Nach 110 Jahren löst der Orden die Schwesterngemeinschaft im Kinder- und Jugendhaus St. Josef auf. Die Frauen werden heute verabschiedet.

Bad Oldesloe. Sie haben die Kinder erzogen, sie morgens aufgeweckt und abends ins Bett gebracht. Sie haben ihnen Mittagessen gekocht, bei Problemen zugehört und versucht, zu helfen. Und manchmal mussten sie die Mädchen und Jungen auch ermahnen, zum Beispiel, wenn die Kinder nicht ihr Zimmer aufräumen, ihre Wäsche waschen oder den Gemeinschaftsraum putzen wollten. 110 Jahre haben die Thuiner Franziskanerinnen das Leben im Kinder- und Jugendhaus St. Josef geprägt. In einer Woche verlassen die letzten fünf verbliebenen Schwestern der katholischen Ordensgemeinschaft vom heiligen Märtyrer Georg zu Thuine Bad Oldesloe.

Der Orden hat beschlossen, die Schwesterngemeinschaft in der Kreisstadt aufzulösen. Der Grund: Es fehlt an Nachwuchs. Nur wenige junge Frauen treten noch in den Orden ein. Die verbliebenen Schwestern werden in den eigenen Einrichtungen benötigt. Bereits heute werden die Franziskanerinnen in Bad Oldesloe offiziell verabschiedet. Den ganzen Tag über gibt es Feierlichkeiten im Kinder- und Jugendhaus sowie in der Kapelle. Zahlreiche ehemalige Mitarbeiter und Bewohner haben sich angekündigt.

1902 kamen die ersten Ordensschwestern nach Bad Oldesloe. Auf Bitten des Bischofs von Osnabrück übernahmen sie den Dienst in der neu gebauten Einrichtung. "Sie hatten einen missionarischen Auftrag", sagt Birgit Brauer, die das Haus seit 2006 leitet. Die rund 20 Franziskanerinnen sollten zum Beispiel Kinder von Erntehelfern auf die Erstkommunion vorbereiten. Die Mädchen und Jungen blieben meist ein halbes Jahr, dann kehrten sie zu ihren Eltern zurück.

Auch als Schwester Magda 1964 erstmals ins Kinder- und Jugendhaus kam, gab es noch eine Gruppe mit Kindern, der sie Kommunionsunterricht geben sollte. Doch in den folgenden Jahren rückte der religiöse Auftrag immer weiter in den Hintergrund, seit Mitte der 70er-Jahre ist das Haus am Wendum nur noch Betreuungseinrichtung für Kinder und Jugendliche. Zur selben Zeit ging auch die Zahl der Ordensschwestern langsam zurück. Stattdessen kamen weltliche Mitarbeiter, die zwar den christlichen Glauben haben, aber nicht Mitglied des Ordens sein müssen, und daher auch kein Gewand tragen.

Zurzeit sind unter den 86 Mitarbeitern der Einrichtung noch zwei Ordensschwestern: Schwester Francis und Schwester Maria Theresia. Die beiden leiten jeweils eine Wohngruppe. Insgesamt gibt es in dem Haus zwölf solcher Gruppen, rund 100 Kinder und Jugendliche werden betreut. Dazu kommen einige junge Mütter. Schwester Francis kümmert sich um Kinder bis zwölf Jahre, Schwester Maria Theresia ist für Schüler im Alter von sechs bis 16 Jahren zuständig. Die Schwestern wohnen bei ihrer Gruppe und sind damit rund um die Uhr für die Kinder da.

Bei den weltlichen Mitarbeitern ist das anders. Sie wechseln sich meist zu fünft bei den Nachtschichten ab und fahren anschließend nach Hause. "Es wird ein großer Verlust für die Kinder aus den beiden Gruppen, wenn die Schwestern uns verlassen", sagt Birgit Brauer. "Das wird für sie ähnlich schlimm wie eine Trennung der Eltern sein, bei der ein Elternteil anschließend aus der Wohnung auszieht." Die Leitung der beiden Gruppen wird dann ebenfalls von weltlichen Mitarbeitern übernommen.

Auch wenn die anderen drei verbliebenen Schwestern wegen ihres Alters zuletzt keine Ämter bei der Kinderbetreuung mehr innehatten, haben sie dennoch freiwillig in der Einrichtung geholfen. Schwester Beta, mit 83 Jahren die älteste, hat zum Beispiel die Grünflächen vor dem Gebäude bepflanzt, sich um den Schwesterngarten gekümmert, die Äpfel von der Streuobstwiese eingesammelt und in der Küche geholfen. Schwester Ute war für die Post zuständig und hat die Sachspenden für das Kinderhaus verwaltet. "Worte sind unzulänglich, um die Schwestern zu beschreiben", sagt Birgit Brauer. "Sie glauben an die Nähe Gottes und ruhen in sich." Es werde seltsam sein, wenn die Schwestern nicht mehr im Haus sind. Brauer: "Sie wissen einfach alles: was sich hinter welcher Tür verbirgt und wo welcher Schalter für welchen Sicherungskasten liegt."

Und dann ist da noch Schwester Magda. Sie leitet den Konvent und sorgt für ihre Mitschwestern, bringt sie zu Arztterminen. Die 73-Jährige war zudem viele Jahre Leiterin des Kinder- und Jugendhauses und bis Ende vergangenen Jahres auch Vorsitzende des Fördervereins St. Josef. "Die Zeit in Bad Oldesloe hat mein Leben geprägt", sagt sie. "Viele Menschen werden in meinem Herzen bleiben. Ich werde sie nicht vergessen und mit einigen bestimmt auch in Kontakt bleiben."

Am liebsten erinnere sie sich an die vielen Feste und Feiern zurück, die sie mit den Kindern und Jugendlichen, aber auch mit den Mitarbeitern der Einrichtung gefeiert habe. "Unser Ziel war es immer, Freude zu verbreiten", sagt sie. "Viele Kinder mussten Leid ertragen, bevor sie zu uns kamen. Sie sollen erleben, dass es auch anders sein kann." Sie erinnere sich zum Beispiel an einen Jungen, dessen Mutter immer seinen Geburtstag vergessen und ihm nie etwas geschenkt habe. Schwester Magda: "Dann kam er zu uns und wir haben groß gefeiert. Das war für ihn etwas ganz Neues." Viele ehemalige Bewohner treffe sie regelmäßig in Bad Oldesloe. "Ich weiß auch bei einigen, wo sie wohnen und freue mich, wenn sie eine feste Arbeit haben und es ihnen gut geht", sagt die Ordensschwester. Eine ehemalige Bewohnerin habe sogar im Kinder- und Jugendhaus ihre Hochzeit gefeiert.

Auch wenn sie einige Menschen vermissen werde, blicke sie positiv in die Zukunft. "Ich kann noch einmal etwas Neues sehen, einen neuen Weg gehen", sagt sie. "Für mich ist das jetzt auch ein Zeitpunkt, um nach vorn zu schauen." Sie wird in ihre Heimatstadt Osnabrück zurückkehren und dort an der Fachschule für Sozialpädagogik tätig sein. Auf die anderen Schwestern warten ebenfalls neue Aufgaben in verschiedenen Städten. Nur Schwester Beta darf sich zur Ruhe setzen. Sie wird in das Altenheim im Mutterhaus des Ordens in Thuine im Emsland ziehen.