Bestürzung nach dem Fall Chantal aus Hamburg: Das elfjährige Mädchen starb an einer Überdosis Methadon. In Stormarn gibt es 180 Pflegekinder.

Bad Oldesloe. Der tragische Tod der elfjährigen Chantal aus Hamburg-Wilhelmsburg sorgt über die Stadtgrenze hinaus für Bestürzung. Wieder einmal stellt sie die Frage, wie gut die Kontrollmechanismen der Jugendämter funktionieren? Und ob solche Schicksale, wie das des Hamburger Mädchens, das bei drogenabhängigen Pflegeeltern aufwuchs und an einer Überdosis der Heroin-Ersatzdroge Methadon gestorben ist, vermeidbar sind.

Im Kreis Stormarn werden derzeit 180 Pflegekinder in Familien betreut und es werden händeringend weitere Pflegeeltern gesucht. "Grundsätzlich kann sich jeder, ob Einzelperson oder Paar, bei uns bewerben", sagt Wilhelm Hegermann, Leiter des Fachdienstes Jugend, Schule und Kultur in der Kreisverwaltung. Interessierte müssen dann an einem Bewerberseminar teilnehmen und mit den Mitarbeitern des Pflegedienstes Einzelgespräche führen. "Zudem gibt es eine grundsätzliche Prüfung. Wir gucken uns die räumlichen Bedingungen in der Wohnung an und kontrollieren beispielsweise, wie die berufliche Situation ist", sagt Hegermann. Dieser Prozess dauert zwischen sechs und neun Monaten.

Laut Hegermann werden alle Bewerber individuell geprüft, um zum einen festzustellen , ob sie überhaupt als Pflegeeltern in Betracht kommen und wenn ja, welche Kinder ihnen anvertraut werden können. Denn viele Mädchen und Jungen seien traumatisiert. Ihre leiblichen Eltern waren überfordert, leiden an psychischen Erkrankungen oder sind alkohol- oder drogenabhängig. Oft seien auch Gewalt oder sexueller Missbrauch ein Grund dafür, dass Kinder aus ihren Familien geholt werden und in Pflegefamilien aufgenommen werden.

Doch wie kann verhindert werden, dass sie dort erneut diese schrecklichen Erfahrungen machen oder den gleichen Gefahren ausgesetzt sind - so wie Chantal? Dazu wollte sich Wilhelm Hegermann nicht konkret äußern. "Ich kenne nicht die Hintergründe des Hamburger Falls", sagt er und verweist darauf, dass er sich nicht an Fälle erinnern könne, in denen das Wohl des Kindes in Pflegefamilien gefährdet war. "Natürlich kommt es mal vor, dass Kinder ihre Pflegefamilien wieder verlassen müssen. Beispielsweise, weil die Pflegeeltern sich trennen oder das Kind nicht mit den leiblichen Kindern zurechtkommt. Dies seien Umstände, die nicht vorhersehbar sind", so Hegermann. Zudem würden drei Mitarbeiter der Verwaltung mit Hilfe des Allgemeinen Sozialen Dienstes regelmäßig kontrollieren, wie es den Pflegekindern in ihren neuen Familien geht. Pro Kind bekommen Pflegeeltern in Stormarn monatlich durchschnittlich 1000 Euro. Pro Familie werden in Stormarn bis zu zwei Pflegekinder vermittelt.

Die Gefahr, dass Pflegekinder nur Mittel zur Aufbesserung des Einkommens sind, besteht. "Jedoch hat sich mit der Gesetzesverschärfung in den vergangenen drei Jahren viel getan", sagt Birgit Brauer, Leiterin des Kinder- und Jugendhauses St. Josef in Bad Oldesloe. "Der Kreis Stormarn ist da relativ gut", sagt Brauer. Zuletzt sei vor etwa fünf Jahren eine Jugendliche in das Oldesloer Kinderheim gekommen, nachdem sie in der Pflegefamilie misshandelt wurde. Doch auch mit verschärften Gesetzen könnten laut Brauer Übergriffe oder Schicksale wie das von Chantal nicht gänzlich verhindert werden.

"Wenn in einer Wohnung überall Müll herumliegt, fällt dies natürlich bei Kontrollen auf", sagt Brauer. Doch alles, was nicht offensichtlich ist, sei schwer zu kontrollieren. Beispielsweise, ob Pflegeeltern beispielsweise ein Drogenproblem haben. Dies sei aber nicht nur bei Pflegeeltern ein Problem, sondern auch bei leiblichen Eltern, die vom Jugendamt betreut werden.

Wesentlich bedenklicher schätzt Brauer Familien ein, in denen Kinder vernachlässigt werden oder verwahrlosen, ohne dass es eine Behörde merkt. "Dort gibt es eine hohe Dunkelziffer", schätzt Brauer: "Diesen Kinder, ob in einer Pflegefamilie oder bei den leiblichen Eltern, können häufig nur Nachbarn helfen, die nicht wegschauen."