. Auch bei ihrem Arbeitgeber, einem Hamburger Krankenhaus, in dem sie seit dem 1. Mai arbeitet, meldet sie sich nicht.

Die Eltern machen sich große Sorgen und suchen Anne auf eigene Faust. Noch nie sei Anne einfach nicht mehr nach Hause gekommen. Das passe gar nicht zu ihr. Zumal die junge Frau seit Mai wieder in ihrem Heimatkreis Stormarn in der Wohnung ihres Vaters lebt. Zuvor hatte sie rund drei Jahre in Schwerin gewohnt.

Eine groß angelegte Suchaktion der Polizei gab es nicht. Auf Anfrage hieß es, dass Anne H. eine erwachsene Frau ist und es ihr gutes Recht sei, sich ein paar Tage nicht zu melden.

Die Ahrensburger Kriminalpolizei ermittelt nun weiter und möchte in den kommenden Tagen weitere Details preisgeben. Anne H.s Mutter hat angekündigt, sich auf der Internetseite mit der Vermisstenanzeige zu den Hintergründen des Verschwindens ihrer Tochter äußern zu wollen.